DCTau-Labortests
Pixelzahl und Auflösung - die Nummer 1?
2008-11-23 Die digitale Fotografie ist mittlerweile ja wirklich erwachsen, darüber bestehen wohl keine Zweifel mehr. Aber das Erwachsenwerden bedeutet auch, dass der selbstverständliche Fortschritt der Jugend und die Weiterentwicklung auch einem Ende entgegensehen. So heisst es nicht mehr aus den Vollen schöpfen - je mehr umso besser. Vielmehr sollte man Erfahrungen nutzen und das was man hat effizienter abstimmen und gezielt einstetzen. (Anders Uschold)
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So banal und selbstverständlich sich oben Gesagtes anhört, vielen ist es wohl doch nicht ganz bewusst. Zu dieser Gruppe gehören auch das eingespielte Team aus Marketingabteilungen der Kamerahersteller und Kunden, die nach wie vor den letzten Spitzenbenchmarks hinterherjagen. Ich spreche von der Pixelzahl der Kameras, gerne in Produktakatalogen als Auflösung bezeichnet und mindestens genauso gerne von einem faszinierten Kundenkreis als solche verstanden. Nun, schon zu Filmzeiten hantierten Laborspezialisten mit Objektiven aus der Halbleiterherstellung und waren glücklich 1000 Linienpaare aus ihrem Film vergrößern zu können. Dass hierfür ein erschütterungsfreies Fundament von ca 1,5 Tonnen, eine Parallelität der Objektiv- und Filmebene unter 15 Gradsekunden nötig (Anmerkung hierzu: alleine das Präzisionsgewinde für das Objektiv zu schneiden schätze ich auf 3-4 stellige Kosten), es keine Kamera gibt, die auch nur 10% der gefordeten Filmplanarität erreichen würde und sich der nutzbare Bildkreis im Negativ auf einen Durchmesser von 1 mm beschränkt, wenn man einen Abzug von 10 mm macht (Anmerkung hierzu: das ist die Spezifikation einiger der populärsten Objektive), ist dabei nebensächlich. Immerhin sind es 1000 Linienpaare! Dieses reale Beispiel entstammt tatsächlich einer "Fachdiskussion" die ich zum Thema gute Vergrößerungsobjektive führen durfte und sie hat mir gezeigt, wie weit Spezifikationsfetischismus gehen kann.
Nun sind wir bei den Digitalkameras von diesem Extrem noch weit entfernt, aber wir sind bereits gut auf dem Weg dorthin. Das Beispiel zeigt, wie fragwürdig und teils schädlich es ist, wenn man um jeden Preis ein Leistungsmerkmal hochtreibt, ohne über dessen Sinnhaftigkeit oder die Einschränkungen nachzudenken, die es mit sich bringt.
Die Auflösung digitaler Kameras geht zur Zeit exakt diesen Weg. Vor wenigen Jahren war das Schlagwort "Pixelrennen" beliebt und es schien als würden die Hersteller ihr Augenmerk dem verbessern der optischen Leistung, Sensorik oder Geschwindigkeit zuwenden. Scheinbar wollte es der Kunde anders, den heute zählt wieder je "mehr umso besser".
Aber genau das "besser" ist das Problem. Die letzten Generationen von APS-Kameras kämpfen wieder mit dem Rauschen und werden absolut gesehen schlechter, auch wenn es in Tests oft garnicht so schlimm aussieht wie auf den Bildern. Die Eingangsdynamik scheint ebenfalls nicht so zu leiden, doch trügt auch dieser Schein. Moderne Rauschunterdrückungen sind helligkeitsselektiv, das heisst in den Mittentönen lässt man das Rauschen hoch um sich die Auflösung nicht kaputt zu machen und in den Schatten wird stark gedämpft, um bei schwarzwertbasierten Rauschmessungen und Eingangsdynamikmessungen bessere Testnoten zu bekommen. In der Praxis bekommen Bilder sehr ungleichmäßige Wiedergaben und Schattendetails versumpfen.
Aber sind 15 oder 25 Megapixel notwendig bzw. welches Objektiv kann das denn noch?
Für die Betrachtung eines Bildes in seiner Gesamtheit ist die Frage einfach zu beantworten: Der aufgelöste visuelle Bereich des Auges beträgt 30° in der Höhe und 40° in der Breite. Das Auge löst dabei 1 Bogenminute auf woraus sich sage und schreibe 1800 Zeilen mal 2400 Spalten ergeben. In Pixeln wären das 4,3 Millionen - wenig oder? Nun bedenkt man, dass eine Kamera mit Bayer-Pattern und leichter Unschärfe ja auch Verluste hat, dann sind 6 Millionen Pixel sicher nicht schlecht, bei 8 ist bestimmt das sinnvolle Maß erreicht. Hier sei nebenbei bemerkt, dass die Belichter der Labore, aus denen viele unserer Abzüge kommen, bestimmt keine 12 Millionen Bildpunkte ausbelichten, sondern die Daten handhabbar runter rechnen.
Nicht vergessen darf man jedoch den anspruchsvollen Fotografenzweig, der Reserven bei der Ausschnittsvergrößerung haben möchte. Mit der digitalen Bildbearbeitung ist es leicht wie noch nie, bei der Aufnahme einfach mal großzügiger zu sein und sich den passenden Bildausschnitt nachher hin zu croppen. Das ist bequem, flexibel und bildgestalterisch aus meiner Sicht hochdegenerativ. Solch ein Anwender braucht natürlich mehr als die oben genannten 6-8 Megapixel. Je nach Ausschnittsgrad beliebig mehr, sehr zur Freude der Sensorindustrie. Aber nur, wenn die Megapixel auch wirklich differenzierte Strukturen enthalten, sprich ein mehr an echter Auflösung bringen. Und das braucht eine gute Optik.
Im Labor haben wir ja eine schöne Übersicht, welche Objektive denn 15 Megapixel im APS auflösen oder 21 bis 25 im Vollformat. Und das ist nicht nur recht überschaubar sondern auch konjunkturförderlich, denn bis auf mehrere bewährte Makros siedeln sich diese Linsen im jungen Profisegment an. Keine günstigen Schnäppchen und auch nicht die älteren Schätze aus der Analogzeit oder den Anfängen bis Mittelalter der Digitalfotografie. Diese zeigen einem oft anschaulich, welche Objektivfehler bei früheren Spezifikationen noch unkritisch waren.
Hat man nun so eine schönes Stück, so spielt einem die Physik doch wieder eine Strich durch die Rechnung, Schlagwort Beugung. Bei Film war es leicht, bis Blende 16 gab es kaum Probleme. Mit 15 Megapixeln im APS zeigt sich die hintere Grenze schon früher, oft fällt die Auflösung bei guten Objektiven ab 1:8 - 11 deutlich ab. Bei schlechten tut sie das nicht, denn es gibt ja keine hohen Auflösungswerte, von denen man abfallen kann. An der vorderen Grenze, der offenen Blende steigen bei hohen Pixelzahlen die Offenblendeinschränkungen gerne an, man muss schon ein bis zwei Blenden Abblenden.
Damit ergibt sich ein unangenehmes Problem von hochauflösenden Objektiven an hochauflösenden Kameras: Die reale Auflösung spielt ihre Musik nur in einem sehr schmalen Blendenbereich. Blendet man zu weit auf oder ab, schwankt die gewünschte Detailauflösung deutlich. Es sei denn man greift zu hochwertigen lichtstärksten Optiken, die außergewöhnlich ins Geld und Gewicht gehen. In der Regel klappt das auch nur bei den langen Brennweiten wirklich gut, was noch mehr ins Geld und Gewicht geht.
Verwende ich dagegen ein gutes Objektiv an einer mittel auflösenden Kamera so zeigt sich ein ganz anderes Bild:
- Der ideale Blendenbereich ist deutlich weiter,
- Rauschen und Dynamik sind teils wirklich besser und nicht nur auf manchem veröffentlichtem Papier,
- Objektivfehler belasten einem die Bildauschnitte am Rand nicht so stark,
- Geld und Gewicht fallen nicht so ins Gewicht und alte Objektive müssen nicht so harsch aussortiert werden.
Besinnt man sich dann auf die Tugenden der Diafotografen, sich beim Fotografieren zu überlegen was man aufnimmt und seinen Bildausschnitt sorgsam festzulegen, dann relativieren sich viele Anforderungen an Pixelzahlen, die wir garnicht benötigen.
Es sind nicht nur die Hersteller, die einem immer neue noch höher "auflösende" Modelle vorgeben. Es sind auch die Anwender, die sich ernsthaft mir der Kamera als gut abgestimmtes Gesamtgerät auseinander setzen sollten um sich zu ob es ihnen wirklich mehr oder am Ende doch weniger bringt ein Merkmal um jeden Preis zu pushen. Wenn sich Kameras nicht mehr über überholte Spezifikationen verkaufen, dann gewinnen auch die Entwickler bei der Gestaltung mehr Mitspracherecht gegenüber den Marketingabteilungen.
Liebe Grüße,
Anders Uschold