Rubrik: Bildbearbeitung
RAW-Dateien stapelweise entwickeln – Teil 1
2011-11-21 Das kameraspezifische RAW-Format bietet gegenüber den üblichen JPEG-Dateien eine Reihe von Vorteilen: Die Reserven zur Optimierung sind deutlich größer, selbst krasse Aufnahmefehler lassen sich oftmals noch ausbügeln. Und anstatt die Kamera mühsam und zeitraubend perfekt für jedes Foto einzustellen, kann das Feintuning bequem am heimischen PC-Monitor stattfinden. Viele Fotografen empfinden jedoch gerade die nachträgliche Bearbeitung als zeitfressend und umständlich. Zu Unrecht, denn heutige Konverter können die RAW-Entwicklung clever automatisieren – die Möglichkeit zur individuellen Anpassung eines jeden Fotos bleibt dabei jederzeit erhalten. (Martin Vieten)
Bevor eine Digitalkamera eine Aufnahme als Datei speichert, durchläuft sie einen ausgedehnten Bildbearbeitungsprozess. Farben, Kontraste, Schärfe, Rauschunterdrückung und vieles mehr stellt die kamerainterne Bildaufbereitung ein, erst dann gelangt das Foto als JPEG-Datei auf die Speicherkarte. Der Fotograf erhält so quasi ein Sofortbild, das er ohne Umschweif drucken oder auf dem Monitor präsentieren kann. Doch was die Kamera einmal an den rohen Aufnahmedaten geändert hat, lässt sich später nur noch in engen Grenzen korrigieren. Bestes Beispiel dafür ist die Rauschunterdrückung: Bei fast allen Kameras greift sie stärker ein, als nötig wäre, mit dem Rauschen verschwinden dann auch feinste Bilddetails. Details, die der Rauschunterdrückung indes einmal zum Opfer gefallen sind, lassen sich nachträglich nicht mehr rekonstruieren.
Es gibt also gute Gründe, sich nicht blind auf die kamerainterne Bildaufbereitung zu verlassen. Der wichtigste Grund: Die JPEG-Aufbereitung nimmt praktisch keine Rücksicht auf die Bildinhalte, also das Motiv. Zwar lässt sich bei hochwertigen Kameras die interne Bildaufbereitung in weiten Bereichen an die Vorstellungen des Fotografen anpassen – doch bei der Vielzahl der Parameter artet das schnell in zeitraubende Einstellorgien aus. Als Alternative bieten Systemkameras sowie hochwertige Kompaktkameras die Möglichkeit zur Aufzeichnung im RAW-Format. Diese RAW-Dateien enthalten im Idealfall exakt die Daten, die Sensor und A/D-Wandler der Kamera geliefert haben. Übrigens meist mit einer Bittiefe von zwölf oder gar 14 Bit, Farben und Kontraste sind also deutlich feiner abgestuft als bei den fertig gegarten JPEG-Dateien mit nur acht Bit je Farbkanal.
RAW-Dateien sind allerdings keine Sofortbilder, sie müssen zwingend mit einem RAW-Konverter in ein übliches Bilddateiformat überführt werden, bevor sie gedruckt oder weiter verarbeitet werden können. Für eine einzelne Aufnahme mag der damit verbundene Aufwand noch akzeptabel sein. Was aber, wenn bei einem Fotoshooting oder auf einer Party gleich dutzende oder hunderte Fotos anfallen? Jetzt jedes RAW-Bild einzeln zu entwickeln, wäre in der Tat ein sehr mühsames Unterfangen. Zum Glück ist das heute kaum noch nötig: Die gängigen RAW-Konverter erlauben die Stapelbearbeitung. Dazu zählen etwa Photoshop mit dem Konverter Camera-Raw oder Lightroom, diese Programme entwickeln auf Wunsch alle Aufnahmen einer Serie auf einem Rutsch. Doch das ist noch nicht alles: Photoshop und Lightroom können sogar alle RAW-Aufnahmen schon beim Import vollautomatisch entwickeln, die Entwicklungseinstellungen für diese Automatik lassen sich für jede Kamera und jede ISO-Zahl individuell vorgeben – mehr dazu im zweiten Teil dieses Fototipps, der in Kürze erscheinen wird. Und weil beide Programme, wie übrigens die meisten RAW-Konverter, nicht-destruktiv arbeiten, bleiben die ursprünglich aufgezeichneten Daten stets erhalten. Die automatisch zugewiesenen Entwicklungseinstellungen können also jederzeit für jedes Bild geändert werden. Sogar verschiedene Entwicklungsvarianten lassen sich in einer RAW-Datei speichern und so auf Knopfdruck unterschiedliche Versionen ein und derselben Aufnahme abrufen.
Die Stapelverarbeitung von RAW-Dateien in Photoshop ist denkbar einfach: Zunächst wählt man die gewünschten Bilder in Bridge aus, indem die entsprechenden Miniaturen bei gedrückter STRG-Taste angeklickt werden. Dann werden die ausgewählten Dateien mit der Tastenkombination STRG+R in Camera Raw, dem RAW-Konverter von Photoshop, geöffnet. Links im Dialog listet Camera Raw alle Dateien auf, standardmäßig ist aber nur die oberste im Stapel aktiv. Diese entwickelt man nun, stellt also Belichtung, Farben, Rauschunterdrückung etc. ein. Ist das erledigt, klickt man oben links auf "Alles auswählen" und sogleich auf "Synchronisieren". Camera Raw blendet jetzt einen Dialog ein, in dem man eine Vielzahl von Parametern vorgeben kann, die vom ersten Bild auf die restlichen im Stapel übertragen werden sollen. Zur Vereinfachung der Auswahl bietet der Dialog "Synchronisieren" eine Reihe von Einstellungssets, die weitgehend den Registern von Camera Raw entsprechen. In der Regel sollte man zumindest die Vorgaben "Grundeinstellungen" und "Details" auf alle Fotos der Serie anwenden. Nachdem zunächst allen Bildern im Stapel die für das erste Foto festgelegten Einstellungen zugewiesen wurden, sollte rasch noch jedes einzelne Bild kontrolliert werden – mit einem Klick auf die Miniatur links im Stapel wählt man die gewünschte Aufnahme aus. Falls nötig, lassen sich nun die Entwicklungseinstellungen für jedes Einzelbild anpassen. Mit einem Klick auf "Fertig" schließt man die Stapel-Entwicklung ab.
Es ist übrigens nicht nötig, den gesamten Bilderstapel in Camera Raw zu öffnen. Insbesondere auf schwachbrüstigen Rechnern kann dies sogar von Nachteil sein. Alternativ bieten Bridge und Camera Raw das folgende Verfahren an: Zunächst wird ein beliebiges Bild aus der Serie via Bridge in Camera Raw geöffnet und entwickelt. Sobald man zu Bridge zurückgekehrt ist, folgt ein Rechtsklick auf die soeben entwickelte RAW-Datei. Es öffnet sich ein Kontextmenü, hier wählt man „Entwicklungseinstellungen, Einstellungen "kopieren". Im nächsten Schritt werden mit STRG+Klick die Bilder markiert, auf die die Einstellungen übertragen werden sollen. Jetzt folgt ein Rechtsklick auf eine beliebige Miniatur der Serie, diesmal nimmt man "Entwicklungseinstellungen, Einstellungen einfügen". Bridge blendet den Dialog "Synchronisieren" ein, hier legt man ganz wie in Camera Raw fest, welche Entwicklungsparameter auf die Bilder der Serie angewendet werden sollen. Ganz ähnlich funktioniert übrigens die Stapelverarbeitung "Entwickeln"-Modul von Lightroom: Hier wählt man unten im Filmstreifen die gewünschten Aufnahmen per STRG+Klick aus. Nun lässt sich innerhalb der Auswahl das Bild aktivieren, das zunächst entwickelt werden soll. Ist das erledigt, folgt ein Klick auf die "Synchronisieren"-Schaltfläche rechts unten. Auch Lightroom blendet daraufhin einen Dialog ein, in dem sich sehr detailliert festlegen lässt, welche Parameter für alle Bilder im Stapel übernommen werden sollen.