Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Grundlagenwissen
Hyperfokaldistanz erklärt und angewendet
2004-04-07 Bei schummrigem Licht oder Sportfotografie ist der Autofokus kompakter Digitalkameras zu langsam für Schnappschüsse. Landschaftsfotografen möchten Vorder- und Hintergrund scharf abbilden. Für beide Fälle gibt es eine Lösung: Die Kamera wird bei bestimmter Brennweite und Blende auf die Hyperfokaldistanz eingestellt und alles, von der halben Fokusdistanz bis unendlich, ist scharf. (Benjamin Kirchheim)
|
|
|
Dank eingestellter Hyperfokal-
distanz sind sowohl die Pflanzen
im Vordergrund als auch der weit
entfernte Fernsehturm scharf
abgebildet.
|
Jede Kamera hat bei einer bestimmten Blende, Brennweite und
Fokusdistanz eine mehr oder weniger große Schärfentiefe (siehe
Fototipps in den weiterführenden Links). Für jede
Blenden-Brennweiten-Kombination gibt es jedoch eine Fokusentfernung,
die die Schärfentiefe optimal ausnutzt. Dann liegt die vordere
Schärfegrenze bei der halben Fokusdistanz und die hintere bei
unendlich. Diese Fokusdistanz heißt Hyperfokaldistanz und ist von
Zerstreuungskreis, Blende und Brennweite abhängig. Der
Zerstreuungskreis hängt von der Pixelgröße auf dem Sensor, also von der Größe des Bildsensors und seiner
Auflösung ab. Er definiert, wann ein Punkt noch als scharf wahrgenommen
wird. Der Zerstreuungskreisdurchmesser beträgt bei einem 35 mm
Kleinbildfilm etwa 0,03 mm, ist aber bei kompakten Digitalkameras
modellabhängig wesentlich kleiner, z. B. 0,008 mm für die Minolta Dimage A1 (2/3"-Sensor mit 5 Megapixeln) und 0,005 mm für die Canon
Powershot A70 (1/2,7"-Sensor mit 3,2 Megapixeln). Fixfokuskameras
arbeiten sogar grundsätzlich nach dem Prinzip der Hyperfokaldistanz.
Je größer die reale Brennweite, desto größer ist die Hyperfokaldistanz –
im Telebereich ist sie also sehr groß. Ebenso verringert eine möglichst
weit geschlossene Blende die Hyperfokaldistanz, weshalb bei dieser Technik
je nach Kamera mit Werten von F4, F8 oder höher gearbeitet werden sollte.
Die kurze reale Brennweite kompakter Digitalkameras kommt der Anwendung der
Hyperfokaldistanz sehr entgegen. Der kleine Zerstreuungskreis ist dagegen
zwar unvorteilhaft, jedoch überwiegt der Brennweitenvorteil. Die
Hyperfokaldistanz bei 28 mm Brennweite und Blende F8 beträgt bei einer
Kleinbildkamera 3,29 m, während sie bei der Minolta Dimage A1 (7,2 mm reale
Brennweite) nur 0,82 m beträgt. Die Minolta bildet somit bei den genannten
Einstellungen alles von 0,41 m bis unendlich scharf ab.
Im Internet existieren viele Seiten, die sich mit dem Thema beschäftigen
(siehe weiterführende Links). Dort gibt es Listen mit Zerstreuungskreisen
für Digitalkameras und auch Rechner für die Schärfentiefe und
Hyperfokaldistanz. Es ist sinnvoll, sich für die eigene Digitalkamera eine
Tabelle mit den Hyperfokaldistanzen auszudrucken oder gleich eine
Drehscheibe zu basteln, auf der man Brennweite und Blende einstellt und so
die Schärfentiefe und Hyperfokaldistanz ablesen kann. Einige Objektive für
Spiegelreflexkameras haben sogar Schärfentiefe-Markierungen. Für die
Berechnung der Hyperfokaldistanz wird die reale Brennweite der Kamera
verwendet, die bei Digitalkameras bei gleichem Bildausschnitt kleiner ist
als bei 35 mm Kameras (z. B. 5,8 mm der Minolta Z1 entspricht 38 mm an
einer Kleinbildkamera). Sollte die verwendete Digitalkamera nicht auf der
Internetseite aufgeführt sein, muss man eine vergleichbare Kamera finden,
die bei gleicher Auflösung einen gleich großen Sensor verwendet.
Zur Anwendung dieser Technik muss die Digitalkamera die Möglichkeit der
manuellen Blendenvorgabe und einen manuellen Fokus – möglichst mit
Entfernungsangabe – besitzen. Einige Kameras bieten Benutzerspeicher, in
denen man eingestellte Werte ablegen kann – sehr nützlich für die schnelle
Anwendung der Hyperfokaldistanz. Kann die Distanz nicht exakt eingestellt
werden, sollte der nächst größere Wert für den Fokus gewählt werden. Die
vordere Schärfegrenze ist dann zwar weiter weg (halbe Fokusdistanz), dafür
bleibt aber die hintere bei unendlich. Stellt man die Distanz dagegen zu
kurz ein, werden weit entfernte Objekte nicht mehr scharf abgebildet. Eine
auf Hyperfokaldistanz eingestellte Digitalkamera wird auf Feiern bei wenig
Licht oder bei Sportereignissen zur Schnappschusskamera, bei der kein
langsamer Autofokus stört. Sinnvoll sind bei Innenaufnahmen
Hyperfokaldistanzen von 1 bis 1,5 m, dann werden sowohl nahe Personen als
auch entferntere Motivteile gestochen scharf abgebildet. Bei
Sportfotografie oder Landschaftsaufnahmen kann je nach Anwendung auch eine
größere Hyperfokaldistanz sinnvoll sein.