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Blitztechniken Teil 1: Einführung und allgemeine Blitzfunktionen

2012-07-30 Ganz gleich ob einfache Kompakt- oder ausgewachsene Systemkamera – moderne Fotoapparate steuern die Blitzbelichtung fast ebenso zuverlässig wie die Belichtung ohne zusätzliches Blitzlicht. Das gilt jedoch in der Regel nur für das Hauptmotiv, das sich zudem naturgemäß innerhalb der Reichweite des Blitzgerätes befinden muss. Wie aber regelt eine Digitalkamera überhaupt die Leistung des Blitzlichts? Auf diesen sowie weitere technische Aspekte der Blitzlichtfotografie geht der erste Teil unserer kleinen Serie ausführlich ein. Im zweiten Teil wird es dann um die verschiedenen Blitzfunktionen gehen. Teil 3 zeigt schließlich, wie sich das Blitzlicht in der fotografischen Praxis optimal einsetzen lässt.  (Martin Vieten)

Kamera auf das Motiv scharf stellen und auslösen – mehr braucht es heute nicht, um ein technisch gelungenes Foto aufzunehmen. Reicht das Licht nicht aus, schalten die allermeisten Apparate automatisch das integrierte Blitzgerät hinzu, es sorgt für zusätzliche Beleuchtung. Welche Lichtmenge das Blitzgerät abgibt, wird dabei standardmäßig vollautomatisch geregelt. Das gilt auch für Systemblitzgeräte, die via Blitzschuh auf die Kamera aufgesteckt werden. Was sich so einfach anhört, ist indes ein recht komplexer Vorgang, der sich innerhalb weniger Millisekunden abspielt. Heutige Kameras messen beim Blitzeinsatz die Lichtmenge, die durch das Objektiv fällt. Diese TTL-Messung (TTL: through the lens, „durch die Linse“) funktionierte bei analogen Kameras recht einfach: Ein Sensor nimmt hier die Lichtmenge auf, die vom Filmmaterial reflektiert wird und regelt die Blitzleistung entsprechend. Bei Digitalkameras geht das allerdings nicht mehr so einfach, die Reflexionseigenschaften des Bildsensors stehen dem Verfahren im Wege. Also ermitteln Digitalkameras die optimale Blitzleistung vorab durch eine Reihe von Messblitzen. Erst dann wird der Fototipp Blitzen: TTL-Messung [Foto: Martin Vieten]Verschlussvorhang geöffnet und die Belichtung beginnt. Diese Messblitze sind übrigens nicht mit den Vorblitzen zu verwechseln, die zur Reduktion rotgeblitzter Augen dienen. Die Messblitzsalve nimmt nur wenige Millisekunden in Anspruch und wird in der Regel überhaupt nicht wahrgenommen. Lediglich bei Portraitaufnahmen in sehr dunkler Umgebung können sie dazu führen, dass der Lidschlussreflex bereits vor dem Hauptblitz ausgeführt wird, die Portraitfotos zeigen dann „Schlafaugen“.

Um die Blitzleistung korrekt zu steuern, muss die Kameraelektronik zudem die Motivdistanz kennen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Kamera die Belichtung zum Beispiel an einem unscharfen Vordergrund ausrichtet, das weiter entfernte Motiv in der Fokusebene würde dabei nicht ausreichend vom Blitzlicht illuminiert. Denn je weiter das Motiv entfernt ist, desto mehr Blitzlicht wird für eine korrekte Belichtung benötigt. Dazu werten moderne TTL-System die Entfernungseinstellung des AF-Systems aus. Bei Nikon ist diese Erweiterung der TTL-Messung Teil des Creative Lighting Systems (CLS), Canon nennt sie E-TTL, Pentax P-TTL und bei Systemkameras von Sony beziehungsweise Minolta heißt sie ADI (Advanced Distance Integration). Diese ausgefuchste Technik ermöglicht es, dass geblitzte Aufnahmen meist optimal belichtet sind – solange das Motiv innerhalb der Reichweite des Blitzlichts liegt. Das gilt jedoch stets nur für das eigentliche Hauptmotiv. Soll auch das Umgebungslicht mit einbezogen werden, etwa bei Gegenlichtaufnahmen oder Nachtportraits, muss die Kamera entsprechend eingestellt werden – mehr dazu in Teil 2 und 3 unserer kleine Serie zur Blitzlichtfotografie.

Wie weit reicht aber nun das Blitzlicht? Das hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen zum Beispiel die Brennweite, die ISO-Empfindlichkeit sowie die Blendenzahl. Und natürlich die Leistungsfähigkeit des Blitzgeräts. Sie wird mit der Leitzahl angegeben, genauer: der Leitzahl bei ISO 100, 50 Millimeter Brennweite und der Blendenzahl F1.0. Die Leitzahl selber ist definiert als das Produkt von Blendenzahl mal Motivabstand in Metern. Ein typischer Bordblitz einer DSLR mit Leitzahl 12 reicht also bei Blende F4 drei Meter weit, typische Kompaktkameras haben meist eine Leitzahl von maximal 6, also nur die halbe Reichweite. Ein Systemblitz mit Leitzahl 48 leuchtet dagegen auch ein Motiv in zwölf Metern Entfernung noch aus. Die folgende Tabelle zeigt, welchen Einfluss Blitzleistung und Blende auf die Blitzreichweite haben:

Blende 1,4 2 2,8 4 5,6 8 11 16 22
Reichweite in Meter bei Leitzahl 12 8,57 6,00 4,29 3,00 2,14 1,50 1,09 0,75 0,55
Reichweite in Meter bei Leitzahl 48 34,29 24,00 17,14 12,00 8,57 6,00 4,36 3,00 2,18

Wird die ISO-Zahl verdoppelt, wächst bei gleichbleibender Blendenzahl die maximale Leuchtweite des Blitzlichts übrigens nur ungefähr um den Faktor 1,4. Eine deutlich höhere Blitzleistung wird zudem benötigt, wenn das größere Bildfeld eines Weitwinkelobjektivs ausgeleuchtet werden soll.

Einfluss auf die Blitzbelichtung haben Blende und ISO-Zahl – nicht aber die Belichtungszeit. Blitzröhren brennen heute innerhalb von 1/4.000 s oder sogar noch schneller völlig ab, sie stellen also die gesamte Blitzleistung innerhalb dieses sehr kurzen Zeitraums bereit. Da macht es zunächst keinen Unterschied, ob der Kameraverschluss während dieser Zeit 1/1000s oder 1/200s geöffnet ist – Hauptsache der Blitz löst währenddessen aus. Bei vielen Kompaktkameras ist es in der Tat möglich, auch bei kürzester  Belichtungszeit  den Blitz zu verwenden. DSLR- und Systemkameras können dagegen die Belichtungszeit maximal bis zu etwa 1/250 s mit dem Blitzlicht synchronisieren. Diese Blitzsynchronzeit wird nämlich durch die Bauart des Verschlusses bestimmt, bei DSLR- sowie Systemkameras ist er bis auf wenige Ausnahmen stets als Schlitzverschluss ausgeführt. Er funktioniert ähnlich wie der Bühnenvorhang eines Theaters, der aus zwei Hälften besteht. Dabei ist eine Hälfte so groß, dass sie den Sensor komplett abdeckt. Wird die Kamera ausgelöst, wandert die erste Hälfte des Vorhangs zum Beispiel nach unten. Um die Belichtung zu beenden, folgt die zweite Hälfte und schließt den Vorhang wieder.

Fototipp Blitzen: Blitzsynchronisation [Foto: Martin Vieten]

Solange der zweite Vorhang erst fällt, wenn der erste den Blick auf den Sensor komplett freigegeben hat, ist das für den Blitz kein Problem. Bei sehr kurzen Belichtungszeiten fällt der zweite Vorhang indes bereits, bevor der erste gänzlich geöffnet ist – es wandert also nur ein schmaler Schlitz über den Sensor. Da der Blitz aber deutlich kürzer leuchtet, als der Verschluss geöffnet ist, wird jetzt nicht mehr die komplette Sensorfläche beleuchtet, sondern nur noch ein schmaler Streifen. Die kürzeste Belichtungszeit, bei der der Verschlussvorhang gerade noch komplett geöffnet ist, wird als Blitzsynchronzeit bezeichnet. Hochleistungsblitzgeräte können dieses Problem mit einem Trick etwas mildern: Sie feuern nicht nur einen kräftigen Blitz ab, sondern eine ganze Salve an schwächeren über die gesamte Belichtungszeit. Mehr zu dieser High-Speed-Synchronisation bringt der zweite Teil unserer kleinen Tipp-Serie rund ums Blitzen. Außerdem geht es dort um die Frage, wie man Blitz- und Umgebungslicht perfekt mischt und wie sich Bewegungen mit dem Blitzlicht einfangen lassen.

Fototipp Blitzen: Blitzsynchronisation [Foto: Martin Vieten]

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