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Das improvisierte Makrostudio im Herbst
2012-10-22 Kleine Dinge ganz groß abzubilden ist eine der interessantesten Facetten der Fotografie. Um einen schönen Einstieg in dieses Thema zu bekommen, braucht man nicht sonderlich viel. Es reichen schon Nahlinsen, ein Stativ und ein improvisierter Fototisch. Passend zu Herbst präsentieren wir in diesem Fototipp wie man leicht Blätter und deren Strukturen in Szene setzen kann und wie man einen Glastisch zu einem echten Werkzeug für Makrofotografie umfunktionieren kann, beziehungsweise aus ein paar Glas- oder Acrylplatten sich selber einen solchen Tisch improvisieren kann. (Harm-Diercks Gronewold)
Als Fotoobjekte haben wir uns für Blätter entschieden. Eines davon fast nur noch ein Skelett und das andere getrocknet. Um die Blätter möglichst plan zu bekommen, empfiehlt es sich diese zwischen Büchern mit Löschpapier zu pressen. Haben die Blätter ein bis zwei Tage überstanden, so können sie als Fotomodelle benutzt werden. Damit die Blätter auch bei der Aufnahme schön glatt und unbeweglich bleiben, sollen sie von zwei Glasplatten gehalten werden. Um eine solche Vorrichtung zu bauen, benötigt man ein wenig Material. Zum einen Glas- oder Acrylplatten. Diese sollten nicht zu dick und nicht zu dünn sein, etwa 3-5 Millimeter ist für die geplanten Objekte ausreichend. Wird
Glas verwendet, dann ist unbedingt darauf zu achten, dass das Glas bruchsicher ist. So eignen sich zum Beispiel Glaseinlegeböden von Vitrinen hervorragend für diesen Einsatz. In unserem Fall haben wir 400 x 400 Millimeter Glasplatten benutzt, die sehr stabil, aber durch Ihre Größe auch etwas umständlich zu handhaben sind. Als Fokushilfe genügt eine Taschenlampe und als Hauptbeleuchtung reicht eine Schreibtischlampe mit flexiblem Kopf oder ein Blitzgerät, welches per Kabel oder Funkauslöser ausgelöst werden kann. Aber auch ein Couch- oder Beistelltisch mit Glasplatte kann hervorragend für solche Fotos eingesetzt werden.
Als Tischersatz haben wir zwei herkömmliche Stühle genommen. Auf diese wurde in einen leicht abzudunkelnden Raum Schaumstoff platziert, um die erste Glasplatte sicher und vibrationsgeschützt zu lagern. Diese erste Glasplatte ist unser Objektträger, auf den wir nun die Blätter platzieren. Dies sollte so geschehen, dass man sie möglichst leicht in einem steilen Winkel fotografieren kann. Hier bietet sich ein Stativ mit heraus schwenkbarer Mittelsäule an (zum Beispiel Manfrotto 055 XPro). Nun wird die Kamera ausgerichtet, der Bildausschnitt festgelegt sowie fokussiert (manueller Fokus). Danach wird das Licht gesetzt. Je nach Lichtleistung und Objektart muss darauf geachtet werden, dass die Lichtquelle nicht direkt in das Objektiv der Kamera leuchtet, es sei denn ein Diffusor wird benutzt. Wir empfehlen den manuellen Betriebsmodus der Kamera, um jederzeit volle Kontrolle zu behalten, sowie die manuelle Einstellung des Weißabgleichs auf das vorherrschende Licht. Bei den Kameraeinstellungen ist es wichtig, den Bildstabilisator auszuschalten sowie bei langen Belichtungszeiten die Spiegelvorauslösung zu aktivieren. Besitzt die Kamera keine solche Funktion, so kann auch der Selbstauslöser dafür "missbraucht" werden. Eine hohe Blendenzahl ist empfehlenswert um einen hohen Schärfebereich zu gewährleisten. Allerdings schlägt hier irgendwann die Beugungsunschärfe zu und sorgt für abnehmende Bildschärfe.
Jetzt wird der Raum abgedunkelt und verschiedenste Lichtsituationen können ausprobiert werden. So sorgt Licht in einem flachen Winkel für die Betonung der Oberfläche und sorgt für Schatten bei welligen Objekten. Licht von unten erzeugt starke Lichtkanten und betont bei zerfallenen Blättern für starke Kontraste. Das Licht kann aber auch Objekte richtig "durchleuchten". Setzt man das Licht direkt von oben, so "flacht" das Licht die Strukturen ab, zeigt jedoch bei lichtundurchlässigen Objekten die höchste Detailausbeute. Es ist empfehlenswert, das Licht in einem flachen Winkel zum Objekt einzusetzen, dies ist besonders wichtig, wenn das Licht auf der Kameraseite platziert wird, da hier Reflektionen der Lichtquelle schnell sichtbar werden. Direktes Licht, welches durch das Objekt scheinen soll, kann eingesetzt werden, hier empfiehlt sich jedoch der Einsatz eines Diffusors. Dieser kann entweder aus einem Stück weißem Butterbrot- oder Backpapier gebaut werden. Wichtig ist nur, dass dieser Diffusor nie direkt auf dem Blitz oder der Dauerlichteinheit liegen darf (Brandgefahr).
Besitzt man keinen abdunkelbaren Raum, kann man einen solchen Aufbau auch für andere Makrofotos benutzen. Zwar ist das Lichtsetzen nicht mehr ganz so universell, dafür kann man seine auf dem Glas befindlichen Objekte mit vorhandenen Hintergründen "aufmotzen". In unserem Beispiel haben wir auf das Blatt fokussiert und unter die Tischplatte einen alten Kalender platziert der sich im Bokeh des Bildes verliert. Diese "Schärfe" kann beeinflusst werden, wenn das Hintergrundbild zur Glasplatte hin oder von ihr wegbewegt wird.
Abschließend ist noch anzumerken, dass unbedingt auf Fussel, Fingerabdrücke und Kratzer geachtet werden sollte, da diese, abhängig vom Lichtwinkel sichtbar sein können. Selbstverständlich kann man die zweite Glasplatte zum fixieren der Objekte auch weglassen, wenn die Objekte flach genug sind und dann ohne diese fotografiere. Des Weiteren kann man den Objektträger auch als echte Fototischunterlage benutzen um Objekte "schweben" zu lassen, dazu benötigt man dann allerdings die Möglichkeit die unmittelbare Umgebung abzudunkeln, um so ein kleines, feines Makrostudio zu erhalten, das nicht viel Kostet und kaum Platz verbraucht.