Lichtstarker Reportageklassiker
Testbericht: Canon EF 35 mm 1.4 L II USM
2015-12-23 Stück für Stück erneuert Canon seine klassischen Festbrennweiten, um sie fit für die Anforderungen moderner, hochauflösender DSLRs wie der EOS 5DS R zu machen. Das Canon EF 35 mm 1.4 L II USM gehört zu einem dieser neu aufgelegten Klassiker. 35 Millimeter werden gerne als klassische Reportagebrennweite bezeichnet, doch diese Objektive eignen sich für ein sehr breites Motivspektrum. Mit dem leichten Weitwinkel bekommt man viel aufs Bild, ohne eine extreme Weitwinkelperspektive zu erzeugen. Die hohe Lichtstärke erweitert das Einsatzspekturm zusätzlich. Wie sich das neue Canon EF 35 mm 1.4 L II USM bei der Bildqualität schlägt, musste es im Labortest an der Canon EOS 5DS R zeigen. (Benjamin Kirchheim)
Für ein unauffälliges Reportageobjektiv ist das Canon EF 35 mm 1.4 L II USM viel zu groß – erst recht zusammen mit der Canon EOS 5DS R. Satte 1,7 Kilogramm bringt diese Kombination auf die Waage, wobei gut 750 Gramm auf das Konto des elf Zentimeter langen Objektivs gehen. Man mag es kaum glauben, denn das schwarze Gehäuse des Objektivs besteht, trotz des stolzen Preises von über 2.000 Euro, aus Kunststoff. Aber die F1,4 lichtstarke Konstruktion erfordert eben auch einiges an Glas. Die Konstruktion wirkt auf den ersten Blick robust, beim beherzten Zugreifen lässt sich das runde Gehäuse unterhalb des Fokusrings jedoch problemlos zu einem Oval verformen. Hauptsache, das tut dem Spritzwasser- und Staubschutz keinen Abbruch. Das Bajonett besteht immerhin aus Metall und ist von einem Dichtungsring umgeben, der Feuchtigkeit und Staub von der Verbindung des Objektivs zur Kamera fernhält.
Mit elf Zentimetern Länge und einem Gewicht von gut 750 Gramm fällt das Canon EF 35 mm 1.4 L II USM recht wuchtig aus. [Foto: Canon]
Zum Lieferumfang gehört neben einer Schutztasche übrigens auch eine passende tulpenförmige Streulichtblende, die sich auf Wunsch zum Transport auch verkehrt herum anbringen lässt. Das 72mm-Filtergewinde wiederum erlaubt den Anschluss optischer Filter. Eine 3/8-Drehung genügt, um mit dem griffigen, gummierten Fokusring den gesamten Fokusbereich von 28 Zentimetern bis unendlich zu durchfahren. Auf Wunsch, der Umschalter hierfür befindet sich direkt am Objektiv, übernimmt das natürlich der Ultraschall-Autofokus innerhalb eines Wimpernschlags. Er arbeitet sehr leise und dank Innenfokussierung bewegt sich weder die Frontlinse, noch ändert das Objektiv seine Baulänge. Der Autofokus kann im Nachhinein direkt manuell korrigiert werden. Die Entfernungseinstellung wird in einem Sichtfenster gut lesbar angezeigt. Die Naheinstellgrenze von 28 Zentimetern entspricht einem Abstand von etwa 13,5 Zentimeter zwischen Motiv und Objektivvorderkante. Der maximale Abbildungsmaßstab beträgt dann immerhin 1:4,8. 17,3 mal 11,5 Zentimeter kleine Motive lassen sich damit formatfüllend aufnehmen.
Bildqualität
In der Praxis zeigt das Objektiv hohe Kontraste, auch bei Gegenlicht. Selbst ohne Streulichtblende gibt es keine Probleme mit Lensflares. Auch das gleichmäßige, sanfte Bokeh ist nicht zu beanstanden; immerhin neun Blendenlamellen sorgen für eine nahezu kreisrunde Öffnung. Zudem sind Farbsäume für dieses Objektiv ein Fremdwort, wie auch die Messung im Testlabor bestätigt. Auch die messtechnisch vorhandene Verzeichnung spielt in der Praxis keine Rolle. Sie liegt bei unter einem halben Prozent Tonnenform. Die Randabdunklung fällt da schon eher ins Auge, ist mit 0,7 Blendenstufen bei Offenblende F1,4 aber gering, zumal sie sich bei Abblenden auf F2 mit 0,4 Blendenstufen und auf F2,8 mit lediglich noch 0,2 Blendenstufen stark verringern lässt. Dass ein solches Objektiv an einer so hoch auflösenden Kamera bei allen Blenden (abblendbar bis F22) bei der Bildschärfe auf einem 20 mal 30 Zentimeter großen Foto bei der Bildschärfe keine Blöße gibt, sollte niemanden überraschen, es sei der Form halber aber erwähnt.
Spannender ist die Auflösungsleistung bei relativ hohem Kontrast von 50 Prozent, wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Nicht zuletzt ist die Auflösung bei einem solchen Kontrast für das menschliche Auge viel besser wahrnehmbar als etwa das letzte Quäntchen bei geringem Kontrast. Das EF 35 mm 1.4 L II USM löst bereits bei Offenblende im Bildzentrum mit 66 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) sehr hoch auf (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Angesichts des 50 Megapixel auflösenden Bildsensors der Canon EOS 5DS R sollte da aber noch mehr drin sein, was sich beim Abblenden zeigt. Mit jeder Blendenstufe legt das Objektiv um fast 10 lp/mm zu, knapp 85 lp/mm sind es bei F2,8. Bei F4 erfolgt dann ein großer Sprung: Hier erreicht das 35 mm mit knapp 103 lp/mm seinen absoluten Bestwert. Dies gilt nicht nur für dieses Objektiv, sondern für alle unsere bisherigen Labortests. Bisher lag das Maximum nämlich knapp über 80 lp/mm mit einer Nikon D800E oder Sony Alpha 7R II. Beim weiteren Abblenden sinkt die Auflösung bereits wieder, bleibt aber bis F11 bei über 70 lp/mm. Bei F16 sind es noch knapp über 60 und bei F22 nur noch gut 45 lp/mm. Bei einer solchen Auflösung kämpft auch das Vollformat schon deutlich mit den Beugungsunschärfen. Am Bildrand sieht es indes nicht so gut aus. Während das Objektiv bei Offenblende am Bildrand noch 2/3 der Zentrumsauflösung erreicht, sind es etwas abgeblendet nur noch 50 Prozent. Bis F11 steigert sich die Auflösung am Bildrand auf bis zu gut 64 lp/mm. Stark abgeblendet taugt das Canon EF 35 mm 1.4 L II USM also auch für Landschafts- oder Architekturaufnahmen, während sich vor allem bei F4 und F5,6 ein deutlicher Sweet Spot im Bildzentrum herausstellt.
Zwar passt das EF 35 mm 1.4 L II USM von der Größe und optischen Leistung gut zur Canon EOS 5DS R, kann mit seinem – sogar minimal verformbaren – Kunststoffgehäuse trotz des Spritzwasserschutzes nicht mit der Gehäusequalität der Kamera mithalten. [Foto: MediaNord]
Ein Sichtfenster informiert beim Canon EF 35 mm 1.4 L II USM über die eingestellte Entfernung. Die automatische Ultraschall-Innenfokussierung kann jederzeit mittels des gummierten Fokusrings manuell korrigiert werden. [Foto: MediaNord]
Fazit
Bei dem recht hohen Preis von über 2.000 Euro könnte man von Canon schon mehr erwarten, als das sogar etwas verformbare Kunststoffgehäuse des EF 35 mm 1.4 L II USM. Das Objektiv punktet dementsprechend vor allem optisch. Immerhin bietet die Mechanik noch einen Spritzwasser- und Staubschutz, der etwas entschädigt. Die geringe Naheinstellgrenze, insbesondere im Zusammenhang mit der hohen Lichtstärke, erweitert zudem die kreativen Möglichkeiten. Optisch überzeugt das Canon EF 35 mm 1.4 L II USM vor allem mit den praktisch nicht vorhandenen Bildfehlern, seinem einwandfreien Bokeh und der ausgesprochen hohen Auflösung, für die das Objektiv allerdings um drei Stufen abgeblendet werden muss. Am Bildrand hingegen schwächelt die Auflösung etwas, sodass sich im Bildzentrum ein knackiger Sweet Spot herausarbeiten lässt. Stark abgeblendet bietet das EF 35 mm 1.4 L II USM aber eine recht gleichmäßige Auflösung von der Bildmitte zum Bildrand, sodass es auch solche Anforderungsprofile erfüllen kann.
Kurzbewertung
- Sehr hohe Bildauflösung im Zentrum
- Optisch praktisch fehlerfrei
- Spritzwasser- und Staubschutz
- Relativ geringe Naheinstellgrenze für guten Abbildungsmaßstab
- Sehr schnelle und leise Fokussierung
- Verformbarer Kunststofftubus eines 2000-Euro-Objektivs nicht würdig
- Geringe Randauflösung bei offener und leicht geschlossener Blende
- Wuchtiges Erscheinungsbild
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.