Rubrik: Panoramaaufnahmen
Panoramafotografie: Der richtige Drehpunkt
1999-08-18 Der optimale Drehpunkt für die Kamera ist der Knotenpunkt (engl. "Nodal Point"), d. h. der Schnittpunkt zwischen der optischen Achse und der Hauptebene des Objektivs. Trifft ein Lichtstrahl in einem bestimmten Winkel auf den bildseitigen Knotenpunkt, so verlässt der Lichtstrahl den objektseitigen Knotenpunkt im gleichen Winkel. Eine gute Bezeichnung für diesen Punkt wäre also beispielsweise auch "Optisches Zentrum". (Michael Guthmann)
Die Frage ist berechtigt, wieso es so wichtig ist, bei einem Panorama aus Einzelbildern den Drehpunkt der Kamera auf dem Knotenpunkt zu platzieren. Zuerst einmal muss man dazu sagen, dass die meisten Programme auch mit Bildmaterial zurecht kommen, das nicht unter Berücksichtigung des Knotenpunkts aufgenommen wurde. Bei Aufnahmen, die nur weit entfernte Motive zeigen, ist dies auch kaum ein Problem. Aber spätestens, wenn man die Einzelbilder per Hand zusammenfügen möchte oder muss oder sich im Übergangsbereich zwischen zwei Bildern sowohl nahe als auch entfernte Objekte befinden, wird es um so schwieriger, je weiter der Drehpunkt bei der Aufnahme vom Knotenpunkt entfernt war.
Um sich die Problematik klarzumachen, genügt ein einfaches Experiment. Schließen Sie ein Auge und suchen sich eine vertikale Linie in Ihrer Nähe und eine, die dahinter weiter entfernt liegt, beispielsweise eine Seite eines Fensters und eine Häuserecke, auf die Sie blicken. Nun drehen Sie den Kopf und beobachten die beiden Linien und ihre Position zueinander. Sie werden feststellen, dass sich dabei die Position der beiden Linien zueinander ändert. Das kommt daher, dass die Drehachse des Kopfes nicht mit dem Knotenpunkt der Augen übereinstimmt (wer hat das eigentlich so schlampig konstruiert? ;-)). Genauso verhält es sich bei der Kamera, und man kann sich vorstellen, welche Probleme entstehen, wenn man zwei Bilder zusammenfügen muss, auf denen sich der Abstand zweier Objekte im Überlappungsbereich geändert hat. Man müsste dann ja theoretisch Vorder- und Hintergrund separat bearbeiten, und dies ist kaum möglich.
Diesen Effekt, der auch durch unser Experiment sichtbar wurde, nennt man übrigens auch Parallaxenfehler. Die Parallaxe ist der Winkel, den zwei Geraden bilden, die von verschiedenen Standorten auf einen Punkt gerichtet sind. Dieser Winkel, und somit auch der Abstand der beiden Gegenstände zueinander, müsste, da wir ja den Standort nicht verändert haben, gleich bleiben. Da das nicht so ist, wird eben von einem Parallaxenfehler gesprochen.
Bei der Panoramafotografie ist es sehr wichtig, den bildseitigen Knotenpunkt des Objektives zu kennen, weil man seine Kamera möglichst um diesen Punkt drehen sollte, um Parallaxenfehler zu vermeiden, die ein späteres Zusammensetzen der Einzelbilder erschweren würden. Da man die erforderlichen Angaben dafür von den Kameraherstellern in der Regel nicht bekommt, muss man den Knotenpunkt für seine Kamera bzw. für die Objektiv-Brennweite, mit der man die Panorama-Aufnahmen macht, selbst bestimmen. Aber keine Panik, so schwer ist das nicht.
Allerdings benötigt man dafür eine Konstruktion, die das Verschieben der Kamera oberhalb der Stativ-Drehachse in beide horizontale Richtungen ermöglicht. Dies kann ein spezieller Panorama-Kopf eines Stativherstellers sein oder eine Eigenkonstruktion, beispielsweise aus zwei überkreuz montierten Makro-Einstellschlitten. Ist der Knotenpunkt einmal ermittelt, reicht eigentlich eine feste Adapterkonstruktion (beispielsweise aus Aluminium), mit der die Kamera um die ermittelten Werte auf dem Stativkopf versetzt montiert werden kann. Da ein solcher simpler Adapter genau auf eine bestimmte Digitalkamera in Verbindung mit einem bestimmten Stativkopf abgestimmt sein müsste, erscheint es uns nicht denkbar, dass solche Adapter kommerziell hergestellt und vertrieben werden könnten.
In unserem Fototipp "So ermitteln Sie den Knotenpunkt" geht es darum, den Knotenpunkt einer Kamera selbst zu ermitteln, wenn für diese eine entsprechende Vorrichtung vorhanden ist.