Rubrik: Grundlagenwissen
Brennweite verstehen
2000-01-24, aktualisiert 2019-09-18 Das Auge der Kamera ist in erster Linie immer das Objektiv. Es besteht aus einem Linsensystem, das das Licht auf die Filmoberfläche bzw. den Bildsensor bündelt. Man unterscheidet bei Objektiven zwischen Festbrennweiten und Zoomobjektiven. Was bedeutet aber der Begriff Brennweite genau? (Yvan Boeres, Harm-Diercks Gronewold, Jan-Markus Rupprecht)
Die Brennweite wird in Millimetern angegeben und bedeutet, streng genommen, die Entfernung zwischen der Aufnahmeebene (Bildsensor oder Film) und der Objektiv-Hauptebene. Das muss man allerdings nicht so eng sehen, da heutzutage bewegliche Linsengruppen in den Objektiven die Brennweite verändern können, ohne dass davon die Baulänge des Objektivs betroffen ist.
Alle folgenden Aufnahmen sind vom gleichen Standort aus gemacht. Diese Aufnahme entstand mit einer Kleinbild-Brennweite von 24 mm, also "ziemlich viel Weitwinkel". 24 mm markieren bei Zoomobjektiven oft das untere Ende des Brennweitenbereichs. [Foto: MediaNord]
Gleicher Standort, aber 28 mm Brennweite. Das ist die "klassische Weitwinkel-Brennweite". Auf den ersten Blick nicht so viel Unterschied zur 24mm-Aufnahme, aber wenn Sie beide vergleichen, merken Sie doch: bei 24 mm geht schon einiges mehr drauf. [Foto: MediaNord]
Vom gleichen Standort aus mit der klassischen "Reportage-Brennweite" 35 mm aufgenommen. Ein gemäßigtes Weitwinkel, schon ein Schritt zur Normalbrennweite. Eine sehr schöne, universelle Brennweite, häufig auch als Festbrennweite anzutreffen. [Foto: MediaNord]
Wieder vom gleichen Standort aus, der Bildwinkel der so genannten Normal-Brennweite 50 mm. Diese entspricht in etwa dem menschlichen Blickwinkel (was nicht ganz stimmt, der ist in Wirklichkeit etwas weiter). Früher die häufigste Festbrennweite. [Foto: MediaNord]
Je größer die Brennweite ist, desto enger wird der Bildwinkel und somit der Bildausschnitt. In anderen Worten: mit zunehmender Brennweite nimmt auch der Vergrößerungsfaktor zu. Wenn der Aufnahmechip kleiner ist als der 36 mal 24 Millimeter große Kleinbildfilm von analogen Kameras, ergeben sich andere, mitunter wesentlich kleinere Werte für die Brennweite. Da es auch noch verschiedene Bildsensoren mit unterschiedlichen Größen gibt, geben Hersteller und digitalkamera.de-Datenblätter die Brennweite der Einfachheit halber meist umgerechnet auf Kleinbild-Format an. So hat man eine einheitliche, vergleichbare Angabe der Brennweite, die nicht in mühsame Rechnerei ausartet.
In der Praxis bezeichnet man ein 50-mm-Objektiv als Normalobjektiv, weil es in etwa dem Blickwinkel des menschlichen Auges entspricht (siehe auch Kasten unten). Objektive unterhalb von 50 mm bezeichnet man als Weitwinkelobjektive; der Name verrät schon, dass der Blickwinkel hier groß bis sehr groß ist. Unter 20 mm spricht man schon von Superweitwinkelobjektiven, es gibt sogar sogenannte Fisheye-Objektive, die einen Bildwinkel von 180 Grad (oder sogar mehr) besitzen und meistens ein kreisförmiges Bild produzieren. Brennweiten oberhalb von 50 mm gehören zur Familie der Teleobjektive, Objektive ab 300 mm Brennweite werden Super- oder Ultrateleobjektive genannt. Weitwinkel- und Teleobjektive haben, vom Bildwinkel mal abgesehen, spezielle Eigenschaften, was die Perspektive und die Verzerrung betrifft, die nicht mehr der menschlichen Sehweise entsprechen. Diese Eigenschaften können dem Bild schaden, aber auch bewusst eingesetzt werden, um dem Bild einen gewissen Effekt zu verleihen.
85 mm Brennweite. Diese lichte Telebrennweite wird gerne als "Portrait-Brennweite" genutzt. Damit kann man mehr Abstand zum Modell halten und bei hoher Lichtstärke ergibt sich auch schon ein schöner "Freistellungseffekt" (unscharfer Hintergrund). [Foto: MediaNord]
200 mm, das ist schon "ganz ordentlich Tele". Häufig das obere Ende eines gemäßigten Telezoom-Wechselobjektivs (z. B. 70-200 mm), aber auch bei kleinen Kompaktkameras. Damit kann man meist schon sehr gut leben und ausreichend "ranzoomen". [Foto: MediaNord]
Sport- und Naturfotografen brauchen oft mehr Zoom. Mit 400 mm Kleinbildbrennweite, wie in diesem Beispiel, kann man auch weit entfernte Motive heranzoomen. Dank moderner Bildstabilisatoren lassen sich solche Brennweiten heute ohne Stativ nutzen. [Foto: MediaNord]
Gerade bei Travelzoom- und Superzoom-Kameras geht der Trend zu immer mehr Telebrennweite. Qualitativ ist das oft grenzwertig und selbst mit Bildstabilisator schwierig ruhig zu halten. Dieses Foto wurde mit 840 mm Kleinbildbrennweite gemacht. [Foto: MediaNord]
Ab bestimmten Winkeln – sei es im Weitwinkel- oder Telebereich – wird es zunehmend komplizierter, Qualitätslinsen mit guten optischen Eigenschaften (Auflösung, Lichtstärke, Verzerrung usw.) kostengünstig zu produzieren. Deshalb sind besonders bei Zoomobjektiven dem Zoomfaktor und der Lichtstärke einige Grenzen gesetzt.
Herleitung der Normalbrennweite Als Normalbrennweite bezeichnet man die Brennweite, die dem Bildwinkel des menschlichen Auges entspricht (etwa 53 Grad). Es gibt dazu einige mathematische Herleitungen. Die gebräuchlichste davon ist die Ermittlung des Bildkreisdurchmessers. Dazu benötigen Sie nur die Sensorabmessungen und den Satz des Pythagoras. Der Bildkreisdurchmesser ist die zu ermittelnde Hypotenuse (c) eines rechtwinkligen Dreiecks mit den Abmessungen (a) 36 mm und (b) 24 mm (bei einem Kleinbildsensor). Das Ergebnis der Rechnung ist rund 43,27 mm. Dennoch hat sich das 50-mm-Objektiv für Kameras mit 36 x 24 mm Sensor durchgesetzt, obwohl der Bildwinkel etwa 46 Grad beträgt und nicht etwa 56 Grad wie bei einem 40-mm-Objektiv.