Rubrik: Bildbearbeitung

Porträt-Fotografie – Teil 3: Die Haut

2009-06-15 Das erste Porträtshooting ist gelaufen, und nun geht es ans "Eingemachte". Ausgehend von der Art des Shootings ist nun eine Sichtung der Bilder wichtig und – je nach dem, was vereinbart war – die Zusendung der Bilder an das Modell. Hier darf man sich das oft benutzte und missbrauchte Andreas-Feininger-Zitat einmal durch den Kopf gehen lassen.: "Die Tatsache, dass eine (im konventionellen Sinn) technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht." Allerdings ist es empfehlenswert, dies im Kontext mit einem weiteren Zitat von Andreas Feininger zu sehen: "Bei ungünstigen Lichtverhältnissen oder unfotogenen Motiven ist es eine Kunst, NICHT auf den Auslöser zu drücken!"  (Harm-Diercks Gronewold)

Basisretusche vor der Hautweichzeichnung [Foto: Harm-Diercks Gronewold] Was bedeutet das für den Fotografen? Es sagt ihm, dass nicht alles, was technisch schlecht auch bar jeder Aussage ist, und gleichzeitig heißt es nicht, dass ein Foto es um jeden Preis verdient, gemacht und bearbeitet zu werden.

Doch vor der Kür die Pflicht: Nach der Bildauswahl auf dem Rechner ist vor der Bildauswahl. Hat man die erste Hürde der ersten Bildselektion genommen, kommt die zweite Hürde, die Verschlagwortung. Die Verschlagwortung erfolgt grundsätzlich dem Geschmack des Fotografen entsprechend. Es empfiehlt sich jedoch, in jedem Fall den Namen des Modells und die Art der Aufnahme mit einzubeziehen. Nach den Schlagworten kommt dann die Bildbewertung, hier helfen oft Programme mit. So kann man in Lightroom, Adobe Bridge oder Aperture Sternchen vergeben und so zusätzlich zu den Stichworten Sortiermöglichkeiten erschließen. 

Ist die Sortierung abgeschlossen und die Daten gesichert – auf Festplatten und/oder anderen Datenträgern – kann die Bearbeitung beginnen. Zuerst, ganz wichtig, Belichtung und Farbkorrektur, vorzugsweise im RAW-Konverter. Dann die Übergabe an das Bildbearbeitungsprogramm. Zur Bearbeitung eignen sich am besten Programme, welche Bildbearbeitung via Ebenen zulassen (z. B. Photoshop, Gimp oder andere). Nun sollte man sich fragen, was man möchte – ein Porträt mit butterweicher, porzellanartiger Haut erstellen oder die natürliche Struktur der Haut erhalten. Beide Varianten haben etwas und bei Beiden ist die Ausgangslage gleich. Die Haut muss frei von Pickeln, Hautschüppchen und Überbelichtungen sein, und man sollte NIE auf der Hauptebene arbeiten; diese sollte möglichst unangetastet bleiben. Die Haut bearbeitet man am einfachsten mit dem Kopierstempel (weich) und einer Quelle aus der Nähe oder, wenn das Programm eine solche Funktion besitzt, mit einem Reparaturwerkzeug. Ist die Haut soweit "klar", kann man nun diese retuschierte Ebene kopieren und mit einem Gaußschen Weichzeichner "glatt" machen – besser geeignet ist der Filter "matter machen". Nachteil hier ist der Verlust von Details. Nun gilt es, eine Maske anzulegen, welche die Weichzeichnung an den gewünschten Stellen zulässt und per Ebenendeckkraft im Ganzen beeinflusst werden kann.

Unterstützt das Programm keine Masken, geht man umgekehrt vor: Man kopiert die nicht weichgezeichnete, retuschierte Ebene zweifach und blendet die oberste aus. Die darunter liegende Ebene wird nun weichgezeichnet und die obere wieder eingeblendet. Diese deckt nun die weiche Ebene ab; was nun folgt, wird als destruktive Bildbearbeitung bezeichnet und ist NUR für Programme ohne Maskenfunktion zu empfehlen. Denn als Werkzeug wählt man das "Radiergummi", eine geringe Deckkraft (10-20 %) und legt vorsichtig los. Hierbei zerstört man eine Bildebene und kann – wenn man sich "verradiert" haben sollte – nicht wie bei einer Maske das schnell wieder ausgleichen. Vorteil der geringen Deckkraft ist, dass der Effekt nur dort stark zum Tragen kommt, wo man diesen Effekt tatsächlich haben möchte. Augen, Haare und Mund sowie Konturen gehören zu den Gesichtspartien, die man nicht weichzeichnen sollte.


Die natürliche Hautwiedergabe ist – ausgehend von einer einwandfreien Hautretusche – mit dem Wissen, was eigentlich genau passieren soll, gar nicht mehr so schwer, und der versierte Nutzer wird eine Menge unterschiedlicher Ansätze entdecken. Starke Hautstrukturen sind nichts weiter als der Helligkeitsunterschied der einzelnen Poren. So wird man bei Aufnahmen mit hartem Seitenlicht starke Hautdetails erkennen und bei frontalem Licht nicht. Der Ansatz besteht hier also darin, den Unterschied zwischen Hell und Dunkel zu verringern. Und dazu kann man Gradationskurven hinzuziehen bis hin zum Einsatz von Nachbelichter- und Abwedler-Werkzeugen. So könnte man sogar schon in der RAW-Entwicklung eine zweite Version der Datei erzeugen, welche von den Kontrasten weicher ist, um diese dann via "Copy and Paste" oder Maskentechnik auf die andere Bilddatei anzuwenden. Auch gibt es auf dem Markt reichlich weitere Tutorials, Photoshop-Aktionen und Plug-ins (z. B. Color Efex Pro 3.0), welche sich mit der Weichzeichnung der Haut beschäftigen.

Aber eines ist sicher: Übung macht den Meister, und wie ein Meister der Fotografie, Helmut Newton, einst vortrefflich sagte: " Die ersten 10.000 Aufnahmen sind die Schlechtesten. "

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