Rubrik: Bildgestaltung
Architekturfotos
2001-10-08 Architekturfotografie bietet sich in unterschiedlichen Disziplinen an; als Dokumentation, als kunstgeschichtliches Instrument, zur Schadensfeststellung. Das sind alles ganz gewichtige Anlässe, durchaus begründet, aber nicht zwingend notwendig, um ein Bauwerk zu fotografieren. Es genügt ein ästhetisches Moment, das uns als Ganzes oder als Detail anspricht oder weil uns seine Linienführung, das Dekor, die Farbgebung fasziniert. (Jürgen Rautenberg)
3. Schloss Oberschleißheim, frontal [Foto: Jürgen Rauteberg]
Der dokumentierende Fotograf muss im Bild die motivrelevanten Formen
erhalten. Das ist (zumindest für den Laien) technisch eine Herausforderung,
gestalterisch eher eine Einschränkung. Architekturfotografen arbeiten oft mit
Großformatkameras, die alle Möglichkeiten der Verstellung von Front- und
Rückstandarte besitzen und formal einwandfreie Darstellungen ermöglichen. Der
Kunstgeschichtler wird eher bestimmte Elemente auswählen, die wichtiges über
das Bauwerk aussagen. Der Bauschäden-Gutachter muss beispielsweise wissen, dass
die miserabel verputze Fassade am besten bei Beleuchtung fast aus dem rechten
Winkel, also praktisch "an der Wand entlang", bloßgestellt wird.
Wer weiß, was er will, geht das gleiche Motiv mit anderer Intention an, um
die Aussage dem Zweck entsprechend zu optimieren. Auch sollten Sie entscheiden,
welche Art von Architekturfotografie Ihnen am Herzen liegt. Die mehr
reproduktive, exakt wiedergebende? Oder die kreativ-ästhetische, deren
Vertreter sich ohnehin nur das als Motiv herauspicken, was Ihnen an Formen und
Farben besonders fotogen erscheint? Sie sind nicht gezwungen, Waagerechte,
Senkrechte und Winkel einzuhalten; sie "spielen" mit den Formen,
verändern sie und erzeugen neue Aussagen. Oder sind Sie speziell an Burgen, an
Gartenlauben, Kanälen oder moderner Form interessiert? Dann sollten Sie sich
darin spezialisieren. Denn wirklich gut ist man immer nur in Dingen, die einen
persönlich ansprechen.
Museum Ludwig mit Kölner Dom [Foto: Jürgen Rauteberg]
Wir können – knipps – ein Foto machen und weitergehen. Oder wir können das
Motiv auf uns wirken lassen, bis es "zu uns spricht" und wir erkennen,
wie das Bild als Ergebnis dieser Zwiesprache auszusehen hat. Ihr persönliches
Temperament entscheidet, welche Arbeitsweise Sie wählen. Sorgen Sie nur dafür,
dass Ihre Vorstellung vom Motiv auch im Bild für den Betrachter nachvollziehbar
ist. Motive gibt es genug, alltägliche oder einmalige, und aus jedem lassen
sich Mengen unterschiedlicher Bilder machen.
Bild 1 So wünschen sich Architekt und Bauherr
die Frontalansicht. Unter Einhaltung der Maße ist das jüngste der drei Schleißheimer Schlösser so dargestellt, dass seine Proportionen bestmöglichst
wiedergegeben werden. Aufgenommen mit Brennweite 200 mm; kürzere Brennweiten
würden zu Stürzenden Linien führen, die in einer Dokumentation nicht
angebracht wären.
Dienst an der Pforte mit Musik- und Kongresshalle [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 und 3 Die glatte Fassade des Museums
Ludwig, die das aufragende Steinwerk des Kölner Doms diagonal schneidet, interessiert
den Fotografen ebenso wie die Plastik "Dienst an
der Pforte" vor der Lübecker Musik- und Kongresshalle mit ihrem Kontrast zwischen hellen und dunklen Flächen sowie
harten und runden Formen.
Diese beiden Bilder erheben keinen Anspruch auf Dokumentation, entstanden
vielmehr aus ästhetischen Überlegungen zum Thema Kontraste.
Bild 4 Das Bild zeigt einen kleinen
Ausschnitt eines für das Lippische Land typischen Hauses. Dieser genügt
jedoch, um – ergänzt durch den bewusst einbezogenen Frühlingszweig –
ein
Stück Persönlichkeit überkommener Architektur festzuhalten. Die
seitliche Aufnahmeposition unterstreicht den Eindruck lebendiger
Alltäglichkeit.
Bauernhaus Lipper Land [Foto: Jürgen Rauteberg]