Rubrik: Bildgestaltung
Landschaftsfotos
2001-03-12 Eine noch so berauschende Landschaft kann sich spröde geben und dem Fotografen ihre Schönheit verweigern. Deshalb sind Landschaftsbilder oft so langweilig. Abfotografieren allein genügt nicht; man muss aus dem Wust von Informationen schon den Ausschnitt herausfinden, der das charakteristische Flair des Motivs wiedergibt. (Jürgen Rautenberg)
Altes Bollwerk auf Helgoland [Foto: Jürgen Rauteberg]
Die Entscheidung beginnt beim Bildausschnitt. Ist er zu weit, können
überflüssige Elemente die Wirkung des Bildes stören. Ist er zu eng, fehlen
dem Betrachter eventuell wichtige Informationen zur Orientierung. Wählen Sie
solange sorgfältig Standort, Ausschnitt und Brennweite bis Sie glauben, das
zu erwartende Bild nicht weiter verbessern zu können.
Sturm, Regen, Nebel, Nacht jede Abwechslung vom alltäglichen Sonnenschein
hat ihren Reiz. Falls Sie Zeit und Gelegenheit haben, kommen Sie wieder an den
gleichen Standort, wenn Sie sich zu einer anderen Zeit eine bessere
Lichtsituation erwarten. Frühaufsteher werden garantiert fündig. Die
Landschaft dankt es Ihnen mit einem überzeugenden Bild, wenn Sie sie in ihrem
schönsten (Licht-)Kleid fotografieren.
Fischerhafen [Foto: Jürgen Rauteberg]
Vermeiden Sie Chaos! Setzen Sie Gestaltungsmittel ein, die das Motiv im
positiven Sinne kreativ "ordnen". Chaos lehnt das menschliche Auge
ab. Ein bildbeherrschender Rhythmus aus Bäumen, Steinen, Stufen; ein
verbindender Bogen durch das Motiv; ein markantes Etwas an exponierter Stelle
gliedern das Bild, geben ihm Gestalt.
Heben Sie die Weiträumigkeit einer Landschaft durch einen prägnanten
Vordergrund hervor, ein nahe der Kamera platziertes Motivelement etwa. Auch
Weitwinkel steigern den Eindruck von Raum. Das Tele komprimiert das Motiv, holt
Fernes heran und verringert Größenunterschiede. Hochformat wirkt aktiv,
erhöht die Aufmerksamkeit des Betrachters. Querformat vermittelt eher Ruhe,
Behäbigkeit, Schwere je nach der Aussage, die Sie dem Motiv mitgeben wollen.
Bei Ebbe [Foto: Jürgen Rauteberg]
Schiessen Sie nicht ein einzelnes Foto von Ihrem Motiv, sondern drei, vier
oder mehr und variieren Sie jeweils die gestalterischen und technischen
Vorgaben. Denn bei einem Einzelbild kann immer irgend etwas schiefgehen. Aus
einer Serie wählt man das beste Foto aus und lernt aus den Fehlern der anderen.
Alle Infos dieses Tipps zielen auf eine zentrale Aussage: Das Motiv allein
gewährleistet noch kein aussagekräftiges Foto; der Fotograf muss ihm mit
seinem Stilempfinden und Wissen die letzte Form geben.
Bild 1 "Altes Bollwerk auf Helgoland":
Strahlendes Blau und Gelb kontrastiert zu schwärzlichem Grün, Fliessendes
Wasser steht gegen hartes Gestein. Solche Kontraste beleben das Bild. Der leere
Himmel wirkt fade, deshalb wurde der Horizont nahe an den oberen Bildrand
gelegt. Ein Weitwinkel 28 mm steigert die räumliche Wirkung.
Blaues Licht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 "Fischerhafen":
Ein Tele nivelliert die Größenunterschiede der Motivkomponenten und zieht den
150 m entfernten Fischkutter nach vorne. Eine typische Tele-Stauchung.
Bild 3 "Bei Ebbe": Das Bild lebt aus
der Flächenaufteilung: Schwere Tetrapoden drücken auf das Motiv. Das
spiegelnde Watt bringt den Aufbau wieder ins Gleichgewicht. Das leichte,
fröhliche senkrechte Rot des Kindes behauptet sich gegen die waagerechten
Elemente und klammert sie zusammen.
Am Niederrhein [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 4 "Blaues Licht": Im Hochland
Islands erscheint die Welt hier wie am zweiten Schöpfungstag. Lava
unterschiedlichen Alters bildet die Basis, darauf die Augen der
Schmelzwasserseen. Ein Polfilter steigert die Wirkung des überwältigend reinen
blauen Lichtes.
Bild 5 "Am Niederrhein": Standpunkt und
Aufnahmezeit mussten so kombiniert werden, dass im Moment der Aufnahme die
Kirchtürme vor der Sonnenscheibe standen. Das verlangt Vorausdenken. Der
große Vordergrund verstärkt die Weite des Raumes, betont die Abendruhe.