Rubriken: Bildgestaltung, Motive und Situationen
Die richtige Perspektive bei der Safari-Fotografie
2016-12-27 Die Perspektive ist das grundlegende und bildbestimmende Gestaltungsmittel der Fotografie. Der Blickwinkel – also die horizontale und vertikale Ausrichtung sowie die Entfernung der Kamera zum Motiv – entscheidet nicht nur maßgeblich über die Bildwirkung, er nimmt sie vorweg. Die Perspektive kann auch nur über eine Veränderung des Kamerastandorts (oder des Motiv-Standorts) verändert werden. Wie oft fälschlicherweise angenommen, hat die Objektivbrennweite damit zunächst nichts zu tun, sie entscheidet nur über den Bildwinkel. (Uwe Skrzypczak)
Dieser Fototipp stammt aus dem Buch "Abenteuer Safari-Fotografie" von Uwe Skrzypczak. Auf seiner Website www.serengeti-wildlife.com kann man übrigens handsignierte Exemplare des Buchs bestellen. [Foto: demipress]
Dieser Fototipp stammt aus dem Buch "Abenteuer Safari-Fotografie" von Uwe Skrzypczak. Auf seiner Website www.serengeti-wildlife.com kann man übrigens handsignierte Exemplare des Buchs bestellen.
Ein Heranzoomen des Motiv vom gleichen Kamerastandort verändert nur den Abbildungsmaßstab und ist erst einmal nichts anderes als eine spätere Ausschnittvergrößerung – nur mit dem Unterschied, dass Objektive ein Motiv anders abbilden als unsere Augen es sehen. Deshalb ist auch die Wahl der richtigen Objektivbrennweite genauso entscheidend für die Bildwirkung.
Unsere Augen haben, bezogen auf eine Vollformatkamera, etwa einen Bildwinkel wie ein 43mm-Objektiv mit rund 50 Grad, durch die ständige Bewegung unserer Augen steigern wir den Winkel jedoch deutlich auf etwa 150 Grad. Bei Fotos, die mit Weitwinkelobjektiven erstellt sind, können wir die menschlichen Sehgewohnheiten noch simulieren, indem wir einfach den Betrachtungsabstand zum Bild verringern und mit unseren Augen wie in der Natur über das Motiv wandern. Fixieren wir etwas, beträgt unser Bildwinkel aber auch nur etwa 25 Grad, also etwa dem einer Vergleichsbrennweite eines 80mm-Objektivs. Eine Verdichtung des Geschehens, also die optische Verkürzung des Abstands unterschiedlicher Bildelemente im Bildmotiv, hervorgerufen durch die Verwendung langbrennweitiger Teleobjektive mit wenigen Grad Bildwinkel, ist den menschlichen Sehgewohnheiten völlig fremd. Und genau dieser Effekt verschafft uns Wildlife-Fotografen mit langen Teleobjektiven etwas mehr Luft bei der Wahl der Perspektive. Das gilt vor allem in den vielen Situationen, bei denen wir unseren Aufnahmestandort nur unwesentlich oder gar nicht verändern können. Während der Landschaftsfotograf bei Aufnahmen mit dem Weitwinkelobjektiv um jedem Millimeter Standort oder Blickwinkelveränderung kämpfen muss, wirken sich solche Standortveränderungen bei Teleobjektiven nur bei Nahaufnahmen stark aus.
Löwe auf der Lauer, um einen Rivalen zu attackieren, Masai Mara (Nikon D810 und AF-S Nikkor 400 mm 1 : 2,8E FL ED VR, 1/800 Sekunde, F8.0, ISO 400). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Die Löwin wurde aus der Dachluke fotografiert und wirkt, recht langweilig (Nikon D810 und AF-S Nikkor 200–400 mm 1 : 4 ED VRII, 1/800 Sekunde, F6.3, ISO 250). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Der ca. 8 Monate alte Nachwuchs eines Löwenrudels, Masai Mara (Nikon D810 und AF-S Nikkor 200–400 mm 1 : 4 ED VRII, 1/160 Sekunde, F11.0, ISO 720). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Durch die "Augenhöhe" mit dem Motiv entsteht ein neuer Blickwinkel und das Bild bekommt räumliche Tiefe (Canon Eos 1D Mark IV und EF 800 mm F5,6L IS USM). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Aus dem Hocke fotografiert bekommt der Mistkäfer ein ansprechendes Umfeld (Nikon D2X und AF-S Nikkor 200-400 mm 1:4 ED VR). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Um mit einem Waran auf Augenhöhe zu kommen musste sich der Fotograf auf den Bauch legen (Nikon D2X und AF-S Nikkor 200-400 mm 1:4 ED VR). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Im Nahbereich, vor allem, wenn auch noch unser allseits geliebtes Gras der Savanne den klaren Durchblick verwehrt, sollte man möglichst versuchen, durch einen niedrigen Kamerastandpunkt auf Augenhöhe mit dem Tier zu kommen. Während bei diesen Bildbeispielen die Löwin, als »Luftbild« aus der Dachluke des Geländewagens fotografiert, ziemlich langweilig wirkt, hat das vom Fahrzeugboden aus fotografierte Löwenbild weit mehr Ausstrahlung.
Bei Aufnahmen mit langbrennweitigen Objektiven und größeren Aufnahmenabständen, hier mit einem 400er Telezoom, wirkt sich eine schlecht gewählte Aufnahmeperspektive selbst bei kleineren Tieren nicht immer negativ aus. Die in einer Mulde liegenden, jungen Löwen haben trotz des zu steilen Aufnahmewinkels noch nicht den typischen »Luftbildtouch« vieler Wildlife-Fotos, die ausschließlich aus der Dachluke der Fahrzeuge aufgenommen wurden. Wann immer es geht, solltet ihr deshalb aus dem Fahrzeugfenster fotografieren, um eine natürlichere Perspektive möglichst auf Augenhöhe zu erzeugen. In den vollgepfropften Fahrzeugen auf Standard-Safaris ist dies aus Platzgründen aber kaum möglich. Fahrzeuge für professionelle Fotografen haben deshalb viel tiefer ausgeschnittene Fenster und oft sogar ausgebaute Türen, um den Fotografen bodennahe Aufnahmeperspektiven zu ermöglichen.
Gepardin auf dem Dach des Geländefahrzeugs in der Masai Mara (Nikon D810 und AF-S Nikkor 24–70 mm 1 : 2,8 G ED-IF, 1/640 Sekunde, F8.0, ISO 160 , Brennweite 70 mm). [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt mit 800 mm aus geschätzt 20 m Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt mit 200 mm aus zirka 3 m Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt mit 70 mm aus zirka 1 m Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Bei Klein- und Kriechtieren sind tiefe Aufnahmeperspektiven Pflicht, aber häufig nur möglich, wenn ihr beispielsweise durch einen zufällig vorhandenen Straßengraben eine sehr tiefe Kameraposition erreichen könnt. Der Vogel rechts ist beispielsweise aus einer Bodensenke heraus fotografiert, um diesen tiefen Kamerastandpunkt zu erreichen. Steht keine entsprechende Topografie zur Verfügung, hilft nur das Aussteigen aus dem Fahrzeug. Dies ist in der Regel aber nicht erlaubt und nicht selten äußerst risikoreich. Ohne lange Erfahrung im Aufnahmegebiet und ohne fundierte Verhaltenskenntnisse der dort lebenden Wildtiere sollte man dies auch tunlichst unterlassen. Der Waran und der Mistkäfer sind aus der Hocke und auf dem Bauch liegend in einer passenden Perspektive fotografiert.
Gepardenporträt aus der Froschperspektive mit 40 mm aus zirka 1 m Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt aus der Froschperspektive mit 50 mm aus zirka 1 m Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt mit 24 mm aus zirka 60 cm Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Gepardenporträt mit 24 mm aus zirka 35 cm Entfernung. [Foto: Uwe Skrzypczak]
Geparde, wie auch andere Raubkatzen auf das Auto zu lassen, ist wegen der eigenen Gefährdung und einer möglichen Habituierung der Tiere eigentlich strengstens untersagt und auch ich lasse es nicht mehr zu. Diese Gepardin hatte seit Jahren einen Narren am Fahrzeug meines Fahrers Joseph gefressen und nutzt es auch als Aussichtsplattform zur Jagd. Sie ist nicht zahm, lässt aber bei äußerster Ruhe und wenn man keine Angst zeigt, ziemlich viel mit sich anstellen. Und als Fotograf kann ich solchen Gelegenheiten einfach nicht widerstehen, selbst wenn ich dabei irgendwann mal ein paar Körperteile oder mehr einbüße. Meine ersten Fotos von ihr habe ich mit 200 mm Brennweite fotografiert, später ließ sie mich mit einem 24 mm auf Naheinstellgrenze heran. Dies ist auch der Grund, und nicht etwa aus Effekthascherei, warum ich die Fotos in diesem Buch bringe. So kann ich anhand einer traumhaft schönen Raubkatze die unterschiedliche Bildwirkung durch Wechsel von Objektivbrennweiten, Aufnahmebildwinkeln und der Perspektive deutlich machen. Mit Ausnahme des Einstiegsfotos, mit dem Nikon 5.6 800 mm von einem anderen Geparden, sind alle weiteren Fotos mit der Nikon D810 und dem AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2.8G ED VRII und dem AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2.8G ED-IF entstanden. An dieser Bildserie ist gut zu erkennen, dass die Fotos mit 70 mm Brennweite unseren Sehgewohnheiten am nächsten kommen. Die Teleaufnahmen wirken deutlich weniger plastisch, die Weitwinkelaufnahmen bereits befremdlich. Die Fotos mit 70 mm Brennweite decken sich hier am besten mit der menschlichen Sehweise, wenn unsere Augen sich auf etwas fixieren.