Rubrik: Bildgestaltung
Nachtaufnahmen
2001-11-19 Der Reiz von Nachtaufnahmen liegt in der Wiedergabe des Motivs. Einzelheiten, die ja oft vom Wesentlichen ablenken, werden von der Dunkelheit verschluckt. Lichter, Lichtreflexe und Spiegelungen dagegen spielen eine starke, das Motiv prägende Rolle. Das Motiv erscheint in einer anderen, ungewohnten, neuen Sicht. (Jürgen Rautenberg)
Blaue Stunde in Tokyo [Foto: Jürgen Rauteberg]
Die Beleuchtung übernehmen fast ausnahmslos Kunstlichtquellen:
Straßenlampen, Autoscheinwerfer, Werbeleuchten. Diese sorgen zumeist nicht nur
für die Beleuchtung, sondern werden Teil des Motivs. Selbst einfache
Digitalkameras mit Vollautomatik verfügen in der Regel über eine gewisse
Bandbreite von Belichtungszeiten, die auch bei geringem Licht gute Ergebnisse
bringen. Bei Belichtungszeiten über einer Sekunde verstärkt sich das
gefürchtete Rauschen, das die Qualität mindert. Dasselbe passiert aber auch,
wenn Sie die Empfindlichkeit (ISO-Einstellung) Ihrer Kamera erhöhen, um die
Belichtungszeit zu verkürzen. Machen Sie am besten zwei Aufnahmen: eine mit
längerer Belichtungszeit und niedriger ISO-Zahl und eine mit erhöhter ISO-Zahl
und kürzerer Belichtungszeit. Später am Bildschirm können Sie dann
beurteilen, mit welcher Einstellung Ihre Kamera die besseren Ergebnisse liefert
und diese künftig verwenden. Einige aktuelle Digitalkameras besitzen interne
Rauschunterdrückungs-Algorithmen zur Steigerung der Qualität von
Langzeitbelichtungen oder Aufnahmen mit angehobener Empfindlichkeit.
Viele Kameras besitzen spezielle Einstellungen für Nachtaufnahmen, die
dafür sorgen, dass der Blitz abgeschaltet bleibt und die Belichtung so erfolgt,
dass Schwarz auch Schwarz bleibt und nicht von der Belichtungsautomatik
künstlich erhellt wird. Aber auch Kameras ohne ein solches Motivprogramm
liefern oft automatisch gute Ergebnisse.
Lichtbögen auf Straße [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bei langen Verschlusszeiten müssen Sie Verwacklungen vermeiden, indem Sie
für einen ruhigen Kamerastand sorgen. Interessante Effekte erhalten Sie allerdings
auch dann, wenn die Kamera während der Aufnahme bewusst bewegt wird. Dabei
zeichnen die Lichter im Motiv Linien, Bögen oder Schnörkel, je nachdem, wie
Sie die Kamera drehen oder schwenken. Blitzlicht reicht zwar nur ein paar Meter
weit, ergibt aber andere Sichten, wenn das Motiv selbst als heller Lichtfleck
vor dunklem Hintergrund steht. Ein zusätzlicher Effekt entsteht, wenn bei
aufgesetztem Zusatzblitz der Blitzwinkel kleiner ist als der Brennweitenwinkel.
Das Motiv steht dann hell in einem dunklen Umfeld.
In Wasserflächen reflektieren die Lichter und deren Farben und zaubern auf
diese Weise Motivelemente, die real gar nicht existieren. Eine regennasse Teer-
oder Steinstraße führt zu ungeahnten Farbspielen. Beliebte Motive zum Üben
sind regennasse Straßenkreuzungen mit Verkehrsampeln. Experimente führen am
schnellsten zu Erfahrung.
Bild 1 Eine Kanal-Straße in Tokyo zu einer ganz
besonderen Zeit; der "Blauen Stunde". Die Sonne ist bereits
untergegangen, im Himmel reflektiert das letzte Blau. Dieses und die Spiegelung
der Lichter auf der Wasseroberfläche beleben das Bild. Die große Zahl heller
Lichtquellen ermöglichte eine relativ kurze Belichtungszeit von einer Sekunde.
Die Kamera wurde fest gegen das Brückengeländer gedrückt.
Nacht auf Malta [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 Um die Lichter der fahrenden Autos
als rote und weiße Lichtbögen sichtbar zu machen, benötigt man – je
nach Fahrtgeschwindigkeit – eine bis zehn Sekunden. Sie stehen im Kontrast
zu den Lichtern der Stadt dahinter. Die Nässe der Straße unterstreicht
die Wirkung. Ein Stativ oder eine andere feste Auflage für die Kamera ist
in dieser Situation unerlässlich.
Bild 3 Dort strahlendes modernes
Großstadtleben in Tokyo, hier wehrhafte Vergangenheit auf Malta. Die
Charaktere der beiden so gegensätzlichen Städte bleiben gewahrt. Teils
direkte, teils indirekte Lichtquellen beleuchten hier den Grand Harbor
unterhalb von Valletta. Der grüne Grundton stammt von der
Neon-Straßenbeleuchtung. Weiß strahlen die Scheinwerfer, mit denen die
Sehenswürdigkeiten – nicht nur für Nachtaufnahmen – ins rechte Licht
gerückt werden. Das Grün und Weiß der Lichter, ergänzt durch das Gelb
der Mauern, wird auch hier durch die Spiegelung verdoppelt und in den
Formen variiert.