Rubrik: Bildbearbeitung
Abwedeln und Nachbelichten
2011-05-23 Abwedeln und Nachbelichten gehört zu den wohl ältesten Techniken im Fotolabor. Diese Techniken werden eingesetzt, um Bildteile aufzuhellen beziehungsweise abzudunkeln. Auch im digitalen Zeitalter sind entsprechende Werkzeuge zu finden, die immer noch ihre Daseinsberechtigung besitzen. Der Einsatz dieser Werkzeuge ist vielfältig und bei weitem nicht so kompliziert wie zu Analoglaborzeiten, wo man das Ergebnis erst nach der Entwicklung der Bilder sehen konnte. Wie man heute das Abwedeln und Nachbelichten einsetzen kann, soll der Fototipp anhand zweier Varianten zeigen. (Harm-Diercks Gronewold)
Um zu verstehen was ein Abwedler genau tut, muss man sich ins Gedächtnis rufen, wie Fotos zur Zeit der Heimlabore entwickelt wurden. Man hatte einen Vergrößerer, der das Negativ auf ein Blatt Fotopapier projezierte. Nun kam es vor, dass bestimmte Elemente im Bild weniger stark beziehungsweise stärker belichtet werden sollten. Dazu setzte man beim Vergrößern das sogenannte Abwedeln ein. Der Abwedler war oft ein selbstgebautes Hilfsmittel aus schwarzem Tonpapier, welches an einem Löffelstiel oder einem Draht befestigt war. Lief nun die Belichtung auf das Fotopapier, dann wedelte man mit diesem Instrument im Lichtkanal zwischen Vergrößerungskopf und Fotopapier hin und her und hoffte, dass das Ergebnis dem entsprach, was man sich vorgestellt hatte. Das Nachbelichten war ungleich komplizierter, da es oft mit Tätigkeiten in den chemischen Bädern zu tun hatte, in die man eingreifen musste. Durch den Einsatz der digitalen Technologie ist dies nun um einiges einfacher geworden, weniger zeitraubend und mit sofortiger Ergebnisanzeige.
Dann kommt die alles entscheidende Frage, wozu man abwedeln und nachbelichten sollte. Die Frage ist schwer zu beantworten, denn man kann Helligkeitsunterschiede auch mit einer Einstellungsebene mit Maske ändern. Doch das Abwedeln und Nachbelichten eignet sich besser als eine Einstellungsebene für das Herausarbeiten von feinen Helligkeitsunterschieden, um so ein Bild plastischer zu machen. Gerade im Portraitbereich wird das Abwedeln und Nachbelichten oft
eingesetzt. Hierzu braucht man nur nach Werken von Andrej Dragan oder Calvin Hollywood zu suchen. Denn diese zwei Künstler nutzen das auch "Dodge and Burn" genannte Vorgehen oft und sehr erfolgreich, um einen bestimmten Bildeindruck zu erreichen. Was benötigt man zum Abwedeln und Nachbelichten im digitalen Zeitalter? Zunächst einmal eine Bildbearbeitung, die das Arbeiten mit Ebenen unterstützt wie zum Beispiel Photoshop, Photoshop Elements 9, Gimp oder FixFoto. Anhand von Photoshop CS5 werden hier zwei unterschiedliche Herangehensweisen gezeigt.
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Die erste Methode arbeitet relativ destruktiv, weil sie direkt die Bilddatei ändert. Somit ist der erste Arbeitsschritt – eigentlich wie immer – die Kopie der Hintergrundebene. Somit bleibt das Ursprungsbild unangetastet. Die Ebenenkopie kann entweder via Dialogmenü erstellt werden oder mit dem Tastenkürzel Strg+J. Als nächstes aktiviert man das Nachbelichterwerkzeug. Das Icon dazu sieht aus wie eine Augenabdeckung bei einem Sehtest. Ist das Werkzeug aktiviert, so sind in der Statuszeile einige Informationen und Einstellungen zu sehen. Aus dem Dropdownmenü kann man nun die "Lichter", die "Mitteltöne" oder die "Tiefen" auswählen, je nachdem welche Bereiche bearbeitet werden sollen. Danach muss die Belichtung (Stärke) des Abwedlers geändert werden. Da auf einer Pixelebene die Belichtung des Abwedlers sehr stark zu sehen ist, sollte die "Belichtung" nicht zu hoch eingestellt werden. In den meisten Fällen reichen drei bis fünf Prozent problemlos aus. Die Größe des Werkzeugs sollte natürlich auf die Größe der Details, die betont werden sollen, angepasst werden.
Am besten lässt sich diese Technik mit einem Grafiktablett einsetzen, da hier mit schnellen Strichen gearbeitet werden kann. Im Beispielfoto wurden die hellen Wolkenteile ein wenig stärker betont, um so die Struktur zu verdeutlichen, welche die Wolken um den Berg gebildet haben. Zu Beachten ist, dass wenn das Werkzeug aktiviert auf einer Position belassen wird, es diesen Bereich immer mehr aufhellt – wie ein Airbrush, der dauerhaft Farbe abgibt.
Soll nun ein Teil nachbelichtet werden, kann man sich entweder das Nachbelichter-Werkzeug aus der Liste unter dem Abwedler auswählen und die Einstellungen erneut in der Statuszeile setzen. Oder man hält die Alt-Taste gedrückt, während man den Abwedler benutzt. Dies hat den gleichen Effekt wie das Nachbelichtungswerkzeug, bietet aber den Vorzug, dass die gleichen Voreinstellungen wie die des Abwedlers benutzt werden. Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Ergebnisse mit diesem Vorgehen sehr schnell sichtbar sind. Der Nachteil ist, dass es besonders bei sehr detaillierten Bereichen und hoher "Belichtung" sehr schnell zu unschönen Artefakten kommen kann; diese ruinieren, wenn zu spät bemerkt, einfach nur das Bild.
Die zweite Methode ist das funktioniert nicht-destruktiv, sie tastet die Pixel in einem Bild nicht an. Dazu bedient man sich der Ebenenfunktion der Bildbearbeitung und der unterschiedlichen Ebenen-Füllmethoden. Nachdem das Bild geöffnet wurde, wählt man aus dem Menü den Punkt "Ebene" aus. Von da aus "Neu" und "Neue Ebene", und es erscheint ein Dialog mit einigen Einstellungsmöglichkeiten. Zunächst gibt man einen eindeutiger Namen für zu besseren Übersicht ein. Unter "Modus" wird entweder "Ineinanderkopieren" oder "Weiches Licht" ausgewählt. Der Unterschied zwischen beiden ist die Stärke der Füllmethode. "Weiches Licht" sollte allerdings die erste Wahl sein, weil es die subtilere Füllmethode ist. Ist der Modus gewählt, bietet Photoshop ein Kästchen an, welches "Mit neutraler Farbe für den Modus... füllen" gekennzeichnet ist. Dies ist anzuklicken und mit "OK" zu bestätigen. Nun wird eine Grauebene angelegt, auf der man arbeiten kann. Man wählt wieder den Abwedler, hier ist die Wahl zwischen "Tiefen", "Mitteltönen" und "Lichtern" nicht mehr wichtig, da man auf einer Neutralgrauebene arbeitet. Auch hier kann man nun wieder die Wirkungsweise des Abwedlers mit gedrückter Alt-Taste umkehren, um so nachzubelichten. Das Nutzen der Alt-Taste ist eine ideale Arbeitsweise, da man so sehr schnell beide Werkzeuge im Griff hat.
Um beurteilen zu können, wie der Effekt im Gegensatz zum Objekt aussieht, ist es ratsam, von Zeit zu Zeit die bearbeitete Ebene auszublenden und so das Ursprungsbild zu betrachten. Denn besonders bei geringer "Belichtung" gewöhnt sich die Wahrnehmung schnell an die Änderung und man bekommt das Gefühl, dass sich nicht schnell genug etwas ändert.