Rubrik: Bildgestaltung
Farbverteilung auf Motiv und Umfeld
2000-08-28 Die Wirkung eines farbigen Motivs kann schon durch falsche Wahl der Umfeldfarbe beeinträchtigt werden. Harmonieren Motiv- und Umgebungsfarbe, stimmt die Bildoptik. Harmonieren sie nicht, wird eher das Gegenteil erreicht: Der Betrachter/Kunde wird nicht angesprochen, das Bild weckt einfach kein Interesse. (Jürgen Rautenberg)
Ausgewogenes Mengenverhältnis Blau zu Orange gibt dem Bild Ruhe und Ausgeglichenheit [Foto: Jürgen Rauteberg]
Der Fotograf möchte seine Bilder verkaufen. Entweder im Wortsinn,
dann macht er Geschäfte mit Fotos oder im übertragenen Sinne;
dann möchte er einfach, dass seine Bilder beim kritischen
Betrachter ankommen. Dafür muss er etwas tun.
In der Werbung wird ein erfahrener Fotograf schon bei
Schwarzweiß seine Grauabstufungen sehr bewusst einsetzen. Hier ist
zur Steigerung der Aufmerksamkeit Kontrast gefragt. Unendlich
vielseitiger lassen sich Kontraste in der gestaltenden Fotografie
verwenden. Düstere Grautöne stehen eher für Traurigkeit,
Melancholie. Helle Nuancierungen für Leichtigkeit, Wohlbefinden.
Harte Kontraste steigern die Spannung, deuten in Richtung Dramatik,
Fröhlichkeit, Frühling allerdings gilt das nicht generell;
einzelne Attribute gelten vielmehr immer in Abhängigkeit vom
konkreten Motiv.
Reines Naturmotiv mit Tageslicht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Gleiches trifft in gesteigertem Maße für den Farbeinsatz zu.
Das Spiel mit Farbton, Farbsättigung, Farbmischung und ihren
Kombinationen ist unerschöpflich. Positiv wie negativ; denn falsch
eingesetzte Kombinationen können die optische Wirkung in gleichem
Maße hemmen wie zielsichere Farbgebung sie steigert.
Grundsätzlich soll der Hintergrund sich unterordnen und dem
Motiv den Vorrang lassen. Ist er kräftiger als die Farbe des
Motivs, stiehlt er diesem die Show. Im Motiv eingesetzt,
unterstützen reines Rot, Grün, Gelb und Blau die Bildwirkung, als
Hintergrundfarben sind sie bedenklich. Vor allem die warmen Farben
sollten dem Motiv selbst vorbehalten bleiben. Blauer oder
blaugrüner Hintergrund stellt das Motiv frei. Je zarter die
Motivfarben, um so zurückhaltender sollten die Umgebungsfarben
gewählt werden. Eine Unsitte, mit der man sich die Wirkung
beispielsweise einer melancholischen Stimmung oder eines
Mädchenporträt zerstören kann, ist ein knallroter Hintergrund
oder ein solches Passepartout.
Naturmotiv geblitz: expressiver Ausdruck [Foto: Jürgen Rauteberg]
In der freien Fotografie entscheidet allein Können und Intention
des Fotografen über den Erfolg; er kann sich auf seine kreative
Ader verlassen, Farben und Formen nach eigenem Geschmack einsetzen.
In der Werbung gelten andere Gesetze. Die Botschaft muss den
ansprechen, der für das Produkt interessiert werden soll. Deshalb
sehen Spots für Autos oder Investmentfonds anders aus als die für
Waschmittel. Farbwirkung lässt sich zwischen dezent/informativ und
knallig/kitschig gezielt variieren. Eine kühl-blaue Komposition
spricht den analytischen Denker an, ein Gefühlsmensch wird sich
eher von warmen Tönen beeinflussen lassen. Geschäftsanzeige,
Trauerfall, Partyeinladung, Kalenderbild oder Grußkarte jede
Aufgabe verlangt andere farbliche und grafische Mittel. Ein
allgemeingültiges Rezept jedoch gibt es nicht. Trotz unendlicher
Farb- und Kombinationsvielfalt hängt die Wirkung immer von mehreren
Faktoren ab; sie muss zumindest auf Motiv, Aufgabenstellung und
Zielgruppe abgestimmt sein und ob er will oder nicht; ein guter
Fotograf lässt es nicht beim "Abfotografieren" bewenden,
er gibt seinen Bildern ein Stück persönlichen Stils mit auf den
Weg.
Bild 1 Das ausgewogene
Mengenverhältnis Blau zu Orange gibt dem Bild Ruhe und
Ausgeglichenheit. Dennoch fallen die warmfarbenen Elemente sofort
als wichtigstes Motivteil ins Auge
Roter Blickfang [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 und 3 Wenn Sie einem Bild die
oberflächliche Vordergründigkeit nehmen, es
"entnaturalisieren" wollen, versuchen Sie sich doch einmal
an diesem Vorbild: Bild 2 wurde "normal" bei Tageslicht
und leicht bedecktem Himmel aufgenommen; ein reines Naturmotiv. Bild
3 wurde geblitzt. Der kurze Aufnahmeabstand ca. 50 cm
bewirkte aufgrund des Gesetzes Licht nimmt im Quadrat zur Entfernung
ab, dass der Hintergrund absolut schwarz blieb und das Gelb stärker
leuchtete. Das expressive Bild lebt aus dem Materialkontrast; hartes
Metall gegen zarte Blüte, dem Farbkontrast; Schwarz/Gelb und dem
Helligkeitskontrast; leuchtende Blüte vor dunklem Hintergrund.
Gleiches Motiv, doch nahezu konträre Aussage.
Bild 4 Bei
diesem roten Blickfang zieht die Sparkasse mit Sicherheit Kunden an.