Was gibt es schöneres, als sich in einen Bildband zu vertiefen und gleichzeitig etwas über Fotografie zu lernen? Meistens muss man sich ja leider zwischen einem von beiden entscheiden – entweder großartige Bilder oder viel Wissen. Die National Geographic Society hat mit diesem Buch ein Werk veröffentlicht, das beiden Genres gerecht werden möchte.
Das Gebiet zwischen Okavango-Delta und Kalahariwüste ist der Schauplatz für diese eindringlichen Naturfotografien. Das Besondere an diesem Naturdistrikt ist die Verbindung zweier unterschiedliche Ökosysteme (ein permanentes Feuchtgebiete und die Halbwüste). Dadurch kommt es zu einer ungeheuren Fülle an verschiedenen Arten von Tieren, die die beiden Autoren des Buches in faszinierenden Fotografien "eingefangen" haben. Keines der Bilder ist dabei digital verändert worden, so dass die Bilder sehr authentisch wirken – manchmal zu dem Preis, dass man mit blutverschmierten Löwenschnauzen konfrontiert wird. Aber auch das ist ein Teil der Natur und findet Platz in diesem Buch. Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass alle abgebildeten Tiere wild und in Freiheit leben und nicht mit billigen Tricks angelockt oder gezähmt wurden. Jedes einzelne Foto spiegelt daher einen wahren Augenblick wider. Das dazu viel Geduld und Wissen erforderlich ist, ist selbstverständlich. Umso großzügiger, dass die beiden National Geographic-Fotgrafen Richard du Toit und Gerald Hinde uns an diesem Können teilhaben lassen.
Im Buch sind zwei verschiedene Kategorien zu finden, zum einen der Natur- und Bildbandbereich und zum anderen die Fotoschule. Im Bildbandbereich tummelt sich eine Vielzahl wunderschöner Fotografien, die in vier – den Motiven entsprechenden – Bereiche gegliedert sind. Der Regen, der die Wüste belebt, das Hochwasser aus dem fernen Norden, die Sammlung der Tiere um das schwindende Wasser und das Warten auf den Sommer sind die vier großen Themen des Bildbandbereichs. Die Fotos, die häufig Format füllend eine Seite bedecken – manchmal auch darüber hinaus – sind qualitativ sehr hochwertig. Sie sind keine platten Abbilder der Wirklichkeit, sondern scheinen Geschichten zu erzählen. So stimmen nicht nur der Aufbau und das Licht in den Bildern, es wirkt in ihnen auch etwas von dem Zauber, der diese einzigartige Landschaft und Fauna so besonders macht. Wie von National Geographic nicht anders gewohnt, ist auch das verwendete Papier hochwertig, es glänzt und gibt den Bildern zusätzlich Tiefe und Brillanz. Das Buch ist fadengeheftet und hat einen in Leinen gebundenen Rücken, was edel wirkt und eine erhöhte Langlebigkeit verspricht. Zusätzlich zu den Bildern wird in Texten viel Wissenswertes um die jeweiligen Tiere und Situationen berichtet.
Ein wenig enttäuschend ist der Fotoschulanteil des Buches. Offiziell erstreckt er sich nur über zwölf Seiten. Die ersten drei Seiten sind Notizen zur Ausrüstung und zur Naturfotografie im Allgemeinen. Auf den darauf folgenden Seiten werden Hinweise zu den einzelnen Aufnahmen gegeben. Hier ist es ein bisschen Schade, das darauf verzichtet wurde, die erwähnten Bilder nochmals – verkleinert – darzustellen. Wildes Geblättere hätte dadurch vermieden werden können. Zu den gegebenen Informationen gehören immer die Daten zu den verwendeten Objektiven, Film, Blende und Zeit. Ab und zu erfährt man auch noch etwas mehr, beispielsweise wann und wie man am besten ein Gewitter fotografiert oder das man für bestimmte Szenen manchmal nur Sekunden Zeit hat.
Zählt man die textlichen Inhalte aus dem Bildbandbereich mit dazu, erfährt man eine Menge über die afrikanische Tierwelt. Das Buch deshalb auch als Fotoschule zu bezeichnen scheint ein wenig hoch gegriffen. Vielleicht ist es aber auch so, dass es in der Naturfotografie wirklich darauf ankommt, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, die Gepflogenheiten der Tiere zu kennen und seine Ausrüstung im Griff zu haben. Und all das sind Dinge, die man nicht unbedingt aus Büchern lernt. Die Autoren geben vielmehr einen Ansporn, die Natur zu beobachten, innezuhalten und zu genießen – entweder beim Betrachten der Bilder im Buch oder auf der eigenen Kamerapirsch. (Kirsten Hudelist)