Rubrik: Motive und Situationen

Beweise sichern (Digitalkameras für Gutachter)

2003-03-24 Der Gutachter-Gilde konnte nichts Besseres passieren als die Digitalfotografie. Nicht nur die Kamera selbst ist kleiner und leichter handhabbar als entsprechendes analoges Gerät, auch der Einsatz beispielsweise auf schwierigem Gelände, im Nahbereich und bei professioneller Ausleuchtung heikler Motive wird wesentlich erleichtert. Ganz wichtig natürlich die schnelle Verfügbarkeit der Resultate.  (Jürgen Rautenberg)

  
 
 
 
 

Gutachter sind in erster Linie Fachleute auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet. Die Fotografie als Beweismittel ist zwar als eminent wichtig erkannt, blieb aber bei manchem ein Stiefkind, weil die Komplexität von Gerät und Technik nicht selten abschreckte. Überzeugen können nur Fotos, die den Sachverhalt eindeutig dokumentieren. Das erfordert Kenntnisse der Fototechnik. Die in der Einleitung angeführten Vorteile der Digitalkamera kommen dem entgegen; die Möglichkeiten der Aufgabenbewältigung sind vielfältiger, die Technik einfacher.

Nur mit gezielter Ausleuchtung des Motivs lassen sich Materialfehler oder Beschädigungen hervorheben. Der eingebaute Blitz reicht zwar von der Stärke her für bis zu maximal 3 bis 5 Meter entfernte Motive aus. Jedoch kommt sein Licht immer aus Richtung Kamera. Das verhindert Schattenbildung im Motiv. Aber erst aus dem Zusammenspiel von Licht und Schatten können (fehlerhafte) Strukturen im Bild sichtbar gemacht werden. Hier muss mit einem frei im Raum platzierten (sog. "entfesselten") Zweitblitz nachgeholfen werden. Diese elegante wie technisch einfache Lösung wird ausführlich in dem Tipp "Der entfesselte Blitz" vorgestellt.

Alternativ kann man – anders als in der analogen Fotografie, wo für deren Einsatz ein spezieller Film erforderlich wäre – in der Digitalfotografie auch andere Lichtquellen einsetzen; Glühlampen oder Halogenlampen mit einer Mindeststärke von etwa 200 bis 300 Watt. Wegen der von Tages- und Blitzlicht abweichenden Farbtemperatur sollte der Weißabgleich manuell auf die entsprechende Lichtart eingestellt werden.

Schäden an kleineren Gegenständen verlangen das Fotografieren winziger Details. Viele Digitalkameras ermöglichen solche Fotos bereits serienmäßig ohne die in der analogen Fotografie erforderlichen Vorsätze wie etwa Nahlinsen, Achromate oder Verlängerungstuben. Die Möglichkeit, Motiv und Ausschnitt schon vor der Aufnahme im Display zu kontrollieren, bietet zusätzlichen Komfort. Allerdings schluckt das Display relativ viel Strom. So lange Sie es nicht wirklich benötigen, sollten Sie es besser abschalten.

Und noch ein Extratipp: Setzen Sie beim Kauf einer Digitalkamera nicht ausschließlich auf eine hohe Pixelzahl und langen Zoombereich. Achten Sie lieber auf jene Features, die Sie für Ihre speziellen Aufgaben benötigen:

  • Möglichst lichtstarkes Qualitäts-Objektiv (größte Blendenöffnung F2 oder besser).
  • Einstellung für Nahaufnahmen (Makrofunktion). Achten Sie darauf, wie sich die Nahgrenze bei verschiedenen Zoomstellungen verändert. Viele Kameras erreichen die kürzeste Aufnahmedistanz nur in Weitwinkelstellung, Sie möchten jedoch eine möglichst starke Vergrößerung durch eine lange Brennweite erreichen. Wenn die Kamera in Telestellung erst ab 1 Meter scharf stellt, haben Sie wenig gewonnen.
  • Manueller Weißabgleich; möglichst nicht nur mit manuellen Voreinstellungen, sondern mit richtiger Einmessfunktion.
  • Vorgabe der Belichtungszeit (Blendenautomatik) zur Vermeidung von Verwacklung beim Einsatz von Kunstlicht.
  • Vorgabe der Blende (Zeitautomatik). In Verbindung mit einem Stativ können Sie so eine kleine Blendenöffnung (z. B. F8 oder F11) vorwählen und erhalten so den größten Schärfebereich in ihrem Foto (Schärfentiefe).
  • Stativanschluss (hat zum Glück sowieso jede "richtige" Kamera).
  • Einige Kameras bieten die Möglichkeit, das Datum (und evtl. die Uhrzeit) fest mit ins Bild "einzubelichten". Eventuell ist das für Sie nützlich. Das Aufnahmedatum können Sie bei richtig eingestellter Uhrzeit der Kamera aber auch später jederzeit am Dateidatum ablesen (dass Sie als Gutachter die unveränderten Original-Kamerabilder archivieren dürfte selbstverständlich sein).

Als Zubehör ist ein Stativ empfehlenswert, mit dessen Hilfe Sie den Ausschnitt exakt festlegen und bei schwachem Licht Verwacklung vermeiden können. Und wenn die Kamera auf dem Bau Staub und Schmutz ausgesetzt wird, gönnen Sie ihr eine stabile, gegen Stoß geschützte Tasche, die auch Ersatzspeicherkarte, Ersatzakku und, jedenfalls in der ersten Zeit, die gedruckte Bedienungsanleitung aufnehmen kann.

Bild 1  Das Foto zeigt einen Stoßschaden an einer Tür. Es wurde mit dem eingebauten Blitz aufgenommen. Nach dem Gesetz "Einfallswinkel = Ausfallswinkel" wird das Licht in die Kamera zurückgeworfen (reflektiert); eine Überstrahlung ist die Folge. Gleichzeitig wird die weiße Tür zu dunkel wiedergegeben. Die Ursache: Der Belichtungsmesser belichtet jedes Bild zu mittlerer Helligkeit (etwa mittelhelles Grau). Entspricht das Motiv dieser nicht, muss die Belichtung vor der Aufnahme korrigiert werden.

Bild 2  Ein Zusatzblitz, schräg seitlich vom Motiv platziert und vom eingebauten Blitz gezündet, löste das erste Problem; Licht und Schatten gemeinsam sorgen für optimale Erkennbarkeit des Schadens. Auch die Überstrahlung ist verschwunden. Um optimale Motivhelligkeit zu erzielen, wurde die Belichtung auf "+1,5" korrigiert; die Tür erhielt ihr originales Weiß zurück.

Bild 3  Aufnahme mit einer Leuchtstofflampe (Weißabgleich auf "Leuchtstoff"), die – wie aus dem Schattenfall erkennbar – das Motiv von schräg links anstrahlt. Bei solchem "Streiflicht" erkennen Sie deutlich jede Noppe der Rauhfasertapete, ebenso jede geflickte Stelle. Bei Verwendung des eingebauten Blitzes sähen Sie nichts weiter als eine weiße Fläche – probieren Sie es aus! Hinweis: Beim Ausleuchten mit Kunstlicht muss das eingebaute Blitzgerät natürlich abgeschaltet sein.

Bild 4 und 5  Der Mess-Stab zeigt die Größenverhältnisse in der Übersichtsaufnahme an. Die oberen 20 cm weisen auf die Schadensstelle hin. Diese wird im letzten Bild als ca. 6 x 9 cm großes Detail herausgegriffen. Ausleuchtung: Glühlampe 200 Watt von links, Weißabgleich auf "Glühlampen" bzw. "Kunstlicht", Kamera zur Vermeidung von Verwacklung auf ein Stativ montiert.
 

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