Rubriken: Bildbearbeitung, Bildgestaltung

Bokeh-Erweiterung mit Hilfe der Brenzier Methode

2011-04-25 Der erfolgreiche Hochzeitsfotograf Ryan Brenizer hat eine Methode salonfähig gemacht, bei der sich ein weiter Blickwinkel mit dem natürlichen Bokeh-Effekt eines Teleobjektivs erreichen lässt. Damit schafft der US-Amerikaner etwas, was nach den Gesetzen der Optik eigentlich gar nicht möglich ist. Und das alles, ohne Weichzeichnungstechniken der digitalen Bildbearbeitung einzusetzen. Die Technik an sich ist alles andere als neu, wurde aber für diesen Einsatz zweckentfremdet und bietet jede Menge kreatives Potential, das es zu entdecken gilt. Was genau sich hinter dieser Technik verbirgt, zeigt dieser Fototipp.  (Harm-Diercks Gronewold)

Der fotografisch versierte Leser wird natürlich stutzig werden, denn grundsätzlich ist der Schärfebereich bei gleichem Aufnahmeabstand bei geringer Brennweite größer als bei großer Brennweite (siehe weiterführende Links). Damit man jedoch auch bei einer Weitwinkelaufnahme einen geringen Schärfebereich realisieren kann, muss die menschliche Wahrnehmung ausgetrickst werden. Das kann man entweder mit aufwendiger Bildbearbeitung oder mit ausgefeilter Aufnahmetechnik erzielen.

Die Bokeh-Erweiterung nach Brenizer ist eine solche Aufnahmetechnik. Sie spielt dem Betrachter vor, eine Weitwinkelaufnahme mit Teleobjektiv typischem Schärfebereich zu sein. Dabei ist sie ein Multirow-Panorama, das mit längerer Brennweite aufgenommen wird. Man benötigt dazu ein lichtstarkes Teleobjektiv ab 85 Millimeter Brennweite. Allerdings sollte die Brennweite auch nicht zu groß sein, da sonst die geringe perspektivische Tiefe die fotografierten Personen sehr flach aussehen lassen kann. Darüber hinaus benötigt man noch ein Programm, mit dem man Multirow-Panoramen zusammenfügen kann. Für diese Technik eignet sich die Funktion Photomerge in Adobes Photoshop und Photoshop Elements sehr gut, aber auch andere Panorama-Programme wie Hugin, Microsoft ICE oder Autostitch.

Vorgehensweise für die Bokeherweiterung zur Verdeutlichung mit einem Weitwinkelfoto hinterlegt [Foto: MediaNord]Der Vorgang ist nun recht einfach: Zuerst reduziert man die Datei-Auflösung der Kamera, denn da eine Menge Bilder gemacht werden, kann es vorkommen, dass die Auflösung des fertigen Bildes mit verschiedenen Ebenen die Gigabytemarke problemlos sprengen kann. Nun stellt man sein Modell an die auserwählte Location und dann wird das Multirow-Panorama in Angriff genommen. Dazu sollte man ebenso wie bei normalen Panoramen darauf achten, dass die Belichtungszeit und der Weißabgleich immer gleich bleiben. Somit bieten sich eine festgelegte Zeit-/Blendenkombination und ein manuell durchgeführter Weißabgleich an. Der Autofokus der Kamera sollte nur benutzt werden, wenn das erste Bild aufgenommen wird. Die Blende sollte möglichst weit offen sein. Ob sich der Hintergrund eignet oder nicht, das zeigt das Sucherbild recht zuverlässig mit einer Testaufnahme beziehungsweise nach Betätigen der Abblendtaste. Ist der Fokus gesetzt, dann wird der Autofokus deaktiviert und die Aufnahmen können beginnen. Das Modell sollte möglichst unbewegt stehen, da Panorama-Stitcher sehr empfindlich reagieren, wenn es um Bewegungen im Motiv geht. Üblicherweise arbeitet man aus der Hand, kann aber auch ein Stativ zur Hilfe nehmen, wenn das eher behagt. Allerdings sollten die Aufnahmen in schneller Folge vom oberen Teil des Hauptobjekts und von links nach rechts nach unten bis zum Ende des Hauptobjektes gemacht werden. Ab dort dann in einer eckigen Spirale von Innen nach Außen (siehe Skizze).

Endprodukt des Multirow-Panoramas [Foto: MediaNord]Sind alle Bilder aufgenommen, dann kommt der Stitcher zum Einsatz. Im Fall von Photomerge, was unter "Datei" und dann unter "Automatisieren" zu finden ist, kann man die Einstellung getrost auf "automatisch" belassen und die "Vignettierungskorrektur" einschalten. Dann werden die Daten über "Durchsuchen" in den Dialog gelegt und mit "OK" beginnt Photomerge seinen Dienst. Bei sehr großen Datenmengen können ältere Versionen von Photoshop das Programm zum Absturz bringen, da der Rechenaufwand immens hoch ist. Abhilfe schaffen hier geringere Auflösung der Einzelbilder beziehungsweise man versucht nicht alle Bilder auf einmal zusammenzufügen und stiched in "Etappen". So wurde das Beispielfoto auf über vierzig Aufnahmen in 15 Arbeitsschritten erstellt. Es kommt vor, das Photomerge Bilder, die es nicht automatisch einfügen kann, immer unter das eigentliche Foto setzt, diese können dann manuell eingefügt werden. Allerdings ist das eine komplexe Aufgabe, besonders dann, wenn ein Teil des Hauptmotivs betroffen ist. Hier sollten dann nur die wichtigen Teile des Hauptmotivs ersetzt werden und Teile des Hintergrundes mit der in CS5 neuen Funktion "Inhaltssensitiven Füllen". Dazu markiert man den entsprechenden Bereich großzügig mit dem Lasso und wählt unter dem Menüpunkt "Bearbeiten" den Befehl "Fläche Füllen" aus. Dann wird die Option "Inhaltssensitiv" gewählt und man klickt auf "OK". Der gewählte Bereich wird gefüllt und das hoffentlich mit glaubwürdiger Bildinformation. Doch auch der "Bereichreparatur"-Pinsel kann mit dieser Option benutzt werden – umstellbar in der Statusleiste.

Diese Technik ist relativ einfach, dennoch braucht man einige Zeit um sie zu erlernen und zu beherrschen. Man sollte anmerken, dass man sicherlich mit reiner Bildbearbeitung zu ähnlichen Bildergebnissen kommen kann, allerdings wird es schwer brillante Bokehs von guten Objektiven per Bildbearbeitung zu simulieren. Auch wenn der Aufwand hoch ist, so sind die Ergebnisse sehr überzeugend und vor allem glaubwürdig.

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