Das wichtigste gleich vorneweg: lassen Sie sich nicht durch das Cover vom Kauf dieses Buches abhalten. Dieses suggeriert nämlich eher "Beruf: entrückter Pantomime Anfang der Achtziger Jahre". Dabei ist dieses Buch von einem sehr renommierten Profifotografen geschrieben, der sich eigentlich hinter seinen Bildern nicht verstecken muss. Er liefert seine Fotografien an so geschätzte Magazine wie Geo, Stern, Feinschmecker und macht Werbeaufnahmen für große Firmen wie die Lufthansa und BMW. Dabei hat er sich das Fotografieren selber beigebracht. Das ist vielleicht auch der Grund für die dankenswert einfache Sprache, mit der er auch komplizierteste Sachverhalte gut begreiflich machen kann.
Wagner erzählt in diesem Buch in siebzehn verschiedenen Geschichten aus seiner langjährigen Berufspraxis, wobei der Aufbau aller Kapitel gleich ist: einem mehrseitiger Erzählblock folgen einige Beispielfotos sowie ein Technikbereich. Die drei Teile bewirken zum einen eine Übersichtlichkeit, die dem Leser eine Hilfe beim Nachschlagen bietet, zum anderen hebt sich das Buch dadurch von anderen Werken ab, in denen einfach nur Schilderungen aneinandergereiht werden. "Beruf: Fotograf" bietet auf diese Weise auch die Möglichkeit, zum geschriebenen Wort die passenden Bilder anzuschauen, sowie anhand der offenherzig weitergegebenen technischen Details einiges zu lernen. Die beiden Schriftblöcke unterscheiden sich auch durch die Schriftart. Der erzählende Teil ist in einer angenehm lesbaren Serifenschrift gehalten, während der Technikbezirk in klarer Schrift und in einer Art Tabellenform gehalten ist.
Besonders an Gert Wagner ist sein weit gestreutes Arbeitsfeld, so fotografiert er Technologien ebenso gut wie Menschen oder Landschaften. Das ist selten in einer Welt, in der sich viele Fotografen auf ein oder zwei Gebiete beschränken. Dabei scheinen seine Fotos das besondere Etwas zu haben. So sagt ein Kollege Wagners im Vorwort so treffend: "(Er) … fotografiert Technik kühl und Menschen warm." So wird klar, dass in diesem Buch ein vielfältiger Einblick in seine abwechslungsreiche Arbeitswelt gegeben werden kann.
Triumphe und Missgeschicke – dem Autor ist alles widerfahren und er hält kein Blatt vor den Mund. Dabei sind seine Erlebnisse spannend erzählt und wie zufällig mit Fachbegriffen und deren gleichzeitiger Erläuterung gespickt. Man lernt also quasi "im Vorbeilesen". Im Kapitel Symbole – wenn ein Bild eine Geschichte erzählen soll erfährt man beispielsweise, das zu jeder Bildreportage ein so genannter "Aufmacher" gehört, also ein Foto, das den Leser neugierig auf die Geschichte machen soll und gleichzeitig symbolisch für deren Inhalt ist. Daher denkt der Fotograf mittlerweile automatisch in Symbolen und Doppelseiten, um immer die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen und dem Auftraggeber präsentieren zu können. Kleine Anekdoten würzen den Bericht und schärfen den Blick für Details in den Bildern. So sollte bei einem Auftrag die Langlebigkeit eines Ford Automobils dargestellt werden. Die Aufnahmen entstanden auf einem portugiesischen Markt, mit einem alten Ford und seinem ebenso alten Besitzer. Leider musste man feststellen, dass der ganze Aufnahmeort vor 50 Jahren schon genauso ausgesehen haben muss. Um den Bezug zur Gegenwart herzustellen wurde ein modernes BMX-Rad ins Bild in der Szene platziert – und schon wurde die Aussage stimmig.
Wagners Einblicke sind unterhaltsam und lehrreich für jeden an der Fotografie interessierten. Durch den spannenden Erzählstil merkt man gar nicht, wie viel Wissen man vermittelt bekommt. Kurzweilig werden die Geschichten auch durch das breite Spektrum, das der Autor in seiner Berufswelt bedient. Ob in den schwindelnden Höhen im Mast eines Segelschiffs, oder in matschigen Olivenpress-Mühlen, Wagner hat ein Gespür für den richtigen Augenblick und lässt den Leser daran teilhaben. Das Buch hat etwas von einer Biografie, ist aber gleichzeitig durch den informativen Gehalt an fotografischem Wissen mehr als das. Also getreu dem englischen Sprichwort: "Never choose a book by it's cover!" (Kauf niemals ein Buch nach seinem Äußeren) (Kirsten Hudelist)