Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Grundlagenwissen

Die richtige Belichtung erkennen Teil 3

2018-01-01 In diesem dritten Teil der vierteiligen Fototipp-Reihe von Fachbuchautor Sam Jost dreht sich alles um die Ermittlung der richtigen Belichtung mithilfe des Histogramms. Der Autor erklärt dem Leser anhand vieler Beispielbilder, wie ein Histogramm zu "lesen" ist und welche Informationen sich daraus für eine korrekte Belichtung ableiten lassen.  (Sam Jost)

Weg 3: Das Histogramm

Der dritte und wohl komplexeste Weg ist das Histogramm, eine Anzeige, die Auskunft darüber gibt, wie die Helligkeit im Bild verteilt ist. Wer anfängt, das Histogramm zu verstehen, schwört für die Beurteilung der Helligkeit manchmal einzig auf das Histogramm. Dies ist jedoch nicht ohne Fallstricke.

Das Histogramm zeigt die Verteilung der Helligkeit über das Foto. Ganz links ist Dunkel (Schwarz), ganz rechts ist Hell (Weiß), dazwischen die entsprechenden Abstufungen. Je mehr Pixel einer Helligkeit im Bild vorhanden sind, desto höher ist der Hügel, der dort gezeigt wird. Hier ein Bild in drei verschiedenen Helligkeiten, damit Du sehen kannst, wie sich das Histogramm mit der Helligkeit verändert. Ich habe bewusst ein sehr eintöniges Wolkenbild genommen, damit die Veränderung auf dem Histogramm besser zu sehen ist.

Belichte ich das Bild dunkler, so wandern die Hügel des Histogramms nach links in Richtung Schwarz. Wenn ich umgekehrt das Foto heller mache, so wandert der Hügel für den Hintergrund im Histogramm nach rechts in Richtung Weiß. Je dunkler das Foto, desto linkslastiger ist das Histogramm. Je heller das Foto, desto rechtslastiger ist das Histogramm. Wichtig beim Histogramm ist, wie weit die Hügel vom linken (Schwarz) oder rechten (Weiß) Rand des Histogrammes entfernt sind oder ob sie diese seitlichen Ränder berühren. Nicht weiter wichtig ist, ob die Hügel an die obere Kante des Histogrammes kommen und dort abgeschnitten werden. Auf der Kamera kann ich mir das Histogramm pro Farbkanal anzeigen lassen:

So kann ich pro Farbkanal sehen, wie die Helligkeit verteilt ist. Das wird wichtig, wenn, wie in meinem Beispielbild, eine Farbe dominant ist: Obwohl das allgemeine (weiße) Histogramm direkt unter dem Bild noch recht mittig wirkt, ist das Histogramm für Blau schon ziemlich weit rechts und zeigt damit, das Blau kurz vor der Überbelichtung steht. Zur weiteren Erklärung des Histogramms zeige ich im Folgenden ein paar Bilder, jeweils mit dem zugehörigen Histogramm unten in der Ecke und einem Kommentar.

Dunkles Bild

Bei einem dunklen Foto sind die Erhebungen im Histogramm linkslastig. Bei diesem Bild eines Mischpultes in einer Musikkneipe schlägt das Histogramm sogar links am Rand an, was bedeutet, dass Teile vom Foto gar nicht belichtet, sondern tiefschwarz sind:

Vielleicht ganz interessant ist, dass selbst bei diesem dunklen Bild die Überbelichtungswarnung zuschlug und durch Blinken anzeigte, dass die LED-Lämpchen auf dem Mischpult überbelichtet sind. Fotos in Kneipen und Diskotheken, im Theater und von Konzerten neigen oft dazu, eher dunkel zu sein und damit recht linkslastige Histogramme zu produzieren. Auch ein eher dunkel fotografiertes Gesicht erzeugt ein eher linkslastiges Histogramm, wie auf diesem Portrait schön zu sehen ist:

Helles Bild

Bei hellen Fotos ist das Histogramm dagegen rechtslastig. Bei diesem Foto eines Blattes am Strand schlägt es rechts nicht an, es gehen also keine (bzw. kaum) Bilddaten durch Überbelichtung verloren:

Die Belichtungsautomatik hätte dieses Foto dunkler gemacht. Ich hingegen finde, dass Strand, Sonne, Wasser und Lichtstimmung in dieser helleren Fassung viel besser beim Betrachter ankommen.

Noch ein eher helles Foto, wobei man hier schön sieht, wie das Histogramm zum Dunklen hin langsam abflacht:

Blaues Wasser und tiefblauer Himmel führen bei Sonnenschein zu eher hellen Fotos und damit zu rechtslastigen Histogrammen. Ich hätte dieses Foto auch dunkler belichten können, um kräftigere Farbe in den Himmel zu bekommen, doch zum Schnee fand ich ein helles Foto passender. Wenn Du anfängst, mit Histogrammen zu arbeiten, solltest Du darauf achten, wie Histogramme bei verschiedenen Motiven in etwa aussehen. Jede Art von Motiv hat ihre typische Verteilung im Histogramm, und um es zu beurteilen, ist es sehr hilfreich, diese zumindest im Ansatz zu kennen oder erahnen zu können.

Helles und Dunkles im Schatten

Auch wenn in einem Motiv nichts wirklich strahlend weiß und nichts pechschwarz ist, kann es trotzdem gut aussehen. Hier beispielsweise mal ein Foto von Graffitis an einer Häuserwand. Die Wand lag im Schatten, die Farben waren eher gedämpft. Dies spiegelt sich im Histogramm wieder: weder vollständiges Schwarz noch absolutes Weiß kamen im Motiv viel vor. Nicht jedes Motiv enthält Schwarz und Weiß, nicht jedes Foto muss das Histogramm völlig ausfüllen.

Helles und Dunkles mit Sonne

Wenn Du Dir ein Motiv ansiehst und dieses sowohl dunkle als auch helle Flächen hat, dann wird sich das natürlich auch im Histogramm zeigen. Hier als Beispiel mal ein Katzenportrait, bei dem Du im Histogramm schön sehen kannst, dass die dunklen und hellen Flächen jeweils für höhere Hügel im Histogramm sorgen:

Ebenfalls nicht uninteressant: Das Histogramm der Katze schlug links und rechts leicht an. Dies bedeutet, dass es sowohl tiefschwarze als auch reinweiße Stellen im Bild gibt, also Stellen, wo das Bild völlig über- oder unterbelichtet ist. 

Ein Fotograf sagte einmal: „Lass Dein Schwarz auch wirklich schwarz und Dein Weiß auch wirklich weiß.“ Wenn ich versucht hätte, die über- und unterbelichteten Stellen des Fotos zu retten, indem ich den Kontrast des Fotos verringere, würde es flau wirken. Also keine Angst davor, auch mal Stellen über- oder unterzubelichten. Wichtig ist, ob das Ergebnis gut aussieht (wieder ein Grund mehr, warum ich auch immer auf den subjektiven Bildeindruck achte). Besonders Problematisch sind kontrastreiche Fotos, bei denen sowohl Himmel als auch sonnenbestrahlte Landschaft wie auch Bildteile im Schatten vorkommen. Das Histogramm erstreckt sich über die volle Breite. Daran kannst Du sehen, dass es sich um ein kontrastreiches Bild handelt:

Doch Vorsicht: Wenn zu große Flächen des Fotos weiß überstrahlen und zugleich andere große Flächen schwarz zulaufen, wird der Kontrast zu groß. Dann sehen diese Fotos meist flau aus:

Bei diesem Foto ist der Himmel sehr hell, die Landschaft liegt im Schatten und ist sehr dunkel. Das Bild wirkt nicht mehr, es sieht einfach nur diesig und grau aus. Dabei sieht das Histogramm gar nicht so viel schlechter aus als das vom Tower weiter oben. Einziger Hinweis ist die doch recht flache Mitte des Histogramms. An diesen Beispielen kannst Du sehen, dass das Histogramm nicht ganz einfach zu interpretieren ist.

Dieser Fototipp ist ein Auszug aus dem Buch "Manuell Belichten" von Sam Jost.Dieses E-Book von Sam Jost war unser "Versuchsballon" beim Vertrieb von E-Books als PDF auf digitalkamera.de und wurde zur Erfolgsgeschichte, die uns ermuntert unsere E-Book-Rubrik im Sommer 2015 komplett zu renovieren und zu erweitern. Der Erfolg liegt natürlich nicht an uns, sondern vor allem an dem tollen Buch selbst, das ganz offenbar genau die Fragen beantwortet, die sich viele Digitalfotografen stellen: Wie hole ich noch mehr aus meiner Kamera heraus? Wann verlasse ich die Automatik und wie greife ich dann selbst in die Belichtungssteuerung ein? Das Buch ist nicht an ein bestimmtes Kameramodell gebunden, sondern behandelt das Thema grundsätzlich und dabei sehr anschaulich. mehr …

Der vierte und letzte Teil dieser Serie erscheint am 08. Januar 2018.


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