Rubrik: Aufnahmeeinstellungen
Motivprogramme – gut zu wissen, was sie tun
2005-12-19 Fast jede Kamera, die nicht im Profibereich angesiedelt ist, bietet so genannte Motivprogramme, Einsteigerkameras haben meistens sogar nur Solche. Sie sind unter Profis verschrien und von den Anwendern geliebt, die mit der Kamera einfach nur fotografieren wollen, statt sich mit der Technik auseinander zu setzen. Motivprogramme können nützlich sein, und man kann sogar von ihnen lernen – dazu muss man aber verstehen, wie sie arbeiten. Meistens bieten Kameras mindestens fünf Motivprogramme, oft auswählbar über ein Einstellrad. Der Trend geht aber vor allem bei Kameras der Einsteigerklasse immer mehr hin zu noch zahlreicheren Motivprogrammen – teilweise so zahlreich (30 und mehr), dass es schon wieder unübersichtlich wird. (Benjamin Kirchheim)
Die Motivprogramme beeinflussen längst nicht mehr nur die
Belichtungseinstellungen wie Empfindlichkeit, Blende und Belichtungszeit,
sondern auch vor allem Bildbearbeitungsparameter der Kamera wie z. B. die
Farbtönung (etwa “Herbst“, “Sonnenuntergang“ oder “Kerzenlicht“), Kontrast
und Schärfe. Auch auf die Belichtungsmessung wird Einfluss genommen, indem
der Kamera bei typischen Fehlbelichtungssituationen (Gegenlicht, Schnee)
mitgeteilt wird, dass eine solche Situation vorliegt. Es gibt gar
Funktionen, die nur per Motivprogramm frei geschaltet werden können, so z.
B. der Nachführ-Autofokus im Sportprogramm oder die
Blitz-Langzeitsynchronisation im Nachtporträt-Modus. Bei Kameras ohne
Halbautomatiken oder manuellen Modus sind Motivprogramme oft die einzige
Möglichkeit, auf die Wahl der Blende bzw. Zeit Einfluss zu nehmen. Einige
typische Motivprogramme sollen hier erläutert werden.
Porträt
Bei einem Porträtfoto ist es erwünscht, dass die Kamera auf das Gesicht
scharf stellt und dabei aber möglichst den Hintergrund unscharf darstellt.
Erreicht wird dies vor allem durch eine große Blendenöffnung (kleine
Blendenzahl, z. B. 2,8), was in einer geringen Schärfentiefe resultiert.
Kameras, die über den Aufnahmesensor scharf stellen, sind in der Lage,
Hauttöne zu erkennen und genau hier zu fokussieren. Die Brennweite muss
vom Benutzer gewählt werden, klassische Porträtbrennweiten sind dabei
zwischen ca. 75 mm und 135 mm (entsprechend Kleinbild) angesiedelt, da
hier die Gesichtsproportionen sehr natürlich dargestellt werden. Größere
Brennweiten sorgen darüber hinaus für eine bessere Freistellung des
Modells von dem Hintergrund. Bei dem Motivprogramm werden weiterhin die
Hautfarben möglichst naturgetreu wieder gegeben.
Nachtporträt
Oft ist dieses Programm die einzige Möglichkeit, die so genannte
Blitz-Langzeitsynchronisation zu aktivieren. D. h. bei aktiviertem Blitz
orientiert sich die Verschlusszeit am Umgebungslicht, ohne das Blitzlicht zu
berücksichtigen. Somit ist es möglich, gleichzeitig ein Objekt (meistens
eine Person) vor einer recht dunklen Landschaft (Skyline einer Stadt, dunkle
Restaurantbeleuchtung, Sonnenuntergang) anzublitzen und damit hell genug
darzustellen, ohne dass der Hintergrund schwarz wird, weil er zu knapp
belichtet ist. Dabei sollte beachtet werden, dass die Verschlusszeiten sehr
lang werden können, so dass die Kamera am besten auf einer festen Unterlage
oder einem Stativ stehen sollte, um Verwackelungen zu vermeiden. Auch die
porträtierte Person sollte still halten, bis die Belichtung abgeschlossen
ist. Leichte Bewegungen sind dabei nicht so tragisch, da das Blitzlicht sehr
kurz ist und die Bewegung “einfriert“.
Landschaft
Bei einer Landschaftsaufnahme ist es meistens wichtig, dass möglichst viel
Bildschärfe vorliegt und die Detailzeichnung sehr hoch ist. Objektive haben
eine optimale Blende, bei der die Bildschärfe am höchsten ist und andere
negative optische Einflüsse am geringsten auftreten, die Details werden
besonders gut sichtbar. Diese Blende liegt bei 5,6-8,0, und so wird die
Kamera hier die optimale Blende für hohe Details und Bildschärfe einstellen.
Weiterhin sind Landschaften meist weit vom Aufnahmestandpunkt entfernt,
manche Kameras stellen den Fokus daher im Landschaftsprogramm auf unendlich.
Die Bildaufbereitung der Kamera kann auch auf die Herausarbeitung der
Details und der Farbwiedergabe optimiert werden, meistens sind kräftigere
Farben gewünscht, z. B. ein saftiges Grün bei Wiesen und Blättern oder
leuchtende Blüten.
Makro
Im Makromodus ist die Aufnahmedistanz sehr gering, kleine Objekte sollen
möglichst groß dargestellt werden. Die Schärfentiefe ist bei Makros aufgrund
der kurzen Fokuseinstellung gering, weshalb abgeblendet werden sollte
(kleine Blendenöffnung, hohe Blendenzahl, z. B. 8,0 oder 11). Details müssen
gut dargestellt werden, auch eine natürliche, aber kräftige Farb- und
Kontrastwiedergabe ist für einen höheren Schärfeeindruck nützlich.
Sport
Beim Sport werden schnell bewegte Motive fotografiert, was meistens kurze
Verschlusszeiten und einen Nachführ-Autofokus erfordert. Solange der
Auslöser gedrückt ist, wird dabei der Autofokus nachgeführt, so dass immer
eine optimale Fokussierung vorliegt und die Kamera möglicherweise sogar
vorausberechnen kann, wie der Fokus weiter verstellt werden muss (Prädiktions-AF).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abschaltung der Schärfepriorität
zugunsten einer Auslösepriorität, d. h. die Kamera löst ohne Zeitverzögerung
und Schärfekontrolle aus.
Sonnenuntergang
Hierbei handelt es sich zumeist auch um eine Landschaft, wobei aber die
Belichtung und die Farbwiedergabe (wärmere Farben) angepasst werden. Um den
“dunklen“ Eindruck zu vermitteln, wird das Bild kürzer belichtet, wodurch
Landschaftsdetails häufig nicht mehr sichtbar sind, aber die schöne dunkle
Silhouette vor der untergehenden Sonne besser herausgearbeitet wird.
Schnee/Gegenlicht
Diese beiden Motivprogramme beeinflussen vor allem die Belichtungssteuerung
der Kamera. Schneelandschaften enthalten viel weiße Fläche, die Kamera nimmt
die Umgebung als sehr hell wahr und steuert dagegen. Das Resultat ist grauer
statt weißer Schnee. Mit dem entsprechenden Motivprogramm bleibt der Schnee
weiß. Bei Gegenlicht ergibt sich eine ähnliche Situation. Die Kamera sieht
viel Licht und regelt die Belichtung herunter, so dass außer Schattenrissen
nicht mehr viel auf dem Foto zu erkennen ist. Mit dem
Gegenlicht-Motivprogramm kann die Belichtung dahingehend beeinflusst werden,
dass in den dunklen Motivteilen noch Details sichtbar werden.
Zahlreiche, andere mögliche Motivprogramme leiten sich oft mit leicht
geänderten Parametern aus den oben Genannten ab. Dazu gehören z. B. Herbst,
Kinder, Baby (manchmal mit Einblendung des aktuellen Alters als nettes
Gimmick), Tiere (ob Hund oder Katze ist da meist egal, auch wenn manche
Kameras selbst das unterscheiden), Kerzenlicht, Essen, Party, Weihnachten,
weiche Haut u. v. m.