Spiegelreflexkamera, Systemkamera
Testbericht: Sony Alpha 900
2008-09-18 Die Vorstellung der Alpha 900 überraschte bei Sonys Vorankündigungspolitik zwar niemanden mehr, aber sie setzt im Bereich der gehobenen und bezahlbaren Amateurkameras neue Maßstäbe. Das betrifft nicht nur die Auflösung, sondern beispielsweise auch den besten Sucher seiner Klasse. Und den Sensor-Shift-Bildstabilisator darf man selbstverständlich auch nicht vergessen, feiert dieser doch eine Premiere in der Vollformatklasse. Doch hat Sony sämtliche Hausaufgaben gemacht, und kann die Kamera auch im Detail überzeugen? Wir hatten die Gelegenheit, eines der ersten Seriengeräte ausführlich zu testen. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung Die Alpha 900 kommt im typischen Minolta/Alpha-Design daher. Ein wenig klobig und eckig, dafür aber sehr robust wirkend. Beim In-die-Hand-nehmen verstärkt sich dieser Eindruck noch. Zwar gehört die Kamera mit ihren knapp 950 Gramm betriebsbereit und ohne Objektiv zu den Leichteren ihrer Klasse, man hat aber dennoch ordentlich Gewicht in der Hand, das sich mit einem Zeiss F2,8/24-70mm noch einmal verdoppelt. Die 2 kg "Lebendgewicht" zerren dann schon ganz gut am Nacken, so dass man sich einen federnden Neoprengurt wünschte – wer "Profi" sein will, muss eben schleppen. Das Gehäuse ist aus einer lackierten Magnesiumlegierung gefertigt, und man hat den Eindruck, damit größere Nägel problemlos in Betonwände schlagen zu können. Damit die Kamera gut in der Hand liegt, wurden im Griffbereich großzügig Gummierungen aufgebracht, die dann auch dafür sorgen, dass sich die Kamera nicht zu kalt in der Hand anfühlt. Als interessantes Detail hat Sony am Handgriff mittels einer Einkerbung extra Platz für die Fingernägel geschaffen, die an dieser Stelle bei manch anderer Kamera unangenehm am Gehäuse kratzen ("Nagelfeile").
Markant und erhaben ist der große Prismenbuckel, der sich in der Form bewusst am Dachkantprisma orientiert. Der Sucher fällt mit einer 0,74-fachen Vergrößerung und einer 100 % Bildfeldabdeckung sehr üppig aus – das bietet kein anderer Hersteller in der Preisklasse unter 3.000 EUR. Zudem ist der Sucher äußerst hell, insgesamt kommt da richtiges Kinofeeling auf. Der Augsensor sorgt obendrein dafür, dass die Kamera in höchste Aufnahmebereitschaft versetzt und der Monitor ausgeschaltet wird. Man merkt, dass Sony der Sucher äußerst wichtig war – schließlich stellt er auch eines der bedeutsamsten, wenn nicht sogar das wichtigste Merkmal überhaupt einer Spiegelreflexkamera dar, erst recht, wenn man wie Sony auf eine LiveView-Funktion verzichtet. Ganz profimäßig ist dann auch die Möglichkeit, die Suchermattscheibe wechseln zu können, was der Fotograf in Eigenregie durchführen kann. Neben der Standardmattscheibe gibt es eine mit Gittermuster und eine, die durch ihre speziell geschliffene Struktur besonders gut für das manuelle Fokussieren geeignet ist. Ihre Oberfläche ist mit Mikrolinsen übersät, wodurch sich in der praktischen Anwendung ein sehr deutlicher "Schärfesprung" ergibt. Außerhalb der Schärfeebene wird das Bild regelrecht "zerrissen", so dass das manuelle Fokussieren mit der Alpha 900 und dieser speziellen Mattscheibe – besonders in Kombination mit lichtstarken Objektiven – viel Spaß macht.
Neben dem Sucher spielt die Bedienung einer DSLR, die sich vorwiegend an gehobene Amateure richtet, eine dominante Rolle. Wer viele Tasten bzw. Knöpfe mag, wird hier seine wahre Freude haben. Übernommen hat Sony diese Philosophie übrigens von Minolta, deren höherwertige Kameras auch mit vielen Bedienelementen "übersät" waren. Kennt man erst einmal die Lage und Funktion aller Tasten, ist praktisch eine blinde Bedienung möglich, ohne dass man auf den Monitor schauen oder Menüpunkte zählen müsste. Alleine oben auf der Kamera gibt es vier wichtige Bedientasten, die mit dem Daumen bzw. Zeigefinger erreicht werden können. Weißabgleich, Empfindlichkeit, Belichtungskorrektur und Bildaufnahmemodus (Selbstauslöser, Serienbildmodus, Spiegelvorauslösung etc.) finden hier ihre Direktwahltasten, wobei man die Einstellungen mit dem Daumen bzw. Zeigefingerrad verstellt. Neu ist beispielsweise die vom Selbstauslöser entkoppelte Spiegelvorauslösungsfunktion. Dies macht sich insbesondere bei der Benutzung einer Fernbedienung positiv bemerkbar. Mit dem ersten Auslösen klappt man nur den Spiegel hoch, erst mit dem zweiten Auslösen wird fotografiert. Der Spiegelschlag fällt durch die Doppelgelenkausführung besonders weich aus, der Sound ist sehr angenehm.
Für eine Sony DSLR ungewohnt ist das Infodisplay auf der Kameraoberseite. Es ist zwar klein ausgefallen, zeigt aber jeweils die wichtigsten Funktionen bzw. Parameter an, während man sie verstellt. Den gesamten Einstellungsüberblick hingegen erhält man über den rückwärtigen Monitor. Hier hat Sony den aus der Alpha 700 bekannten, exzellenten VGA-Monitor mit 3" Bildschirmdiagonale (ca. 7,6 cm) verbaut, der nicht nur sehr fein auflöst, sondern auch über einen großen Betrachtungswinkel und durch spezielle Beschichtungen vor allem eine gute Ablesbarkeit bei hellem Umgebungslicht bietet. Zum Schutz vor mechanischen Einflüssen lässt sich dieser mit einer ansteckbaren Kunststoffscheibe schützen. Praktischerweise dreht sich die Monitoranzeige mit – egal in welche Richtung man die Kamera ins Hochformat kippt. Mittels der Fn-Taste kann man direkt in dieser Infoanzeige in die Einstellungen springen, um sie zu ändern. Dazu gehört auch die Wahl der Speicherkarte, denn die Alpha 900 verfügt über zwei Steckplätze. Neben CompactFlash (Typ I und II) lassen sich auch Memorysticks einsetzen. So hat man im Notfall immer noch etwas Zusatzspeicher zur Verfügung und muss nicht gleich die Karte wechseln.
Nützlich ist das z. B. in feuchten oder staubigen Umgebungen, in denen man die Kamera nicht unbedingt öffnen möchte. Zwar ist die Alpha 900 im Gegensatz zur Konkurrenz nicht richtig wassergeschützt, aber zumindest teilweise – z. B. an den Bedienknöpfen. Das Speicherkartenfach hingegen muss ohne Dichtungen auskommen. Ebenfalls ungedichtet ist das Akkufach an der Kameraunterseite. Hier versteckt sich der von der Alpha 700 bekannte Infolithium-Akku, der eine prozentgenaue Restkapazitätsanzeige ermöglicht. Die Alpha 900 nimmt trotz höherer Leistung nach CIPA-Standardmessverfahren mit 880 Bildern mehr auf als die Alpha 700. Das liegt am Messverfahren, das die Nutzung des Blitzgeräts bei jedem zweiten Foto vorsieht; die Alpha 900 besitzt keins und spart somit beim Test Strom. Das Akkufach ist weit genug weg vom Metallstativgewinde, das sich in einer Achse mit dem Objektiv befindet – Panoramafotografen wird es freuen. Das Stativgewinde dient auch zur Befestigung des optionalen Hochformatgriffs, der mit einer Vielzahl an Bedienelementen daher kommt. Diese sind genauso angeordnet wie auf der Kamerarückseite. Egal ob man im Hoch- oder Querformat fotografiert, die Tasten befinden sich an der gewohnten Stelle. Der Griff ragt in das Akkufach hinein, worin sich die elektrischen Anschlüsse befinden. Im Griff selber finden zwei Akkus Platz, womit sich die Aufnahmekapazität auf über 1.700 Bilder verdoppelt.
Sehr gelungen ist der Navigationsjoystick auf der Kamerarückseite, mit dem man nicht nur über den Infobildschirm, sondern auch durch die aufgeräumten Menüs navigiert. Diese sind sehr gut leserlich und hübsch designt, und sie wirken trotz der zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten sehr übersichtlich, denn zwischen den Bildschirmseiten wird ausschließlich durch horizontale Bewegungen gewechselt. So muss man nicht zwischen horizontalen Reitern und vertikalem Scrollen wechseln. Ähnlich wie bei den Bedienelementen hat Sony auch nicht an den Anschlüssen auf der linken Kameraseite gespart. Insgesamt drei Gummiklappen verdecken hier Fernauslöseanschluss, Netzteilanschluss, USB/Video sowie HDMI. Letzterer unterstützt auch den FullHD-Standard, was für ausgedehnte Diaabende eine gute Wahl darstellt.
Ausstattung Im Gegensatz zur Nikon D700 verfügt die Sony Alpha 900 über kein eingebautes Blitzgerät. Darüber kann man geteilter Meinung sein: Einerseits ist es ein anfälliges Bauteil, und Profis nutzen ohnehin vernünftige, leistungsstarke und viel flexiblere Aufsteckblitzgeräte. Andererseits ist ein (wenn auch nur kleiner) Frontaufheller manchmal besser als gar kein Blitz, und vor allem könnte man mit einem internen Blitzgerät Externe drahtlos auslösen. Das Fehlen des internen Blitzes schmerzt da umso mehr, weil Sony kein kompaktes und preisgünstiges Gerät hat, was wenigstens als Drahtlosmaster genutzt werden könnte. Dabei ist gerade das Drahtlosblitzen im Sony- bzw. Minoltasystem sehr flexibel (z. B. Blitzleistungsverteilung), und man kann damit sogar ein mobiles Studio aufbauen. Dennoch bietet die Kamera dem Stobisten (Blitzlicht-Fotografen) eine gute Ausstattung. Der TTL-Blitzschuh bietet Anschluss für Sonys großes Blitzprogramm, das besonders mit dem neuen HVL-F58AM (wer denkt sich nur solche Produktbezeichnungen aus?!) glänzen kann. Bei diesem wird statt des Reflektors kurzerhand das Blitzgerät mitsamt Bedienelementen ins Hochformat geschwenkt, was nicht nur einen besseren Schwerpunkt, sondern auch eine einfachere Bedienung bedeutet. Etwas ärgerlich ist jedoch der spezielle Blitzschuh, den allerdings schon Minolta "verbrochen" und Sony zwangsläufig übernommen hat. Möchte man einen handelsüblichen Blitz mit Mittenkontakt (oder einen drahtlosen Studioblitzauslöser) anschließen, bedarf es eines ca. 120 EUR teuren Adapters. Wenigstens fürs Studio gibt es immerhin eine drahtgebundene Alternative – denn einen Synchronanschluss hat Sony der Alpha 900 spendiert.
In ganz anderer Hinsicht klingt die Alpha 900 zunächst wenig spektakulär: bei der Serienbildgeschwindigkeit. 5 Bilder pro Sekunde sind zwar ganz ordentlich, aber auf den ersten Blick keine hohe Leistung. Auf den zweiten aber schon: Denn immerhin löst die Kamera 24,6 Megapixel auf, und entsprechend müssen rund 123 Megapixel pro Sekunde verarbeitet werden. Das schafft ein einzelner Bildprozessor nicht, und so hat Sony der Alpha 900 gleich zwei Stück eingebaut. Canon hat dies bei der EOS-1Ds Mark III auch schon getan, die muss aber nicht ganz so viele Pixel pro Sekunde verarbeiten. Eine Panasonic Lumix G1 hat auch zwei Prozessoren – hier zeichnet sich also eine neue Leistungsklasse ab. Doch zurück zur Serienbildleistung der Alpha 900: Gemessen haben wir in der Praxis immerhin 4,8 Bilder pro Sekunde, wobei im RAW-Modus 14 Bilder in Folge und bei JPEG 17 Bilder möglich waren (mit einer UDMA CF-Speicherkarte). Danach hört die Kamera zwar nicht mit dem Fotografieren auf, gönnt sich aber immer wieder kleine Denkpausen. Ein RAW-Bild belegt dabei immerhin rund 36 MBytes, bei JPEG sind es immer noch stattliche
16,6 MBytes. Die Anzahl der JPEG-Bilder lässt sich beträchtlich steigern, wenn man die Kompression von Superfein auf Fein umschaltet – der Bildqualität tut das kaum einen Abbruch. Möglich ist das durch die Ausnutzung der hohen möglichen Schreibgeschwindigkeiten von UDMA-CF-Karten, die aktuell immerhin 45 MBytes pro Sekunde verdauen können. Überhaupt macht die Kamera dank der zwei Prozessoren und der flotten Schreibgeschwindigkeit einen performanten Eindruck – man "fühlt" die 24,6 Megapixel gar nicht. Diese fallen dann schon eher negativ auf, wenn man den Bildzähler betrachtet – zum Glück sind große CF-Karten inzwischen relativ günstig geworden. Der nächste Flaschenhals ist im Workflow dann aber nicht weit: Der Computer bzw. das Bildbearbeitungsprogramm muss die entsprechenden Datenmengen verdauen. Hier sollte man auf gute bzw. hochkapazitive Archivlösungen bauen und beim Kauf der Kamera gleich an einen ggf. neuen, leistungsfähigen Rechner denken, denn 24,6 Megapixel benötigen eine hohe Prozessorleistung. Im Gegensatz zu sonst üblichen 10-Megapixelkameras braucht beispielsweise Irfanview spürbar länger zum Laden der Bilder.
Wer in einer Profikamera dagegen nach Bildbearbeitungsmöglichkeiten in der Kamera sucht, hat die Rechnung ohne Sony gemacht. Man kann die Bilder zwar betrachten, sich Histogramme anzeigen lassen oder bis zu 19-fach hineinzoomen, aber Bearbeitungsfunktionen gibt es keine. Der Direktdruck per PictBridge ist da schon das Höchste der Gefühle. Hier hat Sony alles radikal über Bord geworfen, was der "Profi" sowieso nicht braucht. Dafür gibt es immerhin bei der Aufnahme bereits einige Bildparametereinstellungen, die man sich dann bei der Bearbeitung sparen kann. Der "Kreativmodus" verfügt über sechs Modi: Standard, Vivid, Neutral, Portrait, Landschaft und sogar Schwarzweiß kann der Fotograf sich in je bis zu fünf Einzelparametern an seine eigenen Bedürfnisse anpassen. Und da auch der Dynamikumfang in Bildern gerade in der Digitalfotografie eine gewichtige Rolle spielt, ist die D-R-Funktion auch mit an Bord. Diese kann in verschieden starken Stufen aktiviert werden und sorgt für mehr Zeichnung in den Schatten, damit diese bei kontrastreichen Motiven nicht absaufen – sogar eine Bracketingfunktion gibt es dafür, die aus nur einer Aufnahme verschieden starke D-R-Stufen berechnet und abspeichert.
Objektiv Für diesen Test diente das hervorragende Carl Zeiss Vario-Sonnar F2,8/24-70 mm ZA als Referenzmodell. Dieses Vollformatobjektiv ist quasi das "Kit"-Objektiv zur Alpha 900. Es kostet knapp 1.900 EUR und ist exzellent verarbeitet. Das Alpha-Bajonett ist das Einzige, für das es solche Zeiss-Objektive mit Autofokus gibt. Der große Vorteil des Vollformatsensors (dass sich die gewohnte Brennweite der Objektive nicht "ändert") ist gleichzeitig auch der größte Nachteil, insbesondere wenn es in die Randbereiche des Bildes geht. Beim Kauf einer Sony Alpha 900 sollte man sich über eines klar sein: Um die Bildqualität des Vollformatsensors auch nur annähernd auszunutzen, bedarf es hochwertiger Vollformatobjektive, die meistens einen stolzen Preis haben. Objektive wie ein relativ günstiges F1,4/50mm sind hier eher die Ausnahme. Sony bietet in diesem Bereich mit seinen Carl-Zeiss- und G-Objektiven glücklicherweise bereits jetzt eine reichhaltige Auswahl, die ständig ausgebaut wird. Erst kürzlich wurden ein Zeiss F2,8/16-35mm und ein 70-400mm angekündigt, die den Weitwinkel- und Telebereich kräftig erweitern. Zum Sony-Programm gehören einige der weltweit besten Kleinbildobjektive wie z. B. das 70-200 G oder die lichtstarken Zeiss-Festbrennweiten F1,4/85mm sowie F1,8/135mm. Das ebenfalls exzellente Minolta F2,8/200mm hat Sony dagegen leider aus dem Programm genommen – es galt herstellerübergreifend als das beste F2,8/200mm.
Neben dem reichhaltigen Objektivprogramm lässt Sony aber auch in einem weiteren Bereich im wahrsten Sinne des Wortes die Muskeln spielen: Man hat es geschafft, den Sensor-Shift-Bildstabilisator der Alpha 700 auf das 35mm-Vollformat zu vergrößern. Das erforderte nicht nur eine größere und stabilere Mechanik, auch die Motoren zur Bewegung des Sensors müssen deutlich kräftiger sein. Bis zu 4 Blendenstufen soll der Bildstabilisator somit ausgleichen, indem sich der Sensor mittels Piezo-Antrieb entgegen den Kameraerschütterungen bewegt. Die Experten sind sich uneinig, ob nun objektiv- oder sensorbasierte Bildstabilisatoren die Besseren sind – aber man ist sich einig, dass beide höchst effektiv wirken und den Belichtungszeitenspielraum erheblich erweitern. Den Nachteil, dass Sensor-Shift-Bildstabilisatoren das Sucherbild nicht stabilisieren, gleichen sie damit aus, dass sie mit jedem Objektiv funktionieren und nicht immer teuer mitgekauft werden müssen. Denn die Stabilisierungseinheiten in den Objektiven sorgen für eine – zumindest für unser DCTau-Testlabor messbare – Bildqualitätsbeeinträchtigung. Vor allem aber werden auch Objektive stabilisiert, die es nirgends mit Bildstabilisator gibt. Neben Weitwinkelobjektiven sind das auch hochlichtstarke Objektive mittlerer Brennweitenbereiche wie ein 1,4/35, 1,4/85 oder 1,8/135 – mit solchen Lichtriesen plus Bildstabilisator lassen sich bei schwachen Lichtverhältnissen noch knackscharfe Fotos anfertigen, wo andere Kameras nicht einmal mehr mit Blitzen etwas bewirken können und normalerweise nur noch ein Stativ helfen würde. Im Zusammenhang mit dem Bildstabilisator gibt es im Sucher eine besonders interessante Balkenanzeige: Diese gibt an, wie stark aktuell das Wackeln ist, so dass man abschätzen kann, wie ruhig man die Kamera hält. So kann man sich in kritischen Situationen z. B. auf eine bessere Atemtechnik konzentrieren oder ausprobieren, ob man noch einen sichereren Stand bekommt oder sich irgendwo abstützen kann. Die Wirkung ist sofort und nicht erst später am Bild sichtbar.
Zu einem guten Objektiv gehört auch immer ein schneller (ca. 0,5 s) und präziser Autofokus. Die Geschwindigkeit ist dank Ultraschallmotoren (SSM bei Sony) in immer mehr Objektiven gegeben, die Präzision ist mit dem mittleren, F2,8 lichtstarken Kreuzsensor auch vorhanden. Bezieht man allerdings das gesamte Autofokusmodul mit ein, treten einige Schwächen hervor. So verfügt es nur über acht weitere Liniensensoren (und einige "unsichtbare" Hilfssensoren), die sich obendrein auch noch recht nahe am mittleren Autofokuspunkt tummeln – da sind Module anderer Hersteller auch niedrigerer Kameraklassen deutlich besser ausgestattet. Vor allem aber hat man den Eindruck, das AF-Modul sei für eine Crop-Kamera gebaut worden. Fotografen, die bevorzugt mit dem mittleren AF-Sensor arbeiten, mag das wenig stören, wer aber Objekte auch mal näher am Bildrand fokussieren möchte, ist aufgeschmissen. Ist die untere Arbeitsbereichsgrenze des Autofokusmoduls, das mindestens 0 EV Licht benötigt (und nicht mehr als 18 EV verträgt) einmal unterschritten, kann das eingebaute Autofokushilfslicht zur Unterstützung herangezogen werden. Im Gegensatz zu anderen Herstellern setzt Sony dabei auf einen diskreten, eingebauten Rotlichtprojektor (statt einer Stroboskop-Blitzsalve), der ein Muster auf das Motiv wirft, das dem Autofokusmodul genügen Kontrast zum Scharfstellen bietet. Ebenfalls benutzerfreundlich ist die Möglichkeit, für bis zu 30 Objektive Fokuskorrekturen einprogrammieren zu können. Die Internetforen sind voll von Benutzern, bei denen der Fokus des einen oder anderen Objektivs nicht richtig sitzt, was die Servicewerkstätten aller Hersteller auf Trab hält. Wer sich traut, solche Fehler selbst zu korrigieren, kann dies mit +/-20 Abstufungen tun.
Interessant ist die Möglichkeit, die Kamera im Menü auf das APS-C-Bildformat umstellen zu können. Immerhin bleiben dann noch 11 Megapixel übrig, so dass man durchaus in Versuchung geraten könnte, seine im Bildkreis auf APS-C begrenzten Objektive weiter zu verwenden. Damit handelt man sich allerdings auch Probleme ein: Das AF-Modul macht zwar noch gut mit, jedoch fehlen zum einen die entsprechenden Markierungen im Sucher, und zum anderen kann die Belichtungsmessung Probleme machen, da Teile des Bildes durch den begrenzten Bildkreis dieser Objektive schwarz sind. Wir haben es mit einem Sigma 10-20 mm ausprobiert. Etwas Abhilfe schafft hier die Umstellung auf die mittenbetonte Integralmessung, die die Bildecken deutlich weniger stark gewichtet. Trotzdem wäre es schade, die wertvolle Auflösung durch Croplinsen zu verschenken.
Bildqualität Mit der Alpha 900 hat Sony sich an die Vollformat-Auflösungsspitze im Kleinbildsegment gesetzt und überflügelt damit nicht nur Canon, sondern auch so manche Mittelformatkamera. Doch 24,6 Megapixel stellen hohe Anforderungen an die Objektive. Neben dem Zeiss 2,8/24-70 haben wir das 50mm-Makro ins DCTau-Testlabor geschickt, um die Leistung der Kamera bzw. des Bildsensors auszureizen – später werden weitere Objektive folgen, es lohnt also immer mal wieder, in unsere DCTau-Rubrik zu schauen (siehe weiterführende Links). Bei der Auflösung zeigt sich, dass selbst ein Zeiss – zumindest bei Offenblende – einen Randabfall besitzt, der allerdings (bis auf 24 mm) vergleichsweise gering ausfällt. Schließt man die Blende, zeigt sich ein etwas differenzierteres Bild. Während die Auflösung bei 70 mm steigt, fällt sie bei 24 und 40 mm in der Bildmitte bereits leicht. Das ist mit der eintretenden, leichten Beugungsunschärfe zu erklären – ein Effekt, der nur wegen der hohen Auflösung überhaupt sichtbar ist. Ein anderer Objektivfehler fällt ebenfalls allein aufgrund der Auflösung überhaupt auf: Das Objektiv hat einen ganz leichten Farblängsfehler, der sich durch einen leichten blauen Farbsaum an ganz feinen Strukturen zeigt; aufgrund dessen ist die Richtungsabhängigkeit im Blaukanal zwar leicht erhöht, aber insgesamt unkritisch.
Einerseits erwartet man von einer so hoch auflösenden Kamera entsprechend hoch auflösende Bilder, andererseits soll die Bildaufbereitung möglichst wenig aggressiv erfolgen, um keine Fehler zu produzieren. Hier geht die Sony Alpha 900 einen Mittelweg. Der Wirkungsgrad ist geradezu konservativ niedrig, gleichzeitig zeigen die Farbartefakte und Moiréeffekte an feinen Strukturen, dass das Objektiv besonders in der Bildmitte deutlich höher auflöst als der Sensor und der Tiefpassfilter dabei diese hohe Modulation hindurchlässt. Hinzu kommt, dass Sony im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern keine Farbinformationen in feinsten Strukturen löscht und damit diese Fehler nicht kaschiert. Das ist ein Vorteil für diejenigen, die möglichst unverfälschte Bildinformationen wünschen. Hierzu zählt auch die sehr natürliche Scharfzeichnung, die nicht aggressiv ist und nur eine ganz leichte Asymmetrie zeigt, d. h. dass dunkle Kanten etwas weicher und helle Kanten etwas härter scharf gezeichnet werden – Schwarz- oder Weißclipping treten dabei aber nicht auf.
Weniger unverfälschend ist dagegen die Rauschunterdrückung, die schon bei niedrigen Empfindlichkeiten eingreift und ihren Teil zum relativ niedrigen Wirkungsgrad beiträgt. Von einem Sensor, der auf APS-C umgeschaltet 11 Megapixel auflöst, ist kein besseres Rauschverhalten als von einer 10- bis 12-Megapixel APS-C-Kamera zu erwarten. Vollformat ist also nicht gleichbedeutend mit rauschfreieren Bildern, sondern im Fall der Sony Alpha 900 mit einer deutlich höheren Auflösung. Selbstverständlich bewegt man sich von der Rauschfreiheit immer noch auf einem hohen Level, an eine Nikon D3/D700 oder Canon 5D kommt die Alpha 900 aber beim besten Willen nicht heran – das sollte man von dieser Kamera einfach nicht erwarten. Das Rauschen wird vor allem in den dunkelsten Bildpartien stark gedämpft und zeigt in den dunklen bis mittleren Bildhelligkeiten seine stärkste Ausprägung. Bei ISO 100 und 200 ist das Farbrauschen noch stark herausgefiltert, so dass sich fast nur Salz&Pfeffer-Rauschen zeigt, ab ISO 400 wird bei zunehmender Empfindlichkeit immer mehr Farbrauschen sichtbar. Die Obergrenze der Kamera liegt bei ISO 6.400, die man allerdings nur im Notfall benutzen sollte. Die Rauschunterdrückung führt bei höheren Empfindlichkeiten jedoch bei der Ausgangsdynamik noch zu dem unangenehmen Nebeneffekt, dass der Schwarzwert etwas zu hoch ausfällt – statt tiefem Schwarz sieht man sehr dunkles Grau. Abhilfe kann hier die Anhebung des Kamerakontrastes schaffen. Die Eingangsdynamik ist hingegen bei allen Empfindlichkeitsstufen gut und zeigt ihr Maximum von 9 Blendenstufen bei ISO 100 und 200, fällt aber selbst bei ISO 1.600 mit 8,8 Blendenstufen kaum ab – ein positiver Effekt, der auf die Rauschunterdrückung in den dunklen Bildbereichen zurück zu führen ist.
Wie bereits bei der Serienbildgeschwindigkeit erwähnt, kann man die mittlere Komprimierungsstufe gut wählen, sie ist mit einem Komprimierungsfaktor von 1:13 noch akzeptabel und zeigt nur geringe Kompressionsartefakte. Die geringste JPEG-Kompression arbeitet hingegen mit einem Faktor von 1:5 – hier sind keine Verluste auszumachen. Selbst die höchste Komprimierungsstufe ist mit 1:20 im Vergleich zu den Mitbewerbern noch außergewöhnlich detailerhaltend. Insgesamt hat Sony bei der Bildqualität einen guten Job gemacht. Relativ gering für ein solch lichtstarkes Vollformatobjektiv an einem Vollformatsensor fällt die Vignettierung aus. Diese ist zwar insbesondere bei 24 mm vorhanden, zeigt aber einen sehr natürlichen und weichen Verlauf. Blendet man auf F5,6 ab, reduziert sie sich darüber hinaus recht deutlich. Die Verzeichnung geht für den Brennweitenbereich ebenfalls in Ordnung. 1,9 % tonnenförmig bei 24 mm sind zwar absolut gesehen nicht wenig, aber in Anbetracht der Brennweite vertretbar – bei 40 mm ist das Objektiv dann praktisch verzeichnungsfrei, bevor bei 70 mm schließlich eine 0,9%-ige kissenförmige Verzeichnung eintritt. Diese ist fast noch störender, da kissenförmige Verzeichnungen unangenehmer und stärker auffallen als die als natürlicher empfundenen Tonnenförmigen.
Die üblichen Probleme zeigt der Weißabgleich bei warmem Kunstlicht. Wie die meisten anderen Kameras produziert die Alpha 900 hier gewollt oder ungewollt einen rotorangen Farbstich. Ein manueller Weißabgleich sorgt hingegen für absolut neutrale Bilder – falls dies gewünscht ist. Die gemütlich warme Bildstimmung geht dabei allerdings "flöten". Weniger zufrieden waren wir mit der Belichtungsmessung der Alpha 900. Aus unerklärlichen Gründen neigte die Testkamera zu recht unzuverlässigen Ergebnissen und zeigte des öfteren recht deutliche Überbelichtungen. Hier sollte man als Anwender ein Auge drauf haben und ggf. auf ein Firmwareupdate für etwas konsistentere Ergebnisse hoffen.
Fazit Sony zeigt mit der Alpha 900, zu welchen Auflösungshöhen das Vollformat fähig ist. Die Kamera beweist aber auch, dass dies nicht mit rauschfreien Bildern bei höheren Empfindlichkeiten (ISO) möglich ist. Den Amateur kann es nur freuen, vergrößert sich doch die Vollformatauswahl, und Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern führt auch zu Innovationen, wenn jeder Hersteller im Kampf um die Käufergunst den anderen übertrumpft. Der gehobene Amateur hat jetzt im Vollformat-Preisbereich unter 3.000 EUR die komfortable Auswahl, ob ihm eine hohe Auflösung (bei der Alpha 900 oder neuerdings Canon 5D Mark II) oder aber Rauschfreiheit (bei der Nikon D3/D700 und Canon 5D) wichtiger sind. In der Ergonomie, Ausstattung, im Funktionsumfang und der Auswahl hochwertiger Objektive jedenfalls ist die Vollformat-Sony weitgehend auf der Höhe der Zeit.
Kurzbewertung
- Großer, heller Sucher
- Robustes, ergonomisches und gut verarbeitetes Gehäuse
- Viele Individualisierungsmöglichkeiten
- Hohe Auflösung
- Relativ schlechtes Rauschverhalten
- Unkonsequenter Feuchtigkeitsschutz
- Für die Preisklasse zu wenige und nur zentral angeordnete Autofokusfelder
- Kein eingebauter Blitz
Technische Daten
Modell |
Sony Alpha 900 |
Sensor |
CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0) 25,7 Megapixel (physikalisch), 24,7 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
6.048 x 4.032 (3:2) |
Objektivanschluss |
|
Spiegelreflex-Sucher |
Prismensucher, 100 % Abdeckung, Dioptrienausgleich -3,0 - 1,0 dpt, wechselbare Mattscheibe |
Monitor |
3,0", 0,922 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung |
Belichtungsreihe |
automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
Sensor-Shift (optisch) |
eingebauter Blitz |
nein |
Blitzanschuh |
Sony Alpha (auch Minolta) |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: ja |
Serienbildfunktion |
max. 5,0 Bilder/s und max. 5 Aufnahmen in bester Qualität |
kürzeste Verschlusszeit |
1/8.000 s |
Autofokus |
Phasenvergleich |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: Memory Stick Speicherkartenfach 2: CF (Type I, Type II) |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 200 bis 3.200, manuell ISO 100 bis 6.400 |
Abmessungen |
156 x 117 x 82 mm (B x H x T) |
Gewicht |
915 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
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