Rubrik: Bildbearbeitung
Histogramm und Tonwertkorrektur – Teil 2
2006-04-10 Die richtige Dosierung der Tonwertkorrektur bei falsch belichteten Aufnahmen (siehe ersten Teil dieses Beitrags) stellt nicht nur angehende Bildbearbeiter so manches Mal auf eine harte Probe. Zumindest die Grobarbeit kann man zu seiner Bequemlichkeit auch den verschiedenen Automatik-Funktionen von Photoshop Elements oder Photoshop anvertrauen und dabei auch gleich noch etwaige Farbstiche ausbügeln. Der Bildbearbeiter greift dann nur noch selbst ein, um dem Foto den letzten Schliff zu geben. Dabei erweist sich allerdings die gleichzeitige Behandlung mehrerer Fehler als schwierige Aufgabe, die schnell zu unumkehrbaren Schäden führen kann. Vor schlimmen Kunstfehlern bewahrt man Fotos, indem man die Tonwertkorrektur als Einstellungsebene speichert. (Martin Vieten)
Das Histogramm dient nicht nur zur Diagnose etwaiger Belichtungsfehler – es hilft auch, einen Farbstich in der Aufnahme aufzuspüren. Dazu betrachtet man die Helligkeitsverteilung für jeden der drei Farbkanäle separat. Zeigt ein Kanal deutlich mehr (oder weniger) Pixel als die übrigen beiden, besteht der Verdacht auf einen Farbstich. Besonders übersichtlich lässt sich die Helligkeitsverteilung der drei Farbkanäle in Photoshop anzeigen: Man wählt im Histogramm aus dem Palettenmenü (das kleine Dreieck rechts oben) "Alle Kanäle in Ansicht" und "Kanäle in Farbe anzeigen". Photoshop Elements kennt diese Ansicht leider nicht – immerhin lässt sich hier die Farbverteilung im Bild sichtbar machen, indem man unter "Kanäle" auf "Farben" klickt.
Aus dem Histogramm zu unserem Beispiel ist deutlich abzulesen, dass das Foto leicht unterbelichtet ist und zusätzlich mehr Rotanteile als grüne und blaue enthält. Hier warten also gleich mehrere Aufgaben auf den "Therapeuten". Wer da nicht lange herumlaborieren möchte, greift zum sofort wirksamen Mittel in Form des Befehls "Auto-Tonwertkorrektur" (in Photoshop unter "Bild > Überarbeiten", in Photoshop Elements unter "Überarbeiten"). Dieselbe Wirkung zeigt übrigens die Schaltfläche "Auto" im Dialog "Tonwertkorrektur". Bei dieser Behandlungsmethode dehnt die Software ein Histogramm derart aus, dass alle möglichen Helligkeitsstufen zwischen 0 und 255 genutzt werden – und zwar für jeden Farbkanal. Das heißt, ein etwaiger Farbstich wird aus den Aufnahmen herausoperiert. Bei dieser Radikalkur kann aber durchaus eine bewusst gewählte Farbstimmung verloren gehen. Zwar ist der Rotstich in unserem Beispiel eliminiert und auch der Kontrast zeigt sich deutlich verbessert - doch Schnee und Himmel wirken jetzt unnatürlich blau.
Nun bedeutet aber nicht jeder Hauch von einem Farbton im Weißen, dass das Foto gleich einen Farbstich hat. Wenn die Sonne morgens oder abends besonders warme Farbtöne zaubert, sollten diese natürlich auch bei der Tonwertkorrektur erhalten bleiben. Umgekehrt darf eine Schneelandschaft in der Mittagssonne durchaus ins Blaue tendieren – das unterstreicht das Kühle des Motivs.
Doch woher soll nun eine Bildbearbeitungssoftware "wissen", ob das Weiß einer Aufnahme rein sein oder wärmer (ins Gelb-Rote) bzw. kühler (ins Blaue) tendieren soll? Motive und individuelle fotografische Absichten kann kein Programm erkennen. Sollen also nur die Belichtung, nicht aber die Farben in einem Bild kuriert werden, findet sich im Befehl "Auto-Kontrast" die Medizin der Wahl. Dieses Mittel bietet Photoshop auch im Dialog "Tonwertkorrektur" unter "Optionen, Schwarzweiß-Kontrast verbessern". Genau umgekehrt arbeitet übrigens der Befehl "Auto-Farbe": Er korrigiert nur die Farbwiedergabe, tastet aber die Belichtung möglichst nicht an.
So bequem die automatische Kur eines Farbstichs auch sein mag – oft liefert sie nicht den gewünschten Therapie-Erfolg. In einem solchen Fall stimmt ein erfahrener Bildbearbeiter die Helligkeitsverteilung der einzelnen Farbkanäle manuell ab. Dazu wird im Dialog "Tonwertkorrektur" unter "Kanal" der zu bearbeitende Farbkanal gewählt; jetzt wirken sich Änderungen an der Tonwertkurve nur noch für den gewählten Kanal aus. Da hier ausgeprägte Wechselwirkungen zwischen allen Einstellungen bestehen, gehört allerdings einiges Fingerspitzengefühl dazu, Helligkeit und Kontrast für die einzelnen Farbkanäle sowie insgesamt richtig zu dosieren.
Erschwert wird die Behandlung schwieriger Fälle dadurch, dass – einmal angewendet – die "Tonwertkorrektur" ein Bild dauerhaft verändert. Spätestens nach dem Speichern ist ein Abbruch der Behandlung nicht mehr möglich, etwaige Fehler manifestieren sich in einem dauerhaften Schaden. Diese Gefahr lässt sich elegant umgehen, indem man die Tonwertkorrektur als Einstellungsebene auf das eigentliche Bild appliziert. Die Einstellungsebene kann nicht nur an- oder abgeschaltet werden – die darin gespeicherte Tonwertkorrektur lässt sich auch jederzeit neu dosieren. Und über eine Ebenenmaske sind sogar mikrochirurgische Eingriffe in die Auswirkungen der Tonwertkorrektur bis hin zu einzelnen Pixeln möglich. Mehr zu dieser Behandlungsmethode im dritten und letzten Teil dieser kleinen Fototipp-Serie.
Beide Photoshopvarianten schicken ein Foto mit der Befehlsfolge "Ebene > Neue Einstellungsebene > Tonwertkorrektur" in die virtuelle Klinik. In der Ebenenpalette erscheint jetzt eine neue Miniatur – ein Doppelklick darauf öffnet den inzwischen altbekannten Dialog "Tonwertkorrektur". Mit einem Klick auf das "Auge"-Symbol der Einstellungsebene lässt sich diese ab- bzw. anschalten. Das ist aber noch nicht alles: Über den Regler "Deckkraft" in der Einstellungsebene lässt sich die Tonwertkorrektur dosieren, ohne deren Dialog öffnen zu müssen. Und auch über die "Füllmethoden" hat man einen großen Einfluss darauf, wie sich die Behandlung mit der "Tonwertkorrektur" auf ein Bild auswirkt. Unterbelichtete Aufnahmen wertet z. B. die Füllmethode "umgekehrt multiplizieren" bereits deutlich auf – ohne dass im Dialog "Tonwertkorrektur" irgendetwas eingestellt werden müsste.
Ihren größten Vorteil spielt die Tonwertkorrektur per Einstellungsebene aber aus, wenn es darum geht, gleich mehrere Gebrechen einer Aufnahme (wie etwa Farbverfälschungen und falsche Belichtung) zu kurieren. Unser Beispielfoto ist deutlich unterbelichtet und zeigt zudem noch einen Blaustich (linker Streifen). Eine erste Einstellungsebene korrigiert die Bildhelligkeit (mittlerer Streifen). Darüber liegt eine weitere Einstellungsebene, mit der auch noch der Blaustich behandelt wird (rechter Streifen). Über den Deckkraftregler einer jeden Einstellungsebene lässt sich nun sehr genau steuern, wie stark die jeweilige Korrektur wirken soll. Mit dieser Methode hat man keine lästigen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Mitteln mehr, ihre Wirkung kann unabhängig von der Dosierung der anderen verwendeten Mittel zielgenau eingestellt werden – und das jederzeit.