Rubrik: Bildgestaltung
Perspektive verändert den Bildraum
2000-09-25 Perspektive ist die Darstellung des Raumes in der Fläche. Sowohl graphische Darstellung als auch Bildaussage können durch Wahl einer bestimmten Perspektive beeinflusst werden – vorausgesetzt, Ihre Kamera hat ein Zoomobjektiv. (Jürgen Rautenberg)
Kamerastandpunkt verändert Perspektive [Foto: Jürgen Rauteberg]
Die Fotografie schränkt ein räumliches, also dreidimensionales
Motiv auf die Dimensionen Breite und Höhe ein. Bei gezielter
Anwendung von Perspektive ist die "Darstellung des Raumes in
der Fläche" so die Definition von Perspektive im Lexikon
nicht nur möglich, sondern sogar beeinflussbar. Die
übersteigerten Größenunterschiede einer "steilen"
Perspektive wecken schon rein optisch das Interesse des Betrachters,
steigern aber auch die Dramatik; das Bild wirkt lebendig, kraftvoll,
raumgreifend. "Flache" Perspektive wirkt eher flächig,
plakativ, dokumentativ; Formen und Farben übernehmen hier die
Führungsrolle.
Was Sie vielleicht beim Betrachten eines Motivs gar nicht
wahrgenommen haben, erläutert die Grafik in Bild 1:
Perspektive fällt je nach Kamerastandpunkt anders aus.
"Flache" Perspektive erreichen Sie bei großem,
"steile" Perspektive bei geringerem Aufnahmeabstand. Je
größer die Brennweitendifferenz, um so stärker die
Größendifferenz der Motivelemente zueinander.
"Natürliche", d. h. unserem Augeneindruck
entsprechende Perspektive erzeugt das Normalobjektiv. Dessen
Brennweite hängt vom Aufnahmeformat ab. Beim Kleinbildformat
24 x 36 mm beträgt die Normalbrennweite 50 mm,
das entspricht einem Bildwinkel von 47 Grad (auch bei
Digitalkameras mit ihren unterschiedlich großen CCD-Sensoren wird
die Brennweite immer mindestens zusätzlich auch "äquivalent
zu 35-mm-Kleinbild" angegeben). Diese Darstellungsart wird in
der Regel bei Sachaufnahmen angewandt, in denen der Betrachter die
realen Formen des Motivs nachempfinden kann. Für steile Perspektive
setzt man Weitwinkel-, für flache Perspektive Teleobjektive ein.
Geringer Aufnahmeabstand mit einem Weitwinkelobjektiv [Foto: Jürgen Rauteberg]
Perspektive wird ausschließlich durch den Aufnahmestandort
bestimmt. Verändert man aber den Standort, ändert sich auch der
Bildausschnitt. Beim engen Tele-Bildwinkel wird er kleiner, beim
Weitwinkel größer. Deshalb eignen sich für steile Perspektive
Weitwinkel-, für flache Perspektive Teleobjektive.
Unverzichtbar sind deshalb wechselbare Objektivbrennweiten, mit
denen der Bildausschnitt dem Aufnahmeabstand angepasst werden kann.
Bei Kameras mit fest eingebautem Objektiv ist demnach, wenn man Wert
auf vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten legt, ein möglichst
großer Zoombereich anzustreben. Steht kein optisches Zoom zur
Verfügung, gibt es nur einen Ausweg: Ist der Bildwinkel für eine
gewünschte flache Darstellung zu groß, wählen Sie einen
größeren Aufnahmeabstand und schneiden hinterher die
überflüssigen Motivteile im Bildbearbeitungsprogramm weg
nichts anderes macht bereits während der Aufnahme übrigens ein
Digitalzoom. Allerdings müssen Sie bei dieser Methode je nach
Vergrößerungsgrad einen erhebliche Qualitätsverlust in Kauf
nehmen, denn Sie nutzen dann nur einen Teil der Bildauflösung Ihrer
Kamera. Ein "ehrlicher" Digitalzoom wird deshalb auch
immer die gespeicherte Bildgröße (in Pixeln) reduzieren oder
überhaupt nur dann zur Verfügung stehen, wenn eine geringere als
die maximale Auflösung der Kamera eingestellt ist.
Großer Aufnahmeabstand mit einem Teleobjektiv [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 1 Perspektive fällt je nach
Kamerastandpunkt anders aus.
Beispiel für "steile" Perspektive [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 und 3 Keine Zaubertrick!
Zwischen den beiden Fotos ist am Motiv nichts verändert worden. Der
Fotograf hat lediglich beim ersten Bild einen sehr geringen
Aufnahmeabstand mit einem Weitwinkel, beim zweiten Bild einen
großen Abstand mit einem Teleobjektiv kombiniert.
Bild 4 Ein
typisches Beispiel für "steile" Perspektive:
Aufnahmeabstand zum gelben Element im Vordergrund ca. 20 cm,
Weitwinkelobjektiv 20 mm.