Rubrik: Motive und Situationen
Die kleinen Freuden
2002-09-09 Diese kleine Form der Fotografie braucht man nicht zu erlernen. Sie erfordert kaum technisches Wissen. Nur die Fähigkeit, Motive zu entdecken. Unscheinbar am Wegesrand oder wo immer man, zielgerichtet oder zufällig, hinschaut. Und man braucht das Stilgefühl, sie gut ins Bild zu setzen. (Jürgen Rautenberg)
Eierlegende Qualle [Foto: Jürgen Rauteberg]
Fotografen der kleinen Form sind pure Genießer. Obwohl sie Dinge
fotografieren, die andere nicht einmal bemerken. Ob Presse-, Mode-,
Landschafts- oder sonst ein Fotograf; wer nicht sieht, läuft an viel
Interessantem vorbei. Wenn Sie ohne ein bestimmtes Ziel unterwegs sind,
sollten Sie schlendern, anstatt zu hasten, und sich umschauen. Das ist
Therapie; Sie werden schön ruhig. Und Sie entdecken eine Menge Dinge, die
sich erst auf den dritten Blick als Motiv outen, so unscheinbar scheinen
sie. Schalten Sie Beruf oder persönliche Unbill ab. Stress und Kreativität
funktionieren nicht zusammen. Wer unbeschwert ist, sieht besser. Zum
Beispiel Motive, bei denen man überrascht fragt: "Hey, wo hast du das
gefunden?". Vier solcher Motive aus der persönlichen Freudenkiste des
Autors zeigen wir hier.
Haben Sie schon einmal eine Eier legende Qualle gesehen? Hier treibt sie in
einem südlichen Hafen und lässt die Eier rieseln. Das ist keine Sensation,
sondern ein sich millionenfach wiederholender Vorgang, nur – wer bemerkt es? Und
freut sich daran?
Sommerhüte [Foto: Jürgen Rauteberg]
Die Strohhütchen mit hellfarbenen Bändchen erzählen nichts weiter, als dass
es Sommer ist und man ihn genießen soll. Und das Foto ist nichts weiter, als
eine Erinnerung daran. Erinnerung braucht der Mensch. Und sogar dem
Geschäftsinhaber machen Sie eine kleine Freude.
In einer der ältesten Gassen der Athener Altstadt unterhalb der Akropolis
liegt an einem Hang, versteckt zwischen pittoresken Häuschen, ein Garten. Kein
deutscher Vorgarten mit Rosen und Zwergen, sondern unbeschwert sprießendes Grün
und Bunt. Dazwischen aber hat der Eigner handteller- bis tellergroße
Freskenbrocken mit Putten, Pferden, Fischen, Heiligen platziert.
Dornröschengleich beschützt von dichtem Dorngestrüpp. Eine lange Brennweite war
allerdings nötig, um durch das Gestrüpp hindurch die relativ kleinen Motive zu
erfassen.
Freskenbrocken [Foto: Jürgen Rauteberg]
Fachwerkfotos gibt es en masse, sie waren eine Zeit lang "in". Heute kann man
damit kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Es sei denn, das Motiv ist so
unscheinbar wie dieses. Es prunkt nicht mit Farben und erfolgreicher
Restaurierung, sondern ist einfach in sich stimmig: Ein Zusammenklang zwischen
den dynamisch angeordneten kräftigen Balken in hartem Schwarzweißkontrast und
den leichten, gefällig runden Form-Wiederholungen der Kätzchengardine.
Wenn Sie so einen Schlendertag machen, schalten Sie die Kamera zu Beginn ein;
dann sind Sie stets aufnahmebereit. Schalten Sie aber das Display aus, dann
halten die Akkus länger. Wollen Sie den Bildaufbau beurteilen, können Sie das
Display immer noch kurzzeitig aktivieren.
Fachwerk [Foto: Jürgen Rauteberg]