Spiegelreflexkamera, Systemkamera
Testbericht: Canon EOS 6D
2013-03-13 „Vollformat für Jedermann“ titelten manche, als Nikon und Canon ihre 6er-Modelle ankündigten. Bei einem Gehäuse-Preis von etwa 1.800 Euro für die Canon 6D ist das sicherlich etwas euphorisch – dennoch sind sie und die Nikon D600 reizvolle Objekte der Begierde für zahlungskräftige Einsteiger ins Vollformat sowie Aufsteiger aus der APS-C-Klasse. Das Zauberwort „Vollformat“, eigentlich „Kleinbild“, war einst das kleinste für Profis gerade noch erträgliche Format – in der digitalen Welt gilt es als groß. Die Vorteile: Es stellt die vom Film gewohnten Brennweiten- und Schärfentiefeverhältnisse wieder her und ist lichtempfindlicher. Was die kleinste Vollformat-SLR von Canon zu leisten vermag, soll dieser Test zeigen. (Stefan Meißner)
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Ergonomie und Verarbeitung Schon beim ersten in die Hand nehmen gefallen das solide aber nicht zu hohe Gewicht von betriebsbereit 1.460 Gramm (inklusive Objektiv 24-105 mm, das Gehäuse alleine wiegt lediglich 680 Gramm) sowie das bezogen auf die Sensorgröße kleine Gehäuse. Ebenso lässt die Verarbeitung nichts zu wünschen übrig. Das Gussgehäuse ist mit einer sehr griffigen Beschichtung überzogen, die es rutschfest in der Hand kleben lässt. Der Handgriff wirkt zunächst für große Hände etwas zu schmal und leicht kantig, woran man sich jedoch gewöhnt. Nach kurzer Zeit jedenfalls stört beim Umgang mit dem Vollformater nichts mehr und man vergisst zuweilen, dass man hier mit einem Sensor arbeitet, der im Vergleich zum APS-C-Format eine doppelt so große Fläche besitzt. Das Gehäuse der Canon 6D kann durchaus klein genannt werden, fällt sie doch neben der 7D und sogar der 60D nicht besonders auf.
Alle Klappen und Schalter machen ebenfalls einen verlässlichen Eindruck. Batterie-und Speicherkartenfach sind jeweils durch eine Schaumstoffdichtung gegen äußere Einflüsse abgeschirmt, zwei Gummiabdeckungen verbergen AV/USB-, HDMI-, Fernbedienungs- und Mikrofonanschluss zuverlässig. Der Betriebsartenwähler wird mit einer Arretierung vor versehentlichem Verstellen geschützt und ist im Gegensatz zur 5D Mark III komplett mit Funktionen belegt, darunter sogar zwei frei konfigurierbare. Ein Novum in dieser Klasse stellt die 8-Wege-Wippe innerhalb des hinteren Einstellrades dar, dafür wurde der Joystick der 5D Mark III eingespart. Für manch einen Canon-Profi sicher ein Verlust, andererseits wiederum Gewöhnungssache und damit nebensächlich. Uns jedenfalls hat die Steuerung der Fokusfelder mit diesem Schalter gut gefallen. Natürlich hat die 6D im Vergleich zur großen Schwester nicht ganz so viele Taster bekommen, dennoch sind die wichtigsten Einstellungen direkt erreichbar. Autofokus-Methode, Verschlusssteuerung, ISO-Empfindlichkeit und Belichtungsmessung werden mit vier Schaltern auf der Oberseite eingestellt.
Die AF-Messfelder werden mit einem Daumendruck auf einen Taster knapp oberhalb der Daumenmulde gewählt. Messwertspeicher und Fokustaste befinden sich ebenfalls oberhalb der Daumenmulde, wobei alle drei Tasten aber so geschickt angeordnet sind, dass sie nicht versehentlich gedrückt werden können. Links neben dem Display gibt es keine Tasten mehr, nur Menü- und Infotaste sind wie gewohnt links neben dem Okular zu finden. Bildwiedergabe, Schnellmenü (Q-Taste) und Lupe befinden sich nun oberhalb des Schnellwählers, was aus Sicht des Canon-Neueinsteigers sogar logisch ist, wird doch auf diese Weise alles Wesentliche mit dem Daumen der rechten Hand bedient. Sicherlich wird sowohl der 7D-Aufsteiger als auch der 5D-Mark-III-Umsteiger die Bedienung zunächst ungewöhnlich finden. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die gewohnte Routine wieder hergestellt ist. Immerhin ist der wichtige Schalter für Livebild-Aufnahmen und Videobetrieb bei allen drei Kandidaten gleich.
Die Unterseite bietet wieder einen perfekt sitzendes Metall-Stativgewinde mit gutem Abstand zum Batteriefach, langen Studioshootings steht also nichts im Wege. Eingeschaltet wird die 6D wie gewohnt mit einem ordentlichen Schalter unterhalb des Moduswählers. Die Kamera ist im Nu aufnahmebereit. Ab der ersten Auslösung ist man begeistert vom perfekt gedämpften, sehr sanften Spiegelschlag. So butterweich verrichtet der Verschluss seine Arbeit, dass man auch hier kein Vollformat vermutet. Im Livebild-Modus geht das sogar noch leiser, denn der Spiegel bleibt einfach oben und der Schlitzverschluss wird damit beinahe theatertauglich. Mit Hilfe der Belichtungsvorschau, dem Histogramm und der Überbelichtungswarnung kann die Aufnahme im Live-View schon vor dem Auslösen beurteilt werden.
Das Display der Canon 6D ist fest verbaut, was der kompakten Robustheit zugute kommt, dennoch wird der eine oder andere Fotograf die Schwenkmöglichkeit vermissen. Allerdings gehört das diagonal 7,5 Zentimeter messende Display zu den besten, die in Kameras verbaut werden: brillant, mit über einer Million Bildpunkten scharf und detailreich zeigt es auch selbst aus flachem Betrachtungswinkel nur geringe Einbußen. Aber auch der optische Sucher ist eine Wucht, er ist so groß und hell wie früher. Wer noch nie den Sucher einer analogen Kleinbild-Spiegelreflexkamera gesehen hat wird schwer beeindruckt sein. Die für das Foto wichtigen Bildparameter wie Zeit, Blende, ISO-Empfindlichkeit und Belichtungskorrektur werden unterhalb des Bildrahmens im Sucher angezeigt, die verwendeten AF-Felder blinken beim Scharfstellen kurz auf.
Bedienen lässt sich die Canon 6D recht konventionell. Mit dem Moduswähler wird die Betriebsart eingestellt, am vorderen beziehungsweise hinteren Rad können abhängig von der Betriebsart Blende, Zeit und Belichtungskorrektur eingestellt werden. Sind tiefere Eingriffe nötig helfen die Taster für AF, Antrieb und Empfindlichkeit oder das Quickmenü. Für die ganz tiefen Eingriffe ins Geschehen geht man ins Menü. Mit je nach gewähltem Programm bis zu fünfzehn Karteireitern ist es nicht gerade übersichtlich. Jeder Karteireiter enthält zwar nur eine Bildschirmseite mit fünf Menüpunkten, die sich aber teilweise sehr in der Tiefe verschachteln. Besonders umfangreich und gewöhnungsbedürftig ist das Individual-Menü. Dafür kann man fast alles einstellen, was an einer Kamera veränderbar ist.
Ausstattung Damit das Konzept von der „Einsteiger Vollformatkamera“ aufgeht, mussten die Canon-Techniker einen Spagat bewältigen. Sowohl Profis als auch Anfänger sollen angesprochen werden. Die Kamera muss für beide Kundenkreise entsprechende Funktionen anbieten, das heißt sowohl die üblichen Vollautomatiken mit Szenenerkennung und Assistenten als auch vollständig manuelle Bedienung sollten möglich sein. Darüber hinaus dürfen den Anfänger nicht zu viele Funktionen und Schalter überfordern. Der Profi jedoch möchte möglichst über alle gewohnten Einflussmöglichkeiten mit den entsprechenden Schaltern verfügen. Folgerichtig bietet die 6D auf dem vollgepackten Moduswähler sowohl die A+ genannte Vollautomatik, eine „Kreativ-Automatik“ und eine Szenenautomatik an. A+ ist die von Kompaktkameras bekannte automatische Szenenerkennung ohne große Einflussmöglichkeit – sozusagen das rundum-sorglos-Paket. Im kreativ-Modus kann die Schärfentiefe mit Hilfe eines Schiebereglers eingestellt oder Aufnahmen mit verschiedenen Farbeinstellungen gemacht werden, ein erklärender Hinweis wird dabei jeweils eingeblendet. Im Szenemodus lassen sich die üblichen Porträt-, Sport- und Landschaftsprogramme vom Fotografen auswählen.
Eine interessante Funktion bieten die Einstellungen „Gegenlicht“ beziehungsweise „Nachtaufnahme ohne Stativ“: Die Kamera nimmt eine Miniserie von bis zu vier Bildern auf und erzeugt damit Fotos mit geringer Verwacklung oder besserer Lichter- und Tiefenzeichnung. Natürlich sind auch alle Standardautomatiken mit weit reichenden Einflussmöglichkeiten sowie der manuelle Modus mit an Bord. Wem das noch nicht genug ist, konfiguriert eigene Modi und legt diese auf die zwei Positionen C1 und C2. Damit bei all den Funktionen die Übersicht nicht verloren geht, gibt es das Quickmenü, mit dem die jeweils erforderlichen Parameter direkt auf dem Display konfiguriert werden können. Das begrenzt die Anzahl notwendiger Schalter und verschafft dem Nutzer einen guten Überblick über die Funktionen. Will dagegen der ambitionierte Fotograf zum Beispiel in die Zeitautomatik eingreifen, kann er das mit Direkttasten sehr schnell tun.
Der Live-Bild-Modus hat enormen Charme. Nicht nur die Belichtungs- und Effektvorschau inklusive Live-Histogramm und verschiedene Gitter erleichtern die korrekte Aufnahme, auch das unschlagbar leise Auslösegeräusch ist ein echter Vorteil. Eine Wasserwaage für horizontale Ausrichtung kann bei Bedarf auf dem Display eingeblendet werden, im Sucher ist sie aber nicht zu sehen. Allerdings kann – tief versteckt im Individual-Menü – die Wasserwaage auf den Schärfentiefen-Schalter gelegt werden. Dieser befindet sich etwas untypisch seitlich unten am Bajonett und kann daher mit der linken Hand leichter bedient werden. Mit Hilfe der Belichtungsstufenanzeige wird dann eine Wasserwaage im Sucher simuliert. Wenn man auf die Schärfentiefe-Kontrolle verzichten kann ist das eigentlich eine gute Funktion. Dumm nur, dass die Anzeige erlischt, sobald der Auslöser angetippt wird. Wirklich hilfreich ist das daher nicht.
Bei der Geschwindigkeit muss sich die 6D klar den beiden Schwestern geschlagen geben. Im JPEG-Betrieb werden maximal etwa 4,3 Bilder pro Sekunde erreicht, nach rund 50 Bildern fällt die Kamera dann in den recht ordentlichen Dauerlauf von 2 Bildern je Sekunde. Dramatisch schlechter wird es, wenn Raw- und JPEG gleichzeitig geschossen werden sollen. Dann geht ihr schon nach etwa 7 Bildern die Puste aus, der Dauerlauf kommt mit einem Bild alle zwei Sekunden eher einem Schlendern gleich. Ein Grund dafür mag sein, dass in der 6D nur SD-Karten verwendet werden können, die sich in unseren Tests immer als Flaschenhals gezeigt haben. Wer eine Kamera für Sportaufnahmen sucht ist daher besser bedient mit der 7D, die in dieser Disziplin ungeschlagener Sieger ist.
Die Schärfe vermag die Canon 6D bei Maximalgeschwindigkeit übrigens nur teilweise zu halten, allerdings bietet das Individual-Menü reichlich Möglichkeiten, den Autofokus für Bewegungen zu optimieren. Im Videobetrieb gibt es kein Nachführen der Schärfe, der Fotograf kann aber von Hand scharf stellen oder sich mit Hilfe des AF-Tasters von der Kamera helfen lassen. Dann ist aber das Zirpen des Fokusantriebs im Video deutlich zu hören. Ansonsten ist der Videomodus recht umfangreich ausgestattet. Selbstverständlich wird in Full-HD mit bis zu 1.920 x 1.080 Pixeln und 25 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet. Dabei können zwei Kompressionsmethoden gewählt werden, auch die für den späteren Schnitt interessante Einzelbildkompression (I-Frame only). Der Ton wird mit dem eingebauten Mikrofon nur in Mono aufgezeichnet, aber damit muss sich der Videograph nicht begnügen. Eine 3,5 mm Klinkenbuchse lässt den Anschluss eines Stereomikrofons zu, das sogar manuell ausgesteuert werden kann.
Ein Novum bei Canon stellt die Integration von GPS und WLAN dar. Beide Module müssen im Menü aktiviert werden und verbrauchen dann Strom, was sich auf die ansonsten recht ordentliche Ausdauer des Akkus spürbar auswirkt. Dennoch eröffnet gerade das WLAN-Modul tolle Möglichkeiten: Über eine App, die kostenlos für Android- und Apple-Smartphones heruntergeladen werden kann, lässt sich die 6D ferngesteuert auslösen, wobei das Sucherbild auf dem Handy-Display angezeigt wird. Das funktioniert natürlich nur im Live-Bild-Modus mit dem damit verbundenen Nachteil des trägen Autofokus und entsprechend verzögertem Auslösen. Trotzdem kann diese Funktion als gelungen betrachtet werden, eröffnet sie doch völlig neue Anwendungsgebiete. Fotos aus Perspektiven, die ein externes Display notwendig machen, sind problemlos möglich und die Software bietet einiges Potential für Erweiterungen, das Canon derzeit leider noch nicht ausnutzt. Dass man die Canon 6D per WLAN auch vom PC aus fernsteuern kann, ist klar und auch DLNA-fähige Fernseher können für die drahtlose Betrachtung aufgenommener Fotos verwendet werden.
Das GPS-Modul findet etwa 60 Sekunden nach der Aktivierung die Koordinaten und schreibt sie in die Metadaten der Bilddatei. Mit Hilfe der mitgelieferten „Map Utility“ kann der Fotograf seine Aufnahmen auf einer Google-Karte verorten, die Software muss dafür mit dem Internet verbunden sein. Auch wer seine Fotos in der Kamera nachbearbeiten beziehungsweise Rohdateien entwickeln will, findet die wichtigsten Optionen im Kameramenü. Die Bedienung ist allerdings etwas umständlich.
Objektiv Das Objektivprogramm bei Canon ist riesig. Diesmal haben wir neben dem Standardzoom EF 24-105 mm 1:4 L IS USM vier weitere Objektive getestet und zwar die Festbrennweiten 24 mm und 28 mm mit Lichtstärke 2,8, das 35 mm F2,0 und das mit F1,2 sehr lichtstarke 50 mm Objektiv. Mit Ausnahme des Normalobjektivs sind alle Weitwinkel und das Zoom mit einem optischen Bildstabilisator ausgestattet, der in von Canon gewohnter Perfektion auch das Sucherbild wie festgenagelt hält. Bei allen getesteten Objektiven wirkt der mechanische Fokusring angenehm direkt auf die Schärfe. Die Objektive sind innenfokussiert, verändern also weder Baulänge noch dreht sich außen irgendetwas. Mechanisch wirken sie sehr robust, allerdings haben nur das 50er und das Zoom eine Gummilippe am Bajonett, die das Eindringen von Staub und Spritzwasser verhindern soll.
Das älteste Objektiv aus diesem Set ist das 50er. Viele Canon-Fans lieben es und es hat in der Szene einen ausgezeichneten Ruf. Für den Preis von rund 1.400 Euro sollte man das auch erwarten. Auf jeden Fall bekommt man eine Menge Glas fürs Geld, das Objektiv bringt fast 600 Gramm auf die Waage. Das Alter merkt man einzig am behäbigen Autofokus. Von der Naheinstellgrenze von 45 Zentimeter bis Unendlich benötigt die Optik knapp eine Sekunde. Im Live-Bild ist das Ganze noch langsamer und die Schärfe wird zuweilen gar nicht erreicht. Davon abgesehen machen die große Anfangsöffnung und die solide Verarbeitung viel Freude, die Sucherhelligkeit und die geringe Schärfentiefe sind einzigartig.
Das Kontrastprogramm dazu stellen die beiden Weitwinkel mit 24 und 28 Millimeter dar, denn mit F2,8 sind sie nicht besonders Lichtstark, dafür aber sehr kompakt. Das 24er wirkt fast verloren an der Canon 6D. Auch bei diesen beiden könnte der Autofokus ruhig schneller sein, obwohl sie deutlich flotter als das 50er sind. Als ideale Reportageoptik, heute würde man sagen „Street- und Peoplefotografie“, eignet sich das 35er besonders. Nicht zuletzt wegen der relativ hohen Anfangsöffnung von 1:2,0 ist es recht wuchtig, liegt aber mit der Kamera zusammen ausgezeichnet in der Hand. Eine hervorragende „immer drauf“-Brennweite, die das 50er als weitwinkliges „Normalobjektiv“ durchaus ersetzen kann.
Das Zoomobjektiv ist deutlich unhandlicher und zwei Blendenstufen lichtschwächer. Der Brennweitenbereich von 24 bis 105 Millimeter stellt aber die am häufigsten verwendeten Bildwinkel zur Verfügung, es ist daher aus gutem Grund sehr beliebt. Der Autofokus arbeitet recht schnell und treffsicher, der Zoomring läuft geschmeidig und mit einer knappen Vierteldrehung hat man den gesamten Bereich im Griff. Im sogenannten Macro-Bereich der Schärfeskala nähert man sich dem Motiv bis auf etwa 25 Zentimeter Abstand zur Frontlinse. Das ermöglicht einen Bildausschnitt von der Größe einer Postkarte, was nicht wirklich als Makro bezeichnet werden kann.
Unterstützung erfährt das AF-Modul in dunkler Umgebung nicht, die EOS 6D hat leider kein Hilfslicht. Allerdings ist sie auch bei schwachem Licht überraschend treffsicher, insbesondere bei Verwendung des zentralen Messfeldes. Dank der mechanischen Kopplung kann jederzeit manuell in die Schärfe eingegriffen werden, abgeschaltet wird der AF mit einem Schieber am Objektivtubus. Im optischen Sucher gibt es aber keine Scharfstellhilfen, auf dem Display kann im Livebild eine Fokuslupe zugeschaltet werden.
Die Auslöseverzögerung an sich ist sehr gering, solange man nicht den Autofokus bemühen muss. Im Normalbetrieb, das heißt wenn der Phasenkontrast die Arbeit übernimmt, vergeht eine halbe Sekunde bis zum Schuss. Wird Livebild und damit der Kontrastautofokus verwendet, braucht die 6D bis zu fünf Mal so lang – das ist inakzeptabel. Dem Autofokus helfen Gesichtserkennung und insgesamt elf Messfelder die richtige Schärfe zu finden. Canon verwendet in der 6D nur einen Kreuzsensor, die anderen zehn sind einfache Liniensensoren. Immerhin ist der zentral angeordnete Kreuzsensor von sehr hoher Empfindlichkeit und findet auch bei schwachem Licht sein Ziel. Anders sieht es im Live-Bild aus: zögerlich pumpt der Autofokus um die Schärfe herum und findet sie unter schwierigen Lichtverhältnissen manchmal nicht. Das können andere Kameras mittlerweile besser. Auch die Fokuslupe könnte etwas komfortabler sein und schon beim Griff zum Schärfering anspringen. Leider bringt erst mehrfacher Druck auf die Lupentaste den gewünschten Effekt.
Die Wahl der AF-Messfelder geschieht mit einem Daumendruck auf einen Taster knapp oberhalb der Daumenmulde. Mit Haupt- und Schnellwahlrad kann dann das AF-Feld ausgewählt werden. Alternativ geht das auch mit der Acht-Wege-Wippe des Schnellwahlrades. Im Verhältnis zur Suchergröße konzentrieren sich die elf AF-Felder zu sehr in der Bildmitte, so dass Fokussieren eines Randobjektes nicht möglich ist. Wer sowieso nur das als hochempfindlicher Kreuzsensor ausgeführte mittlere Feld verwendet, wird sich daran nicht stören. Bei Verwendung von einer der drei Vollautomatiken geht das aber nicht, da hier die Wahl des AF-Feldes ausschließlich automatisch erfolgt. Im Live-Bild dagegen kann das Fokusfeld frei fast bis zum Bildrand verschoben werden.
Bildqualität Bei einer Kamera wie der Canon EOS 6D zählt als wichtigstes Kriterium neben der Robustheit und der Bedienung natürlich die Bildqualität. Wir haben allen fünf Objektiven an dieser Kamera im Praxiseinsatz und in unserem Testlabor auf den Zahn gefühlt. Die Ergebnisse einzelner Labortests mit ausführlichen Diagrammen aller Messergebnisse können gegen ein geringes Entgelt über den weiterführenden Link heruntergeladen werden.
Für die Sensorgröße sind 20 Megapixel nicht besonders viel, was die Ansprüche an die Objektive gegenüber kleineren Sensoren gleicher Auflösung etwas moderater erscheinen lässt. Bei der Canon EOS 6D wäre aufgrund der Pixelzahl eine maximale Auflösung des Objektivs von 76 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) von Nöten, um den Sensor auszureizen. Die 18 Megapixel auflösenden EOS 7D benötigt dafür schon Objektive, die über 100 lp/mm schaffen. Zusätzlich gilt es aber, diese Auflösung über das gesamte Bildfeld bis in die Ecken konstant zu halten, was bei der deutlich größeren Fläche eines Vollformatsensors ebenfalls hohe Anforderungen an die Konstruktion der Objektive stellt. Unseren Labormessungen zu Folge gelingt dies dem 28er nicht. Bei offener Blende ist die Auflösung in der Bildmitte und am Rand enttäuschend, bei Blende 11 erreicht es zwar ein Maximum von fast 48 lp/mm, am Rand aber bleibt es deutlich darunter. Das EF 24 mm 2.8 IS USM schlägt sich besser, ab Blenden 5,6 bis 11 geht die Bildqualität in Ordnung. Noch besser gefallen da das EF 35 mm 2,0 IS USM und das EF 50 mm 1.2 L USM. Schon um eine Blende geschlossen überzeugen die Objektive und werden dem guten Ruf von Festbrennweiten gerecht. Der messtechnische Auflösungsmangel bei Offenblende schadet dem visuellen Bildeindruck des Fünfzigers nicht, denn die schmale Schärfezone kaschiert diesen Mangel. Genaueres zu den Einzeltests kann über die unten stehenden Links nachgelesen werden.
Das 24-105-Kit-Zoom ist verglichen mit den kurzen Weitwinkelobjektiven erstaunlicherweise die bessere Wahl. Zwar ist es eine Blende lichtschwächer, kann dafür aber schon bei Offenblende überzeugen. Zumindest in der Bildmitte erreicht es etwa 40 Linienpaare pro Millimeter über den gesamten Brennweitenbereich. Beim Abblenden um nur eine Stufe steigt die Auflösung rapide und verbleibt bis F11 bei über 50 lp/mm, wobei auch die Auflösung am Rand deutlich zulegt. An der 5D Mark III lieferte es sogar noch leicht bessere Werte.
Die Kameraelektronik greift moderat in das Geschehen ein, Artefakte bleiben dem Betrachter weitgehend erspart, Farbsäume werden wirkungsvoll unterdrückt. Vignettierung ist kein Problem, zum Rand hin verliert das Bild maximal eine halbe Blendenstufe, am kurzen Ende und voll geöffnet nur einen Tick mehr. Deutlich hingegen ist die Verzeichnung. Im Weitwinkel beträgt die Tonne mehr als 3,5 Prozent und ist damit ohne Korrektur sichtbar. Zum langen Ende hin wandelt sich die Verzeichnung zu einem Kissen, das mit etwas über 1,5 Prozent ebenfalls deutlich sichtbar wird.
Beim Signal-Rauschabstand kann die Canon 6D ihren Vollformat-Trumpf voll ausspielen. Der kritische Wert von 35 dB wird erst bei ISO 6.400 unterschritten. Die Texturschärfe, ein Wert der angibt, wie Details vom Rauschen beziehungsweise der Rauschunterdrückung verschluckt werden, gerät leider schon eine ISO-Stufe früher in sichtbar unscharfe Bereiche. Korngröße und Helligkeitsrauschen wiederum sind bis in höchste Empfindlichkeiten erträglich, den erweiterten ISO-Bereich von 51.200 und 102.400 sollte man aber nur in Notsituationen bemühen. Die Eingangsdynamik bleibt bis ISO 12.800 bei rund 10 Blendenstufen und sinkt darüber zunächst moderat dann rapide. Bei der Signalübertragung kann die 6D als ausgewogen bezeichnet werden. Die Bilder sind durchaus direkt aus der Kamera zu gebrauchen, bieten aber auch Potential für Nacharbeit. Dabei belichtet sie eher vorsichtig, sodass Bilder in den Mitteltönen ein wenig heller eingestellt werden können.
Vorbildlich ohne sicht- und messbare Abweichungen gibt die Canon Türkis-, Gelb- und Grüntöne wieder. Auf der anderen Seite des Farbraums werden Orange-Rot und Magenta etwas zu bunt dargestellt, was aber meist als angenehm empfunden wird. Der manuelle Weißabgleich wiederum ist, wie zu erwarten, äußerst exakt.
Fazit Bis auf den Preis kann die Canon EOS 6D sehr wohl als Einsteigerkamera bezeichnet werden, denn mit ihr ist völlig unbeschwertes Knipsen möglich, sieht man vom Gewicht einmal ab. Vollgepackt mit Automatiken und Szeneprogrammen könnte man die Canon auch einem Kind in die Hand drücken und es wird technisch korrekte Fotos machen. Aber auch der Profi kommt natürlich auf seine Kosten. Die sehr vollständige Zusatzausstattung mit GPS und WLAN macht doppelt Spaß und stellt einen erheblichen Mehrwert dar. Beim Autofokus hat Canon etwas zu sehr gespart, denn von den ungünstig eng am Zentrum liegenden elf Feldern ist nur das mittlere als Kreuzsensor ausgeführt. Dieser arbeitet immerhin auch unter schlechten Lichtbedingungen sehr gut. Die Bildqualität braucht sich weder hinter der 5D Mark III, noch hinter der Konkurrentin Nikon D600 zu verstecken. Die 6D ist vor allem für Fotografen, die gerne bei wenig Licht ohne Blitz arbeiten wollen absolut spitze. Für Sportfotografen eignet sie sich hingegen weniger.
Kurzbewertung
- Vollständige Ausstattung mit GPS und WLAN
- Leises Auslösegeräusch besonders mit Livebild
- Ausgezeichnete Lowlight-Fähigkeiten
- Hervorragende Verarbeitung
- Bildqualität etwas schlechter als 5D Mark III
- Mäßige Serienbildgeschwindigkeit
- Relativ langsamer AF besonders im Livebild
- Kein eingebauter Blitz
Technische Daten
Modell |
Canon EOS 6D |
Sensor |
CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0) 20,6 Megapixel (physikalisch), 20,2 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
5.472 x 3.649 (3:2) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 30p |
Objektivanschluss |
|
Spiegelreflex-Sucher |
Prismensucher, 97 % Abdeckung, Vergrößerung 0,71-fach, 21 mm Augenabstand, wechselbare Mattscheibe |
Monitor |
3,0" (7,7 cm), 1,04 Mio. Bildpunkte, nicht beweglich, kein Touchscreen |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung (63 Felder) |
Belichtungsreihe |
automatisch, mit interner HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
nein |
eingebauter Blitz |
nein |
Blitzanschuh |
Canon, Standard-Mittenkontakt |
Konnektivität |
WLAN |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: HDMI-Ausgang Mini (Typ C) Mikrofoneingang |
GPS |
intern |
Serienbildfunktion |
max. 4,5 Bilder/s und max. 17 Aufnahmen in bester Qualität |
kürzeste Verschlusszeit |
1/4.000 s |
Autofokus |
Phasenvergleich (1 Kreuzsensor(en), 10 Liniensensor(en)), Kontrast |
Akkulaufzeit |
keine USB-Ladefunktion |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: SD (SDHC, SDXC, UHS I) |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 100 bis 25.600, manuell ISO 100 bis 25.600 |
Gehäuse |
Spritzwasserschutz |
Abmessungen |
144 x 110 x 71 mm (B x H x T) |
Gewicht |
770 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
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