Rubrik: Bildgestaltung
Farbe, die emotionale Komponente
2000-07-17 Farben sind die emotionale Komponente in der Fotografie. Die Bandbreite nur einer Farbe reicht z. B. vom frühlingshaft warmen Gelbgrün bis zum kühlen Blaugrün. Jede Farbe hat – allein oder in ihrem vielfältigen Kombinations- und Tönungsreichtum – ihre eigenen, charakteristischen Wirkungen. (Jürgen Rautenberg)
Fröhliche Kinder [Foto: Jürgen Rauteberg]
Graphischer Einsatz und inhaltliche Aussage sind weitgehend
steuerbar. Werbefachleute kommen ohne das Wissen um die Farbwirkung
nicht aus. Farben sind nichts Absolutes; sie wandeln ihr
Erscheinungsbild je nach ihrem Grad an Reinheit, Leuchtkraft und
Sättigung, werden aber auch bestimmt von Farbe, Form und Helligkeit
des Umfeldes. Wer mit Farben umzugehen weiß, kann sie einsetzen, um
bestimmte Wirkungen hervorzurufen und den Betrachter im Sinne seiner
Intention zu beeinflussen. Farben sind im Motiv vorgegeben, meinen
Sie? Schon, aber erstens gibt es "richtigfarbene" Motive
zuhauf; man muß sie nur finden. Zweitens entscheidet der Fotograf
bei jedem gestellten Bild Werbung, Porträt, Stilleben oder
Sachfoto selbst über dessen Farbigkeit. Drittens zaubert der PC
aus einem tristen ein leuchtendes Grün und aus einem roten einen
blauen Hintergrund.
Januarmorgen in Venedig [Foto: Jürgen Rauteberg]
Farben haben Charaktere. Grün gilt als ruhig, beschaulich, ideal
für die Schlafzimmertapete. Rot hat ein breites Spektrum von
Fröhlichkeit über Liebe bis Signalwirkung. Blau ist die Farbe der
Intelligenz, blau gestrichene Wände fördern das Denkvermögen.
Gelb ist die hellste, strahlendste Farbe. Farben gelten als warm
oder kalt. Orange und Rot enthalten den höchsten Wärmeanteil, man
meint diese Wärme physikalisch zu "spüren". Blau ist
kalt, es vertreibt die Fliegen aus der Küche. Warm und kalt gehen
gepaart mit der räumlichen Behauptung von Farben: Warme Farben
drängen in den Vordergrund, fallen auf. Kalte Farben ziehen sich
zurück. Warmer, roter Vordergrund gegen kalten blauen Hintergrund
steigert die räumliche Wirkung. Umgekehrte Anordnung kann zu
Verflachung führen. In der Werbung steht Blau für Zuverlässigkeit
und wirbt um Vertrauen. Mischungen können die Wirkung beeinflussen,
sie ins Gegenteil verkehren. Reines Rot ist bekannt als Signalfarbe
siehe Verkehrsschilder. Leicht gelb beeinflusst tendiert es zur
körperlichen, blau zur geistigen Liebe; das Kardinalrot trägt
seinen Namen nicht ohne Grund.
Jede Farbe ist Grundlage für eine Unzahl von Tönungen und
Schattierungen. Farben können kräftig sein oder zart. Sie können
verweißlicht oder verschwärzlicht auftreten. Helle Farbtöne
wirken positiv, dunkle negativ; allein schon die Nutzung dieser
Erkenntnis bietet Gelegenheit, für eine bestimmte Aussage die
entsprechende Farbe beziehungsweise Farbzusammenstellung zu finden.
Bei leuchtendem Gelbgrün empfindet der Betrachter etwas von
Reinheit, Frische, Sonne, Leben; bei dunklem Grün dagegen, je nach
Motiv, Ruhe bis Behäbigkeit. Ein sachliches, vielleicht
wissenschaftliches Thema, mit blauen Graphiken angereichert,
beflügelt die grauen Zellen und dass Rosa zarte Triebe fördert,
ist schon eine Binsenweisheit.
Warm gegen Kalt [Foto: Jürgen Rauteberg]
"Bunte" Bilder mit vielen Farben erregen durchaus nicht
immer Aufsehen. Unordnung stößt ab; bei Farb- ebenso wie bei
Formgebung. Deshalb sollten Farben sparsam eingesetzt werden. Eine
einzige Hintergrundfarbe, leicht strukturiert, genügt wenn sie
sich nicht in den Vordergrund drängt. Aufmerksamkeit erregen nicht
nur harte Kontraste aus Hell/Dunkel oder Warm/Kalt, sondern ebenso
zarte Verbindungen von abgestuften Tönen; nur dem Thema müssen sie
entsprechen. Bilder aus unterschiedlichen Tönungen nur einer Farbe
nennt man Monochrom. Sie sind nicht nur interessant, sondern auch
graphisch wichtig, wenn beispielsweise für den Druck mehrere Bilder
farblich einander angepasst platziert werden sollen. Nicht jeder ist
ununterbrochen kreativ. Deshalb lassen Sie sich Zeit, spielen Sie,
wenn es Ihre Zeit erlaubt, am PC mit den Farben. Dabei kommen die
überraschendsten und oft brauchbarsten Ideen!
Bild 1 Fröhliche, kleinteilig
eingesetzte Farben erster Ordnung so müssen Kinder fröhlich
wirken.
Strahlende Sonne, strahlendes Rot auf Helgoland [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 Noch um zehn Uhr hält der
Dunst die Sonne gefangen; die Kälte des Januarmorgens ist spürbar.
Bild 3 Der Titel: "Warm gegen
Kalt". Dass es sich um simple Farbstifte handelt, interessiert
nicht mehr; Die Aussage des Bildes funktioniert losgelöst vom
Material.
Melancholische Stimmung in Delhi [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 4 Strahlende Sonne
strahlende Laune in der Fotogruppe strahlendes Rot der Helme
ergänzt die Aussage: "Motive zuhauf auf Helgoland".
Bild 5 Klare, nur durch einen ganz
leichten Dunst gefilterte Sonne gibt der Straßenszene in Delhi ihre
für dort typische, fast melancholische Stimmung.