Rubrik: Bildbearbeitung
Himmelskosmetik – Der getauschte Himmel in Außenaufnahmen, Teil 2
2006-10-30 Farbverläufe und künstliche Wolken aus dem Schminkkästchen von Photoshop sorgen für einen ansprechenden Himmel, wenn dieser im Original-Foto fad oder überbelichtet geraten ist. Doch diese Art der Himmels-Kosmetik kann dem ambitionierten Betrachter bisweilen ihre virtuelle Herkunft nicht verhehlen. Soll der retuschierte Himmel besonders authentisch wirken, greifen erfahrene Bildbearbeiter daher zu einem besonders gelungenen Foto des Firmaments und verpflanzen es einfach in die gewünschte Aufnahme. Mit dieser Himmels-Transplantation lässt sich das Motiv sogar vom flachen Licht der Mittagssonne in die feurig-warme Stimmung eines Sonnenuntergangs versetzen. Übrigens: Nicht nur Landschaftsaufnahmen profitieren von dieser Form der himmlischen Kosmetik. Sie kommt beispielsweise auch Porträts und sogar Nahaufnahmen zugute – so sie im Freien aufgenommen wurden. (Martin Vieten)
Wie Photoshop bei der kosmetischen Retusche einer missglückten Himmelsdarstellung hilft, war bereits im ersten Teil (siehe weiterführenden Link unten) dieses Beitrags nachzulesen. Doch bei aller Kunst des virtuellen Visagisten: Die Natürlichkeit oder gar Dramatik eines "echten" Himmels lässt sich mit Photoshop & Co. nur schwerlich nachbilden. Wenn besondere Authentizität gefordert ist, liefert die Transplantation einer gelungenen Himmelsaufnahme in das zu verbessernde Motiv deutlich ansprechendere Ergebnisse als die digitale Schminke (Bild 1). Zunächst einmal benötigt man für diese Operation ein geeignetes Himmels-Foto. Der clevere Schönheitschirurg sorgt schon im Vorfeld für eine reichhaltige Sammlung an "Spender"-Himmel und fotografiert bei jeder sich bietenden Gelegenheit eifrig das Firmament. Idealerweise liegen diese Aufnahmen im RAW-Format vor – so lässt sich ihre Farbtemperatur jederzeit punktgenau an die des "Empfänger"-Fotos anpassen. Gut ist es auch, wenn sich mit verschiedenen Brennweiten aufgenommene Fotos im himmlischen Ersatzteillager finden. Denn die etwa mit einem 300er Tele aufgenommene Gewitterfront passt nicht unbedingt in eine Landschaftsaufnahme, so diese mit einem 24 Millimeter Weitwinkel fotografiert wurde.
Wie schon bei der Himmels-Kosmetik kommt es auch vor der Transplantation darauf an, den zu ersetzenden Himmel möglichst genau aus dem Empfänger-Foto herauszupräparieren. Steht die Auswahl des Reparaturbereichs, kann der neue Himmel in einer separaten Ebene darüber gelegt werden. Diese Ebene erhält nun eine Ebenenmaske, die den nicht zu überdeckenden Teil des Motivs ausblendet ("Ebene, Ebenenmaske hinzufügen, Auswahl einblenden"). Sollten "Spender"- und "Empfänger"-Fotos mit unterschiedlichen Brennweiten aufgenommen worden sein, passt man die räumliche Darstellung des Himmels-Transplantats mit "Bearbeiten, Transformieren, Perspektivisch verzerren" an die Perspektive des Zielfotos an (Bild 2).
Abstoßungsreaktionen zwischen Originalbild und einmontiertem Himmel sind nicht zu befürchten; wohl aber zwischen Montage und Betrachter, wenn Farb- und Lichtstimmung zwischen Himmelstransplantat und der Empfängeraufnahme zu weit von einander abweichen. Ein bei wolkenverhangenem Himmel aufgenommenes Gebäude etwa lässt sich kaum glaubhaft mit einem neuen Firmament versehen, wenn sich bei diesem nur feine Schleierwolken im ansonsten makellosen Blau zeigen. Hier würde der Betrachter ausgeprägte Schattenpartien erwarten, die sich im indirekten Licht eines Wolkenvorhangs einfach nicht ergeben. Diese Beschränkung lässt sich auch mit Photoshop kaum umgehen.
Die Farbstimmung zwischen Himmel und Empfängerfoto lässt sich dagegen in Photoshop sehr gut aufeinander abstimmen. Hier greift der bewanderte Schönheitschirurg zu Werkzeugen wie etwa "Tonwertkorrektur", "Gradationskurve", "Farbbalance", "Selektive Farbkorrektur" etc. Alle diese Befehle lassen sich als Einstellungsebene anlegen; idealerweise mit dem darunter liegenden Himmelstransplantat per Schnittmaske verbunden – so wirken sich die Farbkorrekturen nur auf den neuen Himmel aus. Die Einstellungsebenen ermöglichen eine virtuelle Schönheitsoperation, bei der die Originalpixel der darunter liegenden Bildebenen nicht verändert werden.
Das Anpassen der verschiedenen Korrekturebenen erfordert allerdings ein geübtes Auge und ein sicheres Händchen. Wer diese Feinarbeit scheut, findet ab Photoshop CS den bequemeren Befehl "Gleiche Farbe" unter "Bild, Anpassen". Um damit die Farbstimmung des neuen Himmels an die ursprüngliche Landschaftsaufnahme anzupassen, wählt man im Dialog "Gleiche Farbe" unter "Quelle" die gerade geöffnete Bilddatei und unter "Ebene" diejenige Ebene, auf der das Ursprungsbild liegt. Sollte der Farbabgleich zu heftig ausfallen, lässt er sich mit dem Regler "Verblassen" abmildern. Leider ist diese Operationsmethode irreversibel: "Gleiche Farbe" verändert die Farbgebung der Zielebene dauerhaft, als Einstellungsebene steht der Befehl nicht zur Verfügung (Bild 3).
Eine interessante Variante zur nicht-destruktiven Farb- und Belichtungsanpassung des eingefügten Himmels bietet Photoshop CS2 – so das Himmelsfoto im RAW-Format vorliegt. Dieser RAW-Himmel lässt sich mithilfe des Befehls "Datei, Platzieren" als "Smart Objekt" in die Komposition einfügen. Dabei bleiben alle Optionen des RAW-Konverters – und damit auch solche zur Farbanpassung – dauerhaft verfügbar. Ein Doppelklick auf das Smart Objekt in der Ebenenpalette und das Himmelsbild wird in Camera RAW geöffnet. Mit einem Klick auf "Fertig" übergibt man dann wieder an Photoshop.
Wer Freude an den Himmelsmanipulationen findet, wird sich nicht nur darauf beschränken, das neue Firmament an die Originalaufnahme anzupassen. Auch der umgekehrte Weg ist denkbar – das Ursprungsmotiv nimmt Farbgebung und Belichtung des eingefügten Himmels – etwa während des Sonnuntergangs – an. Jetzt liefert Photoshops reich gefüllter Kosmetikkoffer die nötigen Utensilien, um das Originalmotiv in das weich und warm strahlende Licht der untergehenden Sonne zu tauchen (Bild 4).
Die Himmels-Kosmetik beschränkt sich keineswegs nur auf Landschaftsaufnahmen. Auch Porträtfotos, ja sogar Nahaufnahmen profitieren von den hier vorgestellten Schminktipps, wenn ihr Himmel im Original nicht perfekt aufgenommen wurde. Damit der neue Himmel bei dieser Art von Aufnahmen glaubwürdig erscheint, gilt es, den Fokuspunkt des Hauptmotivs zu beachten: Je weiter vorne dieser liegt, desto unschärfer sollte das neu eingefügte Himmelszelt sein. Photoshop liefert mit den Filtern "Gaußscher Weichzeichner" bzw. "Schärfentiefe abmildern" die geeigneten Mittelchen, um den neuen Himmel außerhalb der Schärfezone des Ursprungsbildes zu platzieren (Bild 5).