Rückblende

Vom optischen zum elektronischen Sucher – Teil 4

2013-08-03 Die Fülle an Informationen, die der Fotograf oder die Fotografin heute erhält, wenn er/sie in den elektronischen Sucher einer modernen Digitalkamera blickt, ist vielfältig. Nicht nur die Belichtungsinformation, die Autofokusposition, die ISO Einstellung und die gewählte Sensorauflösung werden visualisiert, sondern auf Wunsch auch ein Live-Histogramm, eine Wasserwaage oder ein künstlicher Horizont und - ganz wichtig - der Ladezustand des Akkus. Die Qualität der Sucheranzeige hat sich in den letzten Jahren durch immer höhere Pixelzahlen und neue Materialien deutlich verbessert, so dass kaum noch ein Unterschied zu einem hochwertigen optischen Sucher feststellbar ist.  (Harald Schwarzer)

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Ein ganz entscheidender Vorteil ist darüber hinaus die 100% Anzeige; nicht korrekte Bildausschnitte auf Grund von fehlendem Parallaxenausgleich gehören der Vergangenheit an.

Elektronische Sucher in Digitalkameras mit und ohne Spiegel

Die Panasonic Lumix DMC-G1 sorgte bei ihrer Vorstellung auf der photokina 2008 für viel Aufsehen, denn sie war das erste Modell der neuen „spiegellosen" Systemkameras mit eingebautem Sucher - EVIL werden diese Modelle seit dieser Zeit genannt = Electronic Viewfinder Interchangeable Lens.

Und die Redakteure von digitalkamera.de konnten in ihrem Test berichten:

Der Sucher löst 1,44 Millionen Bildpunkte auf - das ist die sechsfache Auflösung der sonst üblichen elektronischen Sucher. Umgerechnet entspricht das einer Auflösung von 800x600 Echtfarbpixeln. Die G1 verwendet eine Suchertechnik aus dem Broadcastbereich (professionelle Fernsehkameras): eine LED wechselt in schneller Folge die Farbe von Rot nach Blau nach Grün. Das erzeugte Licht wird an einer teildurchlässigen Scheibe auf einen LCD reflektiert. Die Reflexion jedes der 800x600 LCD-Pixel kann in seiner Stärke gesteuert werden. In genauso schneller Folge wie die Umschaltung der Lichtquellenfarbe wechselt auch das LCD sein Pixelmuster, wodurch nacheinander ein rotes, blaues und grünes Bild erzeugt und vom menschlichen Auge als Echtfarbbild wahrgenommen werden. Der Sucher kann dabei flüssige 60 Bilder pro Sekunde erzeugen und deckt den vollen NTSC-Farbraum ab. Ein weiterer Vorteil dieser Suchertechnik ist, dass man das übliche Gitter zwischen den Pixeln nicht mehr sieht.

Sehr praktisch ist dabei der (abschaltbare) Augensensor, der den elektronischen Sucher bei Annäherung aktiviert.

Im Jahr 2008 hatte die Sucherauflösung endlich die Millionen-Pixel-Grenze überschritten und die Qualität der Anzeige konnte es mit einem optischen Sucher aufnehmen. Aber wie war es in der Zeit davor? Frühe Digitalkameras um das Jahr 2000 hatten einen kleinen rückseitigen Bildschirm und einen optischen Sucher wie man ihn aus den Autofokus-Kompaktkameras kannte. Zwar folgt der Sucher dem Bildausschnitt des Zoomobjektivs, aber er zeigt eben nur ca. 85% des Bildes an. Bei Kameras mit 3-fachem Zoombereich funktioniert das ganz gut, aber die Superzoomer mit 10- bis 15-fachem Zoombereich brauchten zwingend eine elektronische Anzeige. Das Maß der Dinge war zu dieser Zeit die Konica Minolta Dimage A2 von 2004 mit ihrem 922.000-Pixel-Sucher. Das war deutlich mehr als die Sucher der Wettbewerbsmodelle, z.B. Sony DSC-F828, Olympus C-8080 Wide Zoom, Canon PowerShot Pro1, Nikon Coolpix 8700, Fujifilm FinePix S20 Pro, die mit einem max. 240.000 Pixel auflösenden Sucher angeboten wurden. Während diese Kameras TFT-Miniaturbildschirme, bei denen die Pixel versetzt angeordnet sind, in ihren Suchern verwendeten, kam bei der Dimage A2 ein TFT-Display mit streifenförmig angeordneten Pixelreihen zum Einsatz. Diese Technik verwendet man auch bei Flachbildschirmen für Computer und ermöglicht es, mehr Pixel auf gleichem Raum unterzubringen. Einen Augensensor gab es bei dieser Kamera nicht, sondern lediglich einen mechanischen Umschalter zwischen Sucher und rückseitigem Display. Während sich die Dimage A2 mit ihrem Preis von 1.100 Euro eher an professionelle Fotografen richtete, sollte die Dimage Z1 vom gleichen Hersteller die Amateurfotografen ansprechen, denn sie kostete weniger als die Hälfte. Erreicht hat man diesen Preis u.a. durch eine geschickte Umschaltung zwischen LCD-Sucher und LCD-Monitor der Kamera. Anstatt eines zusätzlichen Sensors für die Sucheranzeige wird bei der Dimage Z1 mit einem Hebel an der Kamerarückseite das Bild des LCD-Bildschirmes in den Sucher umgeleitet. Da nur ein Monitor verwendet wird, kommt es angeblich nicht zu Farb-, Kontrast- oder Auflösungsunterschieden zwischen Sucher und Monitor; und die Einsparung eines elektronischen Bauteils ermöglichte den attraktiven Verkaufspreis.

Ganz andere Ideen hatten die Ingenieure von Kyocera - sie setzen auf die so genannte FLC-Technologie (Ferroelectric Liquid Crystal). Mit nur ca. 100.000 Pixeln bestückt bringt es der LC-Miniaturbildschirm im Sucher der M410R von 2004 fertig, ein Sucherbild zu erzeugen, das sich von der Klarheit und der Feinheit her durchaus mit dem der Dimage A2 vergleichen lässt. Die FLC-Technik verwendet zwar auch rot-, grün- und blauempfindliche Pixel, die aber nicht nebeneinander in einer Schicht sondern untereinander in drei Schichten angeordnet sind. Wo herkömmliche LCD's 3x-mal so viele Pixel benötigen um Farbe darzustellen, kommt ein FLC-Bildschirm mit nur einem Drittel der Pixel aus. Auf diese Weise ist die wahrgenommene Auflösung (300.000 Pixel) bei einem FLC-Display wesentlich höher als die reine Anzahl der Pixel. Verstärkt wird der Eindruck einer höheren Auflösung durch eine weitere Eigenschaft der FLC-Technologie - das feine Pixel-Raster, wie es herkömmliche LCDs durchzieht, verschwindet. Die M410R wurde auch von Rollei Fototechnic als dk4010 angeboten und ist eine der besten Digitalkameras, die Rollei im Programm hatte. Die Typenbezeichnung bei Rollei war übrigens sprechend - dk = Digitalkamera von Kyocera; 4010 = 4,0 Megapixel Sensorauflöung und 10 = 10-facher optisches Zoombereich.

Die Rückkehr des hochwertigen optischen Suchers in eine digitale Kamera kam dann Anfang 2011 - nicht etwa aus der deutschen Edelschmiede in Solms sondern aus Japan. Als die Fuji-Ingenieure darüber diskutierten, welche Ausstattung in der X100 verwirklicht werden sollte, stand neben der Forderung nach einem außergewöhnlichen Objektiv der Wunsch mit einer digitalen Kompaktkamera zu fotografieren, und dabei das Vergnügen zu haben, durch einen hochwertigen optischen Sucher zu schauen, ganz oben auf der Liste. „In den letzten Jahren sind Fotografen dazu übergegangen, den Bildausschnitt auf dem LCD auf der Rückseite ihrer Digitalkamera zu wählen. Jedoch kann der Monitor bei Sonnenlicht schwer ablesbar sein und diejenigen, die schon lange mit Kameras vertraut sind, stellten die Frage ob nicht auch Anwender von Digitalkameras gern wieder die Vorzüge eines extrem hellen optischen Suchers genießen würden" stellten sie fest. Die ganze Geschichte kann man auf der Fuji Webseite (s. weiterführende Links) nachlesen und erfährt dabei im Detail, wie man sich bei Fuji zwischen Realbildsucher und Galileischem Sucher entscheiden musste, und warum man für die Einblendung der Bildbegrenzung den klassischen Leuchtrahmen bevorzugt hat und nicht den Albada-Sucher.

Eine wichtige Anforderung, an die keine Abstriche gemacht wurden, ist die Suchervergrößerung; also die scheinbare Größe des Motivs wenn es durch den Sucher gesehen wird. Je kleiner dieser Faktor, desto kleiner und weiter entfernt erscheint das Motiv im Sucher. Die Reduzierung der Suchervergrößerung ist ein einfacher Weg, die gesamte Konstruktion des Suchers kompakter zu gestalten. Eine Suchervergrößerung von 0,5-fach gilt als ideal für Objektivbrennweiten von 35mm beim Kleinbildformat. So weit, so gut - aber die Innovation des Fuji-Suchers ist seine hybride Funktion! Nachdem die Spezifikationen für Größe und Grundaufbau des optischen Suchers gefunden waren, stellte sich dem Entwicklerteam die Aufgabe, die Schwächen des Leuchtrahmens zu überwinden, d.h.:

-       die Beschränkung in der Anzahl der darstellbaren Informationen (Verschlusszeit, Blende, Lichtempfindlichkeit)

-       die fehlende Kontrolle der Aufnahme unmittelbar nach dem Auslösen

-       ein deutlich kleinerer Sucherrahmen

Hieraus entstand die Idee ein spezielles LCD Panel zu verwenden, das es nun in genügend hoher Auflösung gab. Es würde nicht nur die Anzahl der darstellbaren Informationen erweitern sondern eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Einblendungen ermöglichen, z.B. Histogramme und Fließtext. So wurde bei Fuji entschieden, den Sucher der X100 mit einem hochauflösenden 0,47-Zoll LCD mit 1,44 Millionen Bildpunkten auszustatten. Und mit Hilfe eines Umschalters auf der Gehäusevorderseite kann der Anwender schnell und einfach zwischen optischer und elektronischer Sucheranzeige wechseln. Einfach genial oder genial einfach!

Die Verkaufszahlen der Fuji X100 mit dem KB-äquivalenten Objektiv 1:2,0/35 mm übertrafen sämtliche Erwartungen und auch das kürzlich vorgestellte Nachfolgemodell X100s bleibt sicherlich nicht in den Regalen liegen.

Ähnlich erfolgreich ist wohl auch ein anderer japanischer Hersteller, der eine spiegellose Systemkamera im Retro-Design anbietet. Olympus hat vor ca. einem Jahr mit der OM-D E-M5 eine Kamera auf den Markt gebracht, die stark an die erfolgreichen Spiegelreflexkameras der OM Serie erinnert. Der hochauflösende elektronische Sucher mit 1,44 Millionen Pixeln und einer 1,15-fachen Vergrößerung zeigt das anvisierte Motiv schnell und präzise an. Darüber hinaus bietet er auch eine direkte Kontrollmöglichkeit für die Auswirkung unterschiedlicher Bildeinstellungen. Helle und dunkle Bereiche lassen sich anhand der Einblendung einer Tonwertkurve auf das Sucherbild anpassen und unterschiedliche Einstellungen des Weißabgleich werden angezeigt. Während der Hybridsucher von Fuji eine Eigenentwicklung ist, kauft Olympus seine elektronischen Sucherkomponenten bei Seiko Epson zu.

Die Messlatte für die Sucherauflösung höher gelegt hat inzwischen Sony - bei den Systemkameras NEX-7 und NEX-6 mit Wechseloptik und integriertem elektronischen Sucher liegt sie bei 2,4 Mio. Pixeln. Dabei werden OLED Anzeigen verwendet. Vorreiter und Marktführer dieser Technik ist der südkoreanische Weltkonzern Samsung.

Fortsetzung auf Seite 2
Kommentare

Benjamin Kirchheim 2013-08-05

Vielen Dank für diese moderne Ergänzung der informativen und lesenswerten Serie. Allerdings hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen: "Ein fest eingebauter, teildurchlässiger Spiegel bringt das Bild gleichzeitig auf den Sensor und in den Sucher."

Das stimmt nicht so ganz. Das Bild wird gleichzeitig auf den Sensor und das Autofokusmodul gelenkt. Das Sensorsignal wird auch für die Sucheranzeige verwendet. Anders als bei DSLRs, wo ein Hilfsspiegel hinter dem Hauptspiegel das Bild nach unten auf das Autofokusmodul lenkt, liegt dieses Modul bei Sony oben, wo bei DSLRs der Sucher lag. Daher vermutlich die Verwechslung, zu der es immer wieder mal kommt.

Karsten Meyer 2013-08-16

Stimmt, Benjamin Kirchheim. Es muss aber auch einmal Kameras gegeben haben, bei denen der teildurchlässige Spiegel wirklich einen optischen Sucher "belieferte", z.B. die Sony DSC-D700 und Sony DSC-D770 von 1999 und evtl. auch Modelle von Olympus.

-> www.digitalkamera.de/.../75.aspx

sbuerger 2013-08-16

Hallo,

einen starren teildurchlässigen Spiegel, der das Bild gleichzeitig auf den Film/Sensor und die Mattscheibe bringt, gab es schon vor über 40 Jahren, möglicherweise auch schon früher. Das erste mir bekannte Modell, das diese Konstruktion benutzte, war die Canon F1 High Speed von 1972, die es immerhin schon auf 9 fps brachte. 1984 kam noch ein "Update", das 14 fps schaffte - insofern kann man die "bis zu 10 fps" von Sony nicht gerade als hoch gehängte Latte bezeichnen, zumal das Hauptproblem damals nicht die mechanische Synchronisation der Abläufe, sondern der Filmtransport (geringe Stabilität der Perforation, Verblitzungen durch Reibung) war, der ja bei einer Digitalkamera gar nicht mehr stattfindet.

Die erste mir bekannte Anwendung im Consumer-Markt fand das Prinzip 1988 mit der Yashica Samurai, die wohl als die erste Bridge-Kamera bezeichnet werden kann (35mm Halbformat-SLR mit fest montiertem Autofokus-Zoomobjektiv). 1989 brachte schließlich Canon noch die EOS RT heraus.

Um die Jahrtausendwende wurden schließlich starre Spiegel in mehreren "Prosumer"-Digitalkameras verbaut, so den genannten Sony-Modellen und mehreren von Olympus. Mit der Massenmarkt-Tauglichkeit von DSLR-Systemkameras verschwanden die starren Spiegel aber wieder von der Bildfläche, da vor allem der Hauptnachteil des Prinzips, der Lichtverlust auf dem Sensor (2/3 bis 1 Blende), zu gewichtig war.

Die aktuellen Sony-Alphas sind so gesehen nur eine Kombination der Nachteile aus zwei Welten: Einerseits gibt es (zumindest bei Einsatz des mechanischen Verschlusses) natürlich im Gegensatz zu optischen Mattscheibensuchern mit starrem Spiegel sehr wohl eine Dunkelpause, die sich lediglich durch "Einfrieren" des Sucherbildes vertuschen lässt. Andererseits verbleibt der "alte" Nachteil der verminderten Lichtmenge auf dem Sucher. Der einzige verbleibende Vorteil ist der permanente Phasen-AF.

haeberle 2013-08-19

sbuerger: "Der einzige verbleibende Vorteil ist der permanente Phasen-AF."

Naja, stimmt nur bedingt (=höflich für "gar nicht"), wird aber gerne als Folklore ohne eigene Anschauung von Kommentar zu Kommentar getragen. Hier ein paar Ergänzungen aus eigener Erfahrung:

Dunkelphase gibt es natürlich weiterhin, ist ja durch den Verschluss bestimmt. Das ist aber kein Nachteil, sondern eben nur kein Vorteil - sei's drum. Die Serienbildrate wird aber eben nicht mehr durch die Geschwindigkeit der Spiegelmechanik eingeschränkt, ist also nur noch von Verschluss / Prozessor / Speicher / Puffer abhängig. Wenn nicht mehr als 10 fps realisiert werden, dann, weil es keiner braucht.

Was immer vergessen wird: Spiegelvorauslösung braucht man nicht mehr, weil kein Spiegel sich mehr bewegt. Ebenso wird die Kamera robuster, wenn der Spiegel fest steht. Und ein kleineres Problem - dass nämlich der Klappspiegel wild Dreck im Gehäuse verteilt - gibt es auch nicht mehr. Unter- und Überbelichtung sieht man im elektronischen Sucher sofort, von der Einblendung aller Daten und einem Histogramm ganz zu schweigen.

DAS Killerargument für den elektronischen Sucher wird aber vor lauter "konstanter-Phasen-AF-bei-Video-Schlagmichtot-Hype" immer vergessen: Bildvergrößerung (Sucherlupe) direkt im Sucher! Wer auch nur einmal bei f/1.4 und zehnfacher Vergrößerung seine wenigen Millimeter Schärfentiefe präzise und manuell (!) im Motiv platziert hat, der will nie wieder einen optischen Sucher. NIE! Und lacht über einen Lichtverlust von vielleicht gerade mal 1/3 Blende.

Mein Fazit: Der halbdurchlässige Spiegel von Sony ist eine Krücke, die die Zeit bis zum funktionierenden Phasen-AF auf dem Sensor überbrücken soll. Canon geht in die Richtung, Sony setzt ihn schon in der A99 hilfsweise ein. Nikon scheint zu pennen, oder werkelt im Geheimen am ganz großen Coup. Es braucht keinen Hellseher, um zu erkennen, dass EVIL mit elektronischem Verschluss und On-Chip-Phasen-AF sich durchsetzen wird. Die Frage ist nur, wann.

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