Rubrik: Bildgestaltung
Licht und Farbe, die Unzertrennbaren
2001-04-23 Licht wird zwischen den Wellenlängen von ca. 400 und 700 nm (1 nm = 0,000001 mm) als Farbe sichtbar. Wir brauchen Licht, um einen Film, ein Papier, einen Chip zu "belichten". Das ist aber nur die physikalische Seite der Sache. Der fotografisch-kreative Nutzen von Licht und Farbe ist unendlich. Denn erst Licht und Farbe in all ihren Erscheinungsformen und Stimmungen verleihen dem Bild Vollkommenheit. (Jürgen Rautenberg)
Foto mit Sonne im Rücken [Foto: Jürgen Rauteberg]
Der Fachmann weiß, dass ein noch so interessantes Motiv nichts bringt, wenn
Licht und Farbe nicht stimmen. Beide können die Aussage eines Bildes
unterstützen, seine gestalterische Qualität verbessern, ja sogar bestimmen,
oder einfach schön erscheinen. Der Reiseprospekt-Fotograf wird zu anderer
Tages-/Jahreszeit fotografieren, wird eine andere Sonnensituation bevorzugen
als der Architekturfotograf oder der künstlerisch arbeitende. Wie vielseitig
das geschehen kann, sollen zwei Beispiel-Situationen in je zwei Bildern zeigen.
Das erste Beispiel zeigt eine im Abstand von rund zehn Minuten aufgenommene
Hafenszene. Bild 1 wurde mit der Sonne im Rücken aufgenommen. Das kleinere
Schiff im Vordergrund erhält daher volles Sonnenlicht. Das Schiff im
Hintergrund liegt in einem etwas anderen Winkel zur Sonne; das Licht streift
gerade noch die Bordwand und macht im Streiflicht selbst deren feinste
Strukturen und Unebenheiten sichtbar. Einschließlich des blauen Himmels mit den
leichten Wolken erzeugt das einen freundlichen, positiven Eindruck.
Foto mit Gegenlicht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie zwischen den beiden Schiffen ein
Stückchen brauner Kaianlage. Von hier aus, bei um ca 180° gedrehter
Aufnahmerichtung, wurde das Bild 2 geschossen. An der Witterung hat sich
inzwischen nichts geändert, die Sonne knallt nach wie vor in das Motiv jetzt
aber als Gegenlicht! Vom Hauptmotiv blieb, da die der Kamera zugewandte Seite ja
kein Licht abbekommt, kaum mehr als ein Schattenriss. Der Spannungsgehalt der
Situation jedoch hat sich aufgrund der Charakteristik des Gegenlichtes sehr
stark in Richtung Dramatik verändert. Nicht unberechtigt ist also der Rat
erfahrener Fotopädagogen, ein Motiv zunächst einmal von allen Seiten zu
beobachten, bevor der richtige Standort für die optimale Aufnahme gewählt wird.
Foto bei trübem Himmel [Foto: Jürgen Rauteberg]
Ganz anders entwickelt sich das Geschehen im zweiten Beispiel. Beide Bilder
wurden vom gleichen Ort aus geschossen, also blieb auch der Sonnenstand nahezu
erhalten. Nahezu, denn eine gute halbe Stunde verging schon zwischen den Bildern
(man erkennt es an dem nach rechts gewanderten Schatten des Ankers). An dem
trüben Tag, der die Sonne nicht so recht zu ihrem Recht kommen lassen wollte,
wurde zunächst das Bild 3 geschossen. Die Schatten zeigen, dass durchaus Sonne
im Spiel war, jedoch gefiltert durch einen kalten, trüb-blaugrauen Himmel.
Diese Trübung hat sich in kurzer Zeit verzogen und als dann Bild 4 gemacht
wurde, herrschte strahlender Sonnenschein. Das Ergebnis spiegelt diese Situation
wieder.
Gewinnen Sie beim Vergleich der Beispiele die Erkenntnis, dass Sonne nicht
gleich Sonne und Farbe nicht gleich Farbe ist. Jeden Moment kann sich der Licht-
und Farbcharakter ändern. Jede Minute kann das gleiche Motiv ein anderes
Gesicht zeigen. Selbst wenn Sie gar nicht fotografieren; dieses Spiel auch nur
zu beobachten, ist ein Vergnügen.
Foto mit sonnigem Himmel [Foto: Jürgen Rauteberg]