Rubrik: Bildgestaltung
Gegenlicht gezielt und bewusst einsetzen
2005-11-21 Es gibt bereits einen Fototipp, der auf Aufnahmen im Gegenlicht eingeht (siehe weiterführende Links). Hier soll nun insbesondere aufgezeigt werden, wie man das fotografisch immer sehr reizvolle Gegenlicht ganz bewusst suchen und für praktische Aufnahmen einsetzen kann. Fotografieren bedeutet ja nichts Anderes, als mit Licht zu zeichnen, es wird also gutes Licht für effektvolle Aufnahmen benötigt. Und gerade das von vielen so gefürchtete Gegenlicht ist eine der wirkungsvollsten Lichtformen, bei der gerade die interessantesten Fotos entstehen können. (Bernd Jaeger)
Eine
fotografische Schulweisheit besagt, dass man Bilder mit „der Sonne im
Rücken“ machen solle – leider erhält sich diese "Mär" bis heute immer noch
hartnäckig aufrecht. Sicher ist das für viele Arten der Fotografie kein
wirklich schlechter Ratschlag, auch wenn hierbei sehr häufig eher flache
Bilder entstehen. Für wirkungsvolle und beeindruckende Fotos sollte man
sich aber auch an ungewöhnliche Licht- bzw. Beleuchtungsverhältnisse
wagen, und man wird merken, dass hierbei sehr häufig die "besseren" Bilder
entstehen.
Zur Vorgehensweise: Zunächst sollte man sich bewusst mit dem Licht
auseinandersetzen. Kommt es von "hinten" (hinter dem Fotografen), dann hat
man die Sonne im Rücken, dies ist die einfachste Beleuchtungsart eines
Motivs. Das ergibt auf den ersten Blick sicherlich häufig auf die
unproblematischste Art zufrieden stellende Bilder. Erst auf den zweiten
oder dritten Blick erkennt man, dass den Bildern etwas „fehlt“ – nämlich
die Dynamik, Spannung oder eine besondere Wirkung, es sind einfach
"normale" Bilder. Beachtet man bei der Aufnahme den Sonnenstand und nimmt
eine "Drehung" um 180 Grad vor, so erzielt man häufig eine total
gewandelte Wirkung: Jetzt steht man selbst als Fotograf und mithin auch
das Motiv "vor" der Sonne, also im Gegenlicht. Die Schatten fallen vom
Motiv weg nach vorne in Richtung Kamera, und das Motiv wirkt folglich
häufig dunkel im Vergleich zum hellen Hintergrund.
Hier soll zunächst bewusst auf dieses Extrem des krassen Gegenlichts
eingegangen werden. Zwischenlösungen, die unter Umständen noch bessere
Aufnahmeergebnisse bringen können (etwa mit Seitenlicht oder seitlichem
Streiflicht), sind späteren Fototipps vorbehalten. Bleiben wir also beim
direkten Gegenlicht. Man muss es einfach praktisch ausprobieren. Wenn man
ganz bewusst damit umgeht, wird man gerade unter diesen schwierigen
Lichtverhältnissen Plastik und Dynamik ins Bild bringen, und man kann
dieses Stilmittel sehr häufig bei Aufnahmen jeglicher Art effektvoll
nutzen.
Allerdings sollte man auch bei den extremsten Gegenlichtaufnahmen
tunlichst vermeiden, die Sonne selbst direkt mit ins Bild zu setzen.
Abgesehen davon, dass bei extremer Sonneneinstrahlung Schäden am
Bildsensor eintreten können, werden dann die Motive nur noch
scherenschnittartig wiedergegeben, da sich die Belichtung natürlich an der
hellsten Lichtquelle (hier also der Sonne) orientiert. Wenn man keine
manuelle Korrektur, keinen Aufhellblitz oder Reflektor verwendet, führt
das natürlich dazu, dass alle anderen Objekte sehr stark unterbelichtet
sind. Interessant sind daher Gegenlichtaufnahmen, bei welchen die Sonne
leicht verdeckt wird (durch Bäume, Gebäude etc.) und bei denen man aber
dennoch den Effekt des Gegenlichtes nutzt.
Bei
Gegenlichtaufnahmen entstehen also naturbedingt sehr starke Kontraste
zwischen den hellsten und dunkelsten Teilen des Bildes, welche noch von
keiner Digitalkamera (übrigens ebenso wenig von Kameras mit analogem
Filmmaterial) ausgeglichen werden können. Der so genannte Dynamikumfang
ist für alle fotografischen Medien einfach zu groß, so dass man in der
Regel entweder bei den Lichtern oder bei den Schatten Opfer bringen muss.
Man kann dieses mit einigen Gegenmaßnahmen mehr oder weniger stark
ausgleichen: Eine Belichtungskorrektur in den "Plus-Bereich" (verlängerte
Belichtung) führt dazu, dass das abzulichtende Motiv relativ gut belichtet
wird, die hellen Bereiche aber noch heller werden; die zweite Möglichkeit,
nämlich die Verwendung eines Blitzgerätes oder eines Reflektors,bewirkt
ein besser belichtetes Hauptmotiv, während der übrige Bildbereich deutlich
geringer beeinflusst wird. In beiden Fällen jedoch geht der Effekt des
wirklich extremen Gegenlichtes verloren. Diese Entscheidung muss aber
individuell nach eigenem Geschmack getroffen werden. Zu erwähnen ist in
diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, stärker unterbelichtete Fotos
durch die digitale Bildverarbeitung durchaus im Nachhinein (in Grenzen)
noch aufzubessern.
Gegenlichtaufnahmen – gerade ohne weitere Korrekturen bei der Aufnahme –
können im Prinzip mit allen digitalen Kameras gemacht werden – hierzu
benötigt man keine hochpreisigen Aufnahmegeräte. Es versteht sich
natürlich von selbst, dass Digitalkameras mit möglichst umfangreichen
manuellen Eingriffmöglichkeiten hier im Vorteil sind. Offensichtlich
erkennbare, direkt in das Objektiv einfallende Lichtstrahlen sollten mit
geeigneten Mitteln (Gegenlichtblende, notfalls mit der Hand) abgeschattet
werden. Anhand der hier beigefügten Bilder (alle sind ohne Korrekturen
oder Aufhellblitz entstanden) sollen die erwähnten "Extreme" bewusst
gezeigt werden.