Rubrik: Bildgestaltung
Bildausschnitt, der vernachlässigte Infoträger
2000-07-03 Wählt der Fotograf einen falschen Bildausschnitt, dann verschenkt er die Chance, dem Betrachter seine Bildbotschaft so überzeugend wie möglich zu vermitteln. Jeder Ausschnitt, ob eng oder weit, Panorama oder Detail, kann seine Berechtigung haben und die Intention des Fotografen verdeutlichen. Wichtig ist in allen Fällen eine gewisse Logik im Miteinander von Motiv und Umfeld. (Jürgen Rautenberg)
Inder [Foto: Jürgen Rauteberg]
Jedes Bild besteht aus zwei Elementen; dem Motiv und dem Umfeld.
Das Motiv beinhaltet das, was der Fotograf dem Betrachter zu sagen
hat. Das Umfeld enthält, was um das eigentlichen Motiv herum noch
im Bild erscheint. Bei der Aufnahme kann man so mit seinem Motiv
beschäftigt sein, dass man übersieht, was ringsherum passiert. Der
Bildausschnitt gerät zu weit oder zu eng, zu unruhig oder zu
langweilig. Die Vernachlässigung dieses Aspektes zählt zu den
fotografischen Kardinalsünden.
Erscheint das Motiv zu klein in einem großen Umfeld, verliert es
seine Wirkung; es sagt dem Betrachter nichts mehr. Enthält das
Umfeld zudem Bildelemente, die überhaupt nichts mit der
gewünschten Information zu tun haben, wird das Bild sogar "kontrainformativ".
Überflüssige Informationen wirken, als plappere in einem
konzentrierten Gespräch jemand ständig dazwischen. Bildbetrachter
sind nicht immer die aufmerksamsten Leute; man muss sie mit der Nase
auf das stoßen, was man ihnen sagen will.
Auf Mykonos [Foto: Jürgen Rauteberg]
Nutzen Sie das Umfeld, um darin zusätzliche Infos, Ergänzungen,
Lokalkolorit oder was immer unterzubringen; denken Sie kreativ! Ein
gedachtes Beispiel: "Hier sehen Sie Emma während unseres
Urlaubs in Paris". Dummerweise zeigt das Foto Emma jedoch nicht
etwa vor Eiffelturm oder Seinebrücke, sondern vor einem Gebüsch in
einem Park, wie man ihm dutzendweise in Städten rund um den Globus
begegnet. So verschenkt man Botschaften!
Enthält das Motiv alles, was der Autor zu
sagen wünscht, dann muss es für sich allein wirken und
logischerweise das ganze Bildfeld füllen. Ein zu enger
Bildausschnitt aber verhindert Zusatzinfos und unterschlägt
eventuell Aussagen, die beim Betrachter ein "Aha-Erlebnis"
auslösen könnten. Die Darstellung verliert an Interesse, anstatt
es zu wecken.
Kanalschiff [Foto: Jürgen Rauteberg]
Äußerst aussagekräftig kann der Teilausschnitt eines Motivs
sein. Ob Konstruktionselement, Architektur, Stilleben oder das Ruder
eines Kanalschiffes ein gut gewähltes Detail sagt oft mehr aus
als das Ganze. Es vermittelt dem Betrachter Informationen, die bei
der Darstellung des vollständigen Motives in einer Infomasse
untergehen würden.
Kanalschiff mit Spiegelung [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 1 Der Bildausschnitt kann eng
oder weit gefasst sein. Entscheidend ist die Intention des
Fotografen. Das markante Gesicht des Inders muss das ganze Bildfeld
füllen, wenn es wirken soll.
Bild 2 Als Beispiel für ein
informatives Landschaftsmotiv hier Ursula Kuprats Foto "Auf
Mykonos". Das rote Boot beherrscht zweifelsfrei das Bild. Die
Architektur darüber wird mittels Weitwinkeleinsatz sowie leichter
Unschärfe ruhig im Hintergrund gehalten; das unterstützt die
Aussage durch Lokalkolorit, ohne sich aufzudrängen.
Beispiel für zu großen Vordergrund [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 3 und 4 Bild 3 dokumentiert: So
sieht des Heck eines Kanalschiffes aus. Bild 4 geht über die Doku
hinaus; es abstrahiert die Darstellung auf die schwarzen und roten
Motivteile und wiederholt sie in der Spiegelung. Eine
"Farb-Impression", wie wir sie immer wieder genießen
können wenn wir unsere Umwelt mit wachen Augen betrachten.
Bild 5 Ohne Zweifel ist der dunkle
Vordergrund zu groß. Scheuen Sie sich nicht, vom vorgegebenen
Bildformat im Seitenverhältnis 4:3 oder 2:3 abzuweichen und
schneiden Sie einfach weg, was stört.