Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Grundlagenwissen
Die Bedeutung der kleinbildäquivalenten Blende
2010-03-29 Der Begriff der kleinbildäquivalenten Brennweite dürfte den meisten schon einmal begegnet sein, etwa bei kompakten Digitalkameras oder auch DSLRs mit APS-C-Sensor. Durch den kleineren Sensor dieser Kameras scheint sich die Brennweite zu verlängern, d. h. die reale Brennweitenangabe entspricht nicht dem Bildeindruck – verglichen mit einem herkömmlichen 35mm-Film, dem Kleinbildformat. Doch durch den kleineren Sensor erhöht sich auch die Schärfentiefe, was je nach Motiv mal Vor- und mal Nachteil sein kann. Da man vor allem mit der Blende Einfluss auf die Schärfentiefe nehmen kann, lässt sich auch hier der Begriff einer kleinbildäquivalenten Blende definieren. (Benjamin Kirchheim)
Bei Kamerasensoren, jedenfalls zumindest bei Systemkameras, spricht man bei der Sensorgröße in der Regel umgangssprachlich von einem Cropfaktor. Dieser gibt an, um wie viel kleiner die Diagonale des Bildsensors, verglichen mit einem 35mm-Kleinbildfilm, ist. Dieser hat eine Größe von 36 x 24 mm, die Diagonale beträgt ca. 43,3 mm (leicht nachzurechnen mit dem Satz des Pythagoras). Eine typische DSLR von Nikon, Sony oder Pentax hat einen um den Faktor 1,5 kleineren Sensor, dessen Diagonale etwa 28,4 mm beträgt. Das Olympus E-System (Four Thirds) und auch Micro Four -Thirds (Olympus und Panasonic) haben gar einen Cropfaktor von 2 (Diagonale etwa 21,6 mm), während DSLRs von Canon zumeist einen Cropfaktor von 1,6 haben, die Diagonale beträgt etwa 26,7 mm. Kompakte Digitalkameras mit "kryptischen" Sensorgrößenbezeichnungen wie 1/2,3" oder 1/1,8" oder 2/3" haben bei Sensordiagonalen von 7-11 mm sogar einen Cropfaktor von 4-6.
Je kleiner der Bildsensor ist, desto kleiner muss auch die reale Brennweite eines Objektivs ausfallen, um denselben Bildwinkel abzudecken. So hat etwa eine Kompaktkamera mit 5-25 mm Brennweite ein 28-140mm-Kleinbildäquivalent. Doch der kleine Sensor mit dem Objektiv mit der kleinen realen Brennweite führt auch zu einem viel kleineren Abbildungsmaßstab, denn das selbe Objekt in der Natur muss auf einen viel kleineren Sensor abgebildet werden. Das wiederum hat eine größere Schärfentiefe zur Folge. Das Resultat ist, dass bei einem mit 50mm-Kleinbildäquivalent aufgenommenen Foto die Schärfentiefe bei kleiner realer Brennweite viel größer ist als bei einer großen realen Brennweite.
Die Blende (genaugenommen die Blendenzahl) hingegen ist ein relativer Wert. Sie gibt das Verhältnis der Öffnung zur Brennweite an. Eine Öffnung von F2,8 ist also bei einem 50mm-Objektiv viel größer als bei einem 33mm-Objektiv, das an einem APS-C-Sensor mit Cropfaktor 1,5 aber dem Blickwinkel des 50mm-Objektivs entspricht. Aber auch die Schärfentiefe dieser beiden Kombinationen unterscheidet sich – und zwar ebenfalls näherungsweise um den Cropfaktor. Bei F2,8 hat also das 50mm-Objektiv eine geringere Schärfentiefe als das 33mm-Objektiv bei F2,8 an einem APS-C-Sensor. Man müsste das 50mm-Objektiv auf F4,2 abblenden, damit es dieselbe hohe Schärfentiefe wie das 33mm an APS-C zeigt. Umgekehrt müsste man das Objektiv an APS-C auf F1,9 aufblenden, damit derselbe Schärfeeindruck wie beim 50mm mit F2,8 entsteht. Man könnte also bei Objektiven etwa nicht nur die kleinbildäquivalente Brennweite für den Bildwinkel, sondern auch die kleinbildäquivalente Blende für die Schärfentiefe angeben. Das Olympus F2,0/14-35mm entspräche also einem F4,0/28-70mm, ein typisches F3,5-5,6/18-55mm-Setobjektiv einer DSLR entspräche so (gerundet) einem F5,3-7,5/27-83mm.
Bei Systemkameras mit "geringem" Cropfaktor von maximal 2 sind die Auswirkungen noch überschaubar, auch wenn sie keineswegs vernachlässigbar sind, wie die beiden Beispiele gezeigt haben. Bei einer Kompaktkamera aber werden die Unterschiede deutlicher. Nimmt man mit einer Kompaktkamera mit einer Cropfaktor von 6 etwa ein Landschaftsbild bei Blende F8 auf, müsste man für eine vergleichbare Schärfentiefe eine Kleinbildkamera (bei gleicher kleinbildäquivalenter Brennweite) etwa auf Blende F48 abblenden – kaum ein Objektiv schafft das und in der Praxis macht man das nicht (siehe Fototipp zur förderlichen Blende in den weiterführenden Links). Umgekehrt bei einem Porträt, wo man sich eine geringe Schärfentiefe wünscht: Während man bei der Kleinbildkamera mit Blende F2 arbeiten kann, müsste man eine Kompaktkamera mit Cropfaktor von 6 auf F0,3 aufblenden – so eine lichtstarke Kompaktkamera gibt es nicht.
Hier zeigen sich die deutlichen Unterschiede in der Praxis, die man – je nach System – aber auch für sich nutzen kann. Viele Menschen wünschen sich gerade bei Erinnerungsfotos eine hohe Schärfentiefe, damit man sowohl vorne als auch hinten alles scharf auf dem Foto sieht. Mancher Umsteiger von Kompakt- auf Systemkamera findet anfangs die Fotos der neuen Kamera unscharf – meist ist aber nur die Schärfentiefe geringer und der Fokuspunkt sitzt nicht da, wo er sitzen sollte – hier ist geduldiges Üben angesagt. Bei künstlerischer Gestaltung hingegen wird gerne mit dem Verhältnis von Schärfe und Unschärfe gearbeitet, hier sind Kompaktkameras nur sehr begrenzt einsetzbar, erst mit lichtstarken Objektiven an einer Kamera mit großem Sensor hat man große gestalterische Möglichkeiten. Bei Makroaufnahmen hingegen schrumpft die Schärfentiefe sowieso auf ein sehr geringes Maß – hier kann wieder eine Kompaktkamera durchaus von Vorteil sein.