Rückblende

Canon fertigte 70 Millionen EF-Objektive, aber die ersten Optiken kamen von Nikon

2011-10-26 Letzte Woche meldete der japanische Hersteller voller Stolz das Erreichen der 70-Millionen Grenze an produzierten Objektiven mit dem im Jahr 1987 eingeführten EF (Electro-Focus) Bajonett. Rechnet man noch die vielen manuell zu fokussierenden Objektive mit R-, FL-, und FD-Bajonett hinzu, kann man bei Canon auf eine lange Tradition im Objektivbau zurückblicken. Aber die ersten Kameras aus diesem Hause hatten noch Optiken vom ewigen Marktbegleiter Nikon.  (Harald Schwarzer)

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Versetzen wir uns zurück ins vorige Jahrhundert, so um 1935 - zwar gab es in Japan schon eine eigenständige Kameraindustrie, aber von Herstellern wie Asahi Optical (später Pentax) Aires Camera Works, Kuribayashi (später Petri), Chiyoda Kogaku (später Minolta), Konishiya Rokubeiten (später Konica), Olympus Optical, Riken Kogaku (später Ricoh) kamen zumeist Nachbauten von einfachen deutschen Balgen- und Rollfilmkameras auf den Markt. Vereinzelt gab es auch schon Kopien der zweiäugigen Rolleiflex. Die Zentralverschlüsse wurden bei Copal oder Seiko gefertigt. Produziert wurde nur für den Heimmarkt und es gab keinen Export.   

Obwohl das 35 mm Kleinbildformat - erstmal vorgestellt mit der Leica - schon 10 Jahre auf dem Markt war, wurde das winzige Negativformat von 24x36 mm als viel zu klein betrachtet, da es anders als das 6x9 cm Rollfilmformat keine Ausschnittvergrößerungen zuließ.

Dennoch gründete Goro Yoshida in Tokio ein Labor für optische Instrumente und traute sich mit ein paar Mitarbeitern an den Nachbau einer Leica - es blieb bei einem Prototyp (Kwanon X), der heute im Canon Museum ausgestellt ist (s. weiterführende Links). Sie war die erste japanische Kleinbildkamera mit Schlitzverschluss - der Prototyp wurde umkonstruiert und kam ein paar Jahre später als Hansa Canon auf den Markt. Mit dem auf der Vorderseite angebrachten Filmzählwerk und der aufgesetzten Einstellschnecke für das Objektiv sah sie gar nicht mehr wie ein Leica Nachbau aus. Nur das Kameragehäuse kam von der inzwischen in Seiki Kogaku umbenannten Firma; die Einstellschnecke mit dem dazugehörigen Objektiv wurde von Nippon Kogaku (später Nikon) montiert und geliefert. In der Regel war es ein vierlinsiges Nikkor 1:3,5 / 5 cm Normalobjektiv. Später kamen auch lichtstärkere Versionen (2,8 oder 2,0) hinzu. Diese Kooperation hielt etwa bis 1946, denn kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs war man auch bei Seiki Kogaku (später Canon) in der Lage, eigene Optiken zu bauen, die zunächst den Namen Serenar trugen. Nachdem man noch ca. 100 Kameras des Vorkriegs-Typs S produziert hatte, begann bald danach die Einführung des Nachfolgemodells - die S II brachte entscheidende Verbesserungen mit sich, denn es gab einen richtigen Messsucher, d.h. nur einen Suchereinblick mit integriertem Entfernungsmesser. Das macht die Handhabung der Kamera viel komfortabler als der doppelte Suchereinblick an den Schraubleicas. Des Weiteren verzichtete man auf das außenliegende Objektivbajonett und stattete die Kamera mit einem Schraubgewinde aus.

Nur ganz frühe S II Kameras hatten noch ein Nikkor Objektiv und sind heute gesuchte Sammlerstücke - eine davon steht in meiner Vitrine.

(Fotos: Harald Schwarzer)

Es sollte noch bis August 1948 dauern, bis auch Nippon Kogaku eine eigene Kleinbildkamera vorstellte - die Nikon I (und weitere 63 Jahre bis zur digitalen Nikon 1). Etwa 1000 Stück wurden davon gefertigt und sie haben eine äußere Einstellschnecke ähnlich den deutschen Contax Kameras, einen Messsucher und ein Nikkor 1:3,5 / 5 cm Objektiv (das Q.C. in der Bezeichnung steht für Quadruple und Coated).

(Fotos: Westlicht, Wien)

Meine Vitrinenkameras müssen sich ab und zu auch im fotografischen Alltag beweisen, und so wollte ich das frühe Nikkor Objektiv ausprobieren. Mittels M39-Adapter passt es an meine Lumix G1 und ergibt dort wegen des 2-fach Cropfaktors ein leichtes 100er-Tele. Die nachfolgenden Fotos wurden im JPEG Modus (B&W dynamisch) bei ISO 200 oder ISO 800 gemacht. Dass sich selbst bei Offenblende (3,5) keine Randunschärfen zeigen, ist nicht verwunderlich, denn in der Regel waren diese frühen Optiken in der Mitte gut korrigiert. Die Kontrastarmut auf Grund der schlechteren Vergütung gleicht der gewählte JPEG Modus größtenteils aus.

Weiterführende Links:

http://www.canon.com/camera-museum/history/canon_story/1933_1936/1933_1936.html

 

 

Kommentare

Niels Karwen 2011-11-06

...sehr schön! obwohl ich von der digitalen knipserei und den vorteilen überzeugt bin: was waren das für zeiten, als so ein gerät so eine wertschätzung erfuhr. weckt wirklich romantische gefühle, auch wenn das zwei generationen vor mir war... naja, ich hab ja noch ne analoge :-)

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