Rubrik: Motive und Situationen

"Maler Herbst" – schnell vergängliche Meisterwerke für Fotografen

2006-09-25 Ein Hoch dem Herbst. Wenn wir im Sommer auf Motivsuche eine Allee durchfahren, in einem Wald Ruhe suchen oder in einem Park auf der Bank sitzen – wir erfreuen uns immer am belebenden Grün der Bäume, Sträucher und Kräuter. Dabei sehen wir in der Regel tatsächlich alles nur grün, und wir unterscheiden oft nur mit Mühe die unterschiedlichen Grüntöne. Manche Fotografen verzichten daher dann nicht selten auf die Motivsuche, es sei denn, die Sonne holt einen Teil des flächigen Grüns aus dem vermeintlichen Einerlei heraus, oder Blüten setzen bunte Farbtupfer hinein.  (Günter Hauschild)

Im Herbst ändert sich das. Die Kräuter sterben ab und bieten selten noch sehenswerte Bilder. Dort aber, wo bei Sträuchern und Bäumen zur Sommerzeit noch die Grüntöne dominierten, treten nun alle erdenklichen Farbabstufungen in Grün, Gelb, Braun und Rot an ihre Stelle. Das ist die Zeit, da der Fotograf unruhig werden muss, sind doch diese herbstlichen Meisterwerke vergänglich. Vergänglich aus zwei Gründen. Der eine kann uns nur willkommen sein: Die Farben werden nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgetauscht und nicht mit einem Schlag. Ganz allmählich verändert sich das Aussehen der Blätter, oftmals so unmerklich, dass wir die Unterschiede kaum erkennen können. Folglich kann ein und dasselbe Motiv mit dem Abstand einiger Stunden ganz unterschiedliche Bilder ergeben. Was manchmal als Nachteil eines Fotos betrachtet wird, dass es nur den winzigen Ausschnitt eines Vorgangs festhält, wird hier zur großen Chance. Wir können mit der Kamera vergehende Zustände festhalten, anderen gegenüberstellen, mit ihnen vergleichen und den für uns schönsten auswählen. Einem kleinen Bäumchen im Park (Bild 1) konnte man zwei Tage zuvor, als in seinen Blättern nur Gelb und Grün existierte, nicht ansehen, dass sie diese herrliche Färbung bekommen würden. Nicht nur einzelne Bäume, auch Teile eines Parks (Bild 2) oder Waldes können im Herbst einmalige Farbzusammenstellungen zeigen. In einem Park ist die Wahrscheinlichkeit, solche Bilder zu finden, recht groß, kann man doch davon ausgehen, dass sein Gestalter sicher auch schon an solche Eigenheiten der Bäume und Sträucher gedacht hat. So wie das offenbar auch der Besitzer eines Stadtgrundstücks getan hat, als er die Pflanzen für seine Hecke ausgewählte (Bild 3).



Der zweite Grund für die Vergänglichkeit dieser Meisterwerke des "Malers Herbst" ist das Wetter. Heute können die Bäume noch voller schön gefärbter Blätter hängen, und morgen hat ein Sturm oder der erste Frost alles von den Bäumen geholt. Man sollte dann trotzdem mal nach oben schauen, es gibt Blätter, die mit großer Hartnäckigkeit am Baum festhalten und erst als Letzte fallen (Bild 4). Ansonsten richten wir unseren Blick eben dorthin, wo nun die Blätter sind – auf den Erdboden. Dabei kann man sich gut und gerne von großflächigen Motiven gefangen nehmen lassen (Bild 5). Es lohnt sich aber auch, eine solche Fläche etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, da ist Blatt nicht gleich Blatt, Laub nicht gleich Laub (Bild 6).

Artikel-Vorschläge der Redaktion