Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Bildgestaltung
Regenfotos
2001-12-03 Regen? Schnell weg mit der Kamera, damit sie nicht nass wird! Außerdem – viel zu ungemütlich zum Fotografieren ... Wer so denkt, verschenkt die Chance auf wundervolle Impressionen. Die Resultate entschädigen für alle Unbequemlichkeiten. (Jürgen Rautenberg)
Sturmregen in Travemünde [Foto: Jürgen Rauteberg]
Regen ist nicht gleich Regen. Zwischen dem leichten, sonnigen Frühlingsregen
und einem Wolkenbruch liegt Wasserfülle in unendlichen Variationen. Natürlich
muss etwas gegen die Nässe getan werden. Für die Kamera sollte ein sauberes
baumwollenes Taschentuch zur Hand sein, um Tropfen regelmäßig von Gehäuse und
Objektiv entfernen zu können. Jedes Tröpfchen auf dem Objektiv wirkt aufgrund
der Lichtstreuung wie ein Weichzeichner. Ein Regenschirm mag lächerlich
scheinen. Er sorgt aber dafür, dass der Fotograf in Ruhe den Ausschnitt wählen
und auslösen kann. Die modernen Geräte mit Belichtungs- und
Scharfstellautomatik kann man schließlich wie Einhandgeräte behandeln. Das ist
eine Sache der Übung. Auch Bäume, Tore, Brücken und dergleichen kann man als
Standort wählen. Alternativ kann eine Gegenlichtblende zumindest für die
Frontlinse als Regenschirm wirken.
Regen beeinflusst die Lichtverhältnisse und erfordert unter Umständen eine
Belichtungskorrektur. Das erste Bild ist geprägt durch dramatischen Sturmregen,
der die Szene stark abdunkelt. Der Belichtungsmesser würde zu hell belichten
und die Dramatik wäre futsch. Also muss das zu helle Bild von Hand ins Minus
korrigiert werden. In diesem Fall genügte eine Minus-Korrektur um eine halbe
Belichtungsstufe.
Überschwemmung in Venedig [Foto: Jürgen Rauteberg]
In Sachen Belichtungskorrektur folgendes zur Erinnerung: Die
Belichtungsautomatik hat die Aufgabe, jedes Bild zu mittlerer Helligkeit – die
etwa 90 % aller Motive entspricht – zu belichten. Auch sehr helle (Schnee, weiße
Wände) und sehr dunkle Motive (Lava, Asphalt) würde der Belichtungsmesser auf
diese Weise messen und macht damit, wie man aus leidvoller Erfahrung weiß,
weißen Schnee und schwarze Lava gleichermaßen zu unscheinbarem Grau. Deshalb
müssen solche Motive korrigiert werden und zwar grundsätzlich sehr helle
Motive mit Plus und sehr dunkle mit Minus. Eine Korrekturstufe entspricht einer
Belichtungsstufe.
Ganz entgegengesetzt musste auf das leichte, helle, kontrastreiche Motiv des
zweiten Bildes reagiert werden. Mehrere Faktoren – dünne Wolkendecke, heller
Hintergrund, feiner Nieselregen – summieren sich zu mehr Helligkeit als man
vermuten würde. Hier musste daher um eine ganze Stufe ins Plus korrigiert
werden. Andernfalls hätte die Stimmung ihr Strahlen verloren, geblieben wäre
ein stinknormales, trübes Knipserfoto.
Frühlingsregen in Tokio [Foto: Jürgen Rauteberg]
Beim dritten Bild wurde die Entscheidung der Automatik überlassen. Das
Nebeneinander von extrem hellen und extrem dunklen Motivpartien führt zu einem
ganz normalen Mittelwert, der eine Korrektur überflüssig macht. Der leichte,
warme japanische Frühlingsregen bleibt erlebbar. Der aus dem Räucherbecken
links im Bild aufsteigende Dunst verstärkt die Wirkung; alle Faktoren
miteinander vermitteln eine verhalten fröhliche Leichtigkeit, die der realen
Situation durchaus entspricht. Das letzte Bild zeigt eine Gruppe internationaler
Fotofunktionäre, die nicht im Regen stehen möchten. Typisch Funktionär ...
Schließen Sie aus diesen Informationen, dass jedes von der Helligkeit her
ausgefallene Motiv die Frage nach der Notwendigkeit einer Korrektur stellt. So
exakt ein Belichtungsmesser auch arbeitet; er kann nur einen objektiven Wert
messen, nicht aber logisch denken. Das muss der Fotograf tun!
Zwei Bögen mit Wartenden [Foto: Jürgen Rauteberg]