Rubriken: Bildgestaltung, Studio, Zubehör
Aufhellen für Kenner
2003-01-13 Richtige Belichtung ist noch lange keine gute Ausleuchtung. Man kann ein Foto auf vielerlei Art ausleuchten. Hart oder weich, mit Frontal-, Seiten-, Gegenlicht oder mit unterschiedlichen Lichtquellen, sogar der berüchtigte "Lichtabfall" lässt sich beeinflussen. Gut fährt, wer sein Ausleuchtungsmodell dem Wesen des Motivs anpasst. (Jürgen Rautenberg)
Tulpen; Flash direkt, über Kamera [Foto: Jürgen Rauteberg]
Hier geht es darum, wie man die bei seitlicher Ausleuchtung
auftretenden Schatten in den Griff bekommt. Die Sonne, unsere
lebenserhaltende Lichtquelle, gibt es nur einmal. Wir sind es gewohnt,
dass wir nur diese eine "Hauptleuchte" haben und Hauptlicht deshalb nur
jeweils aus einer Richtung kommt. Ebenso, dass die gegenüber liegende
Seite im Schatten liegt. Das sind Grunderfahrungswerte, von denen wir auf
jedes andere Licht schließen: So empfinden wir eine Ausleuchtung mit einer
hellen und einer dunkleren Seite als normal. Ist der Kontrast zu stark –
das kann von Motiv zu Motiv anders sein – dann helfen wir nach, indem die
Schattenseite aufgehellt wird. Begehen Sie nicht den Anfängerfehler, alles
mit gleicher Helligkeits-Soße zu übergießen; eine Differenz zwischen
Hauptlicht und Aufhellung sollte schon erkennbar bleiben. Denn das Spiel
aus Licht und Schatten macht nicht nur mehr oder weniger hell, es macht
beispielsweise Formen und Strukturen besser nachvollziehbar. Ob Sonnen-,
Glühlampen- oder Blitzlicht – wir müssen einen motivbezogenen Ausgleich
schaffen. Das kann durch eine zweite Leuchte geschehen oder durch eine
Reflektionsfläche. Ein zweiter Blitz kostet richtiges Geld und kompliziert
die Handhabung. Die Reflexfläche kostet dagegen nur drei Euro und die
Wirkung ist damit nicht etwa schlechter, sondern kann, je nach Motiv,
sogar vorteilhafter sein.
Als Motiv dienen zwei hölzerne Tulpen, weil sie immer wieder für
Vergleichsfotos herangezogen werden können. Beim ersten Bild kommt das Licht –
bei diesem Tipp durchweg Blitzlicht – aus Richtung Kamera. Es erzeugt starke
Reflexe; das Motiv wird "überstrahlt". Die schweren Schatten auf dem Hintergrund
tun ein übriges; solch simple Ausleuchtung sollte Reportagen und ähnlichen
Situationen vorbehalten bleiben, bei denen die Auswahl der Mittel beschränkt
ist.
Tulpen; Flash direkt links, ohne Soft [Foto: Jürgen Rauteberg]
Beim zweiten Bild war das Blitzgerät auf einem Stativ links neben dem Motiv
platziert. So etwas zu erkennen ist wichtig, wenn Sie Ihre fotografischen
Ergebnisse optimieren wollen. Die Schatten sind vom Hintergrund auf die rechte
Seite gewandert, der Kontrast zwischen linker und rechter Motivseite ist sehr
stark. Es gibt Motive, für die das ideal ist; einer zarten Blüte sollte man das
aber nicht unbedingt zumuten.
Tulpen; Flash direkt links, Aufhellung rechts [Foto: Jürgen Rauteberg]
Als einzige Änderung zwischen dem zweiten und dritten Bild wurde rechts neben
dem Motiv eine Reflektionsfläche platziert – wieder eine Styroporplatte –, die
das von der Blitzleuchte ausgehende Licht auffängt und in das Motiv
zurückstrahlt. Die Helligkeit der linken und rechten Motivflächen ist jetzt
nicht etwa exakt gleich. Sie lässt vielmehr gut erkennen, von wo das Hauptlicht
einstrahlt, hält sich aber auf der Schattenseite zurück. Und das schaffen
Hauptlicht und Reflektionsfläche gemeinsam vorzüglich.
Im vierten Bild erzeugt das von rechts kommende Hauptlicht unter den Blüten
nach links fallende Schlagschatten. Die Aufhellung von links schafft es
spielend, den von Vase, linker und mittlerer Blüte geworfenen Schatten auf das
richtige Maß zu reduzieren. Der Schatten der rechten Blüte wird allerdings
weniger aufgehellt, weil einerseits die Intensität der Aufhellung, wie
Lampenlicht auch, bei größerem Abstand schwächer wird, andererseits das
Aufhelllicht durch die mittlere und linke Blüte abgehalten wird. Dennoch – die
Ausleuchtung insgesamt verleiht den trockenen Blüten Plastizität, die Kontraste
korrespondieren. Ein monochromes Bild wie dieses benötigt in besonderem Maße
eine Ausleuchtung, die durch gezieltes Licht-Schattenspiel Wesentliches
hervorhebt und die Bildelemente gegeneinander abgrenzt. Deshalb war hier eine
leicht aufhellende, sonnenähnliche seitliche Ausleuchtung das Gegebene.
Nature morte; Hauptlicht rechts, Aufhellung links [Foto: Jürgen Rauteberg]