Neue Erkenntnisse zur Funktion und Nicht-Funktion der Telekamera
Kamera-Testbericht des Smartphones Huawei P20 Pro ergänzt
2018-06-08 Das Huawei P20 Pro sollte mit seiner neuen Triple-Kamera einen Meilenstein in der Smartphone-Fotografie darstellen. In unserem Labortest jedoch lagen Lob und Kritik dicht beieinander, unter anderem brachte die Zoomfunktion katastrophale Ergebnisse. Ob das allein unser Fehler war, sollte ein zweites Testgerät beweisen. Die Erkenntnisse sind überraschend. (Benjamin Kirchheim)
Die Tele-Linse der Triple-Kamera des Huawei P20 Pro kommt leider nur im Automatikmodus zum Einsatz. Im Pro-Modus der Kamera lässt sie sich hingegen nicht verwenden. [Foto: Huawei]
Zumindest teilweise müssen wir die Laborergebnisse revidieren. Hatten wir uns im eigentlichen Test noch über die Blende und physikalische Brennweite in den EXIF-Daten gewundert und keine Erklärung dafür gefunden, stellte sich letztlich, nachdem das Testgerät bereits zum Hersteller zurückgeschickt worden war, heraus, dass die Telekamera überhaupt nicht zum Einsatz kam. Wir forderten also ein neues Testgerät an, das inzwischen eingetroffen ist.
Bei der Untersuchung, warum nicht auf die Telekamera umgeschaltet wurde, stellte sich auch beim neuen Testgerät genau dasselbe Verhalten ein. Selbst das Abdecken der Telekamera mit dem Finger war nicht im Bild zu sehen, es kam eindeutig nur das Digitalzoom zum Einsatz. Aber warum? Bei der Durchsicht von im reinen Automatikmodus geknipsten Bildern waren welche dazwischen, die tatsächlich mit der Telekamera aufgenommen waren. Also lag die Vermutung nahe, dass es am Modus der Foto-App lag. Beim direkten Vergleich bestätigte sich die Vermutung: Beim Aufnehmen desselben Bildes wird im Automatikmodus die Telekamera verwendet, im Pro-Modus jedoch das minderwertige Digitalzoom. Nur bei sehr geringen Entfernungen von unter einem Meter kommt auch im Automatikmodus das Digitalzoom zum Einsatz.
Ein erneuter Labortest der Telekamera war somit nicht möglich, denn die wichtigste Grundvoraussetzung für den Labortest ist die Möglichkeit, die ISO-Empfindlichkeit manuell festlegen zu können. Nicht nur, um ISO-Aufnahmereihen mit identischem Setup für die Analyse des Rauschverhaltens und des Detailverlusts anfertigen zu können, sondern auch für die Messungen der maximalen optischen Leistung, die bei niedrigster ISO-Empfindlichkeit gemacht werden.
Natürlich kann man mit diesem Manko der Kamera des Huawei P20 Pro leben, aber auch nur dann, wenn man ausschließlich im Automatikmodus fotografieren möchte oder nicht zoomen möchte. Für Fotografen, die ein Smartphone mit guter Bildqualität und verlässlichem Verhalten suchen, ist das P20 Pro unserer Meinung nach hingegen eine eher suboptimale Lösung, weil es sich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen wie eine "richtige" Digitalkamera verhält und auch nur in bestimmten Situationen verlässliche, dann aber sehr gute Ergebnisse abliefert. Wer hingegen an der technisch-kreativen Seite der Fotografie wenig Interesse hat und froh über eine Automatik ist, die die technische Seite komplett übernimmt und obendrein mit automatischen Softwaretricks wie HDR und anderen Mehrfach-Aufnahmefunktionen für ansehnliche Bildergebnisse aufpimpt, kann getrost zum P20 Pro greifen.