Rubrik: Motive und Situationen
Porträtfotografie – Männerporträts
2010-02-15 Oftmals entsteht der Eindruck, dass Models in der Fotografie überwiegend weiblich zu sein hätten. Besonders im Hobby- und Amateurbereich zeigt der Großteil der Aufnahmen Frauen in allen Posen und Variationen, die nur möglich sind. Männer kommen oft nur im sekundären Bildbereich vor oder als "Staffage". Doch es geht auch anders. Denn auch Männerporträts haben ihren besonderen Reiz, auch wenn dieser meist anders zu entdecken und umzusetzen ist als derjenige von Frauenporträts. (Harm-Diercks Gronewold)
Bei der Porträtfotografie geht es grundsätzlich darum, einen Menschen zu charakterisieren – ob dieser Charakter nun gespielt sein mag, also ein bestimmtes Ziel mit dem Foto erreicht werden soll, etwa für Werbezwecke; oder ob – wie in der klassischen Porträtfotografie – darauf abgezielt wird, den Menschen so darzustellen, wie er sich selbst sieht oder wie er gesehen werden möchte. Der Fotograf als Umsetzer der Idee ist dazu da, dies zu entdecken und bildlich sichtbar zu machen. Aus diesem Grund gibt es die unterschiedlichsten Porträtstile und Vorgehensweisen bei der Durchführung von Porträtshootings. Darum ist ein Vorgespräch (wie in einem unserer vorangegangenen Fototipps erwähnt, siehe weiterführenden Link) unerlässlich, denn dabei muss geklärt werden, was gemacht werden soll, kann und darf. Auch ist es wichtig, bei der Gelegenheit das Modell kennenzulernen und so seinen Charakter und seine Art sich zu geben kennenzulernen. Am wichtigsten ist jedoch, dass man als Fotograf erkennt, wie sich das Modell selber sieht. Danach kann der Fotograf zu denjenigen Stilmitteln greifen, die das Foto oder die Fotoserie zum Erfolg machen.
Die unterschiedliche Selbstbetrachtung von Frauen und Männern bestimmt dann auch die Art der Porträts. In den meisten Fällen wollen sich Männer sehr maskulin dargestellt sehen, auch wenn sie dies von Natur aus vielleicht nicht sind. Interessanterweise werden Porträtfotos von Männern, welche mit viel Schatten ausgeleuchtet wurden und sehr scharf gezeichnete Details aufweisen, von den meisten Betrachtern eher akzeptiert als weich ausgeleuchtete Fotos mit etwaiger Hautweichzeichnung. Daraus resultiert, dass Männer die Sichtbarkeit von Falten in der Porträtfotografie nicht nur akzeptieren, sondern auch als authentisch empfinden.
Doch wie geht man an ein Männerporträt heran? Grundsätzlich genauso, wie man es technisch und fotografisch beim Shooting mit einer Frau handhabt. Nur die Pose ist natürlich eine andere, denn in den meisten Fällen sehen klassisch weibliche Posen bei Männern recht albern aus und dienen höchstens der Auflockerung. Oft sind es Posen aus dem Arbeitsleben oder einer anderen Tätigkeit, die authentisch wirken.
Die Wahl des Aufnahmewinkels wird oft unterschätzt, sie ist für die Bildaussage jedoch immens wichtig. So wirken Bilder, die einen negativen Neigungswinkel der Kamera haben (von oben herab), als würde der Betrachter über dem Fotografierten stehen. Bilder, die mit einem positiven Neigungswinkel der Kamera gemacht wurden (also von unten nach oben), wirken so, als wäre der Fotografierte erhaben und majestätisch. Je nach Größe der Neigung wird der Eindruck verstärkt oder abgeschwächt. Eine Aufnahmeposition ohne Neigungswinkel – sozusagen Aug´ in Auge – stellt den Betrachter auf eine Ebene mit dem Fotografierten. Als Beispiel dafür sollte man sich klassische Gemälde ansehen. Dort findet man Monarchen in den meisten Fällen leicht von unten porträtiert. Männerporträts wirken in den meisten Fällen am besten, wenn der Neigungswinkel neutral bis leicht positiv ist. Das ist allerdings keine Regel, die nie gebrochen werden dürfte. Wichtig ist immer zu erkennen, was für ein Bild zuträglich ist und was nicht.
Beim Licht kann man experimentieren, wie eigentlich immer in der Porträtfotografie. Jedoch sind Männerporträts mit Schatten (LowKey) oft eine gute Wahl. Da ein Fotograf jedoch immer die Herausforderung sucht, ist auch ein HighKey-Männerporträt lohnenswert, wenn auch ungleich schwieriger umzusetzen als bei einem weiblichen Modell.