Rubrik: Aufnahmeeinstellungen
Fotografieren auf See - Reisefotografie vom Kreuzfahrtschiff
2006-07-17 Kreuzfahrten sind in. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wer seine Freunde anschließend nicht mit einer stundenlangen "Diashow" zuschütten will, sollte ein paar grundlegende Regeln einhalten. Ein Geheimnis des "Erfolges" ist einfach die radikale Auslese der Bilder nach der Maxime "Was ist auch und vor allem für Andere und nicht nur für uns als Reisende selbst interessant?". Von 100 Diafilmen (3.600 Bilder) zu Analogzeiten bleiben für eine Präsentation maximal 200 Motive übrig. Mehr gibt's nicht. Daran hat sich auch durch die Digitalfotografie nichts geändert. (Achim Kostrzewa, Renate Kostrzewa)
Für Fotomotive gilt allgemein, ein gutes Bild braucht vier Gründe: einen Vordergrund, einen Mittelgrund, einen Hintergrund und überhaupt einen Grund. Letzteres ist am schwersten zu erfüllen, glaubt man Profis. Seitdem sich Digitalkameras bei den Fotoamateuren und Computer-Freaks durchgesetzt haben, wird mehr fotografiert. 480 Aufnahmen macht jeder Besitzer einer Digitalkamera pro Jahr statt 150 noch zu analogen Zeiten. Mehr Schrott wird geknipst, aber auch mehr Gutes. Mehr Schrott, weil kaum einer von den neuen Digitalartisten mehr wirklich Fotografieren lernen will. Mehr Topfotos, weil die alten Analogkünstler digital eine bessere Ausbeute hinkriegen, da sie jetzt billig – quasi zum Nulltarif – viel mehr Bildmaterial belichten können. 100 Diafilme mit Qualitätsentwicklung kosteten immerhin 500 EUR, fünf oder 10.000 Digitalfotos kosten nur Zeit und die einmalige Ausgabe von ca. 250 EUR etwa für einen 40 Gigabyte Bildtank. Man kann zum Nulltarif experimentieren, seine Resultate direkt ansehen, daraus lernen und noch bessere Bilder machen. Das ist der eigentliche Vorteil der digitalen Fotografie für den Amateur.
Bei der Reisefotografie sind Schiffsthemen mit die schwersten. Die Autoren sind in diesem Genre seit gut zehn Jahren tätig. Sie reisen zu Plätzen in der Antarktis oder Arktis, die nur mit Schiffen erreichbar sind, und nehmen die Gruppenreisen dafür zwischenzeitlich gern in Kauf. Sonst sind sie eher zu zweit als Einzelgänger, Eigenbrödler mit Wohnmobil, Campingbus oder Geländewagen und Zelt unterwegs, die immer dann beim besten Licht hinter Stativ und Kamera stehen, wenn "normale" Hotelgäste frühstücken oder zu Abend essen.
Bildern vom Schiff aus auf die Landschaft fehlen meist zwei bis drei der genannten Gründe, man hat halt nur Wasser und Hintergrund. Der gute Grund zum Auslösen fehlt eigentlich. Dennoch macht man es, weil es ebenhalt nicht anders geht...
Es geht aber auch anders. Da hilft manchmal schon ein Crashkurs in Reisefotografie – und natürlich die Gelegenheit, an den tollen Plätzen wie etwa an der Antarktis und in der Arktis fotografieren zu können. Plätze zu denen ich heute eher nur sporadisch komme. An einem solchen Crashkurs und seinen sehenswerten Ergebnissen möchten wir die Leser dieses Fototipps teilhaben lassen.
Wenn gar nichts mehr geht, die Landschaft uns schier überwältigt und das Hauptmotiv sich nicht eingrenzen oder mit Nebenmotiven umgeben lässt, weil es vielleicht zu weit weg ist, hilft nur noch jede Menge Tele. Und dabei dann nur das Hauptmotiv groß herausstellen. Was im Bild 1 mit Beschnitt geschafft wurde, hier gleich mit dem Tele machen. Doch Vorsicht, Schiffe sind eine instabile Fotoplattform. Ein Stativ kann man wegen der Vibration der Maschinen nicht aufstellen, auch nicht die Kamera auf der Reling aufstützen. Also muss man die Verschlusszeit erhöhen. An Land gilt die Formel Verschlusszeit gleich 1/Objektivbrennweite für die hinreichend scharfe Aufnahme aus freier Hand. Also bei einem 200-mm-Tele wären das (bezogen auf Kleinbild) 1/250 s. Auf dem Schiff sollte man bei ruhiger See eine Zeitstufe (=1/500 s) und bei Wind gleich zwei (= 1/1.000 s) kürzer einstellen. Gut, wenn man jetzt einen Bildstabilisator hat, dann kann man scharfe Aufnahmen schon bei der gewohnten 1/250 s bekommen.
Fazit: Die "Vier-Gründe-Regel" sollte zum Nachdenken über das Motiv und seine Bildwerdung und Bildwirkung anregen. Fotografieren heißt nicht draufhalten, sondern ist ein kreativer Prozess – erst denken, dann auslösen. Ein Foto, das Bauch und Kopf gleichermaßen anspricht, entsteht fast nie durch Zufall. Außerdem gelten auf dem schwankenden Deck etwas andere Regeln für die Belichtungszeit. Eine kurze Belichtung hilft gegen Verwackeln. Hier sollte man auf alle Fälle überprüfen, was die Kamera-Automatik eigentlich so macht.