Rubrik: Bildgestaltung
Schattenbilder
2001-09-10 In unserem Tipp "Infogeber Schatten" nannten wir zwei gewichtige Gründe für die gezielte Anwendung von Schatten im Foto. Ging es dort um den Schatten als Hilfsmittel beim sichtbar machen von Raum, behandeln wir hier den Schatten als Gestaltungsmittel. (Jürgen Rautenberg)
Gesteigerte Dramatik durch Schatten [Foto: Jürgen Rauteberg]
Im Freien produziert die Sonne Schatten, in Räumen tun dies alle möglichen
Kunstlichtquellen. Wir sind so an Schatten gewöhnt, dass wir sie gar nicht mehr
bewusst wahrnehmen. Mancher Fotograf erkennt sie erst auf dem fertigen Bild,
obwohl sie während der Aufnahme durchaus vorhanden waren. Woran liegt das? Die
Tatsache , dass sie da sind, hat sich derart in unserem persönlichen
"Hauptspeicher" eingeprägt, dass wir sie als gegeben hinnehmen und
nicht mehr beachten. Prägen Sie sich seine Bedeutung durch einen Schlüsselsatz
ein: Der Schatten ist der dunkle Bruder des Lichtes.
Dem erfahrenen Fotografen dreht es den Magen im Leib herum, wenn er sieht, wie
Anfänger eifrig bemüht sind, etwa in einem Porträt Schatten wegzumuffeln und
zu dem Zweck immer noch eine Lampe mehr einsetzen. Nicht bedenkend, dass jede
neue Lichtquelle wieder ihre eigenen Schatten wirft. So bekommt man Schatten
nicht in den Griff! Anstatt Sie als Störelemente anzusehen, sollte man lernen,
mit ihnen umzugehen.
Schatten wird zum gestaltenden Teil [Foto: Jürgen Rauteberg]
Ein gezielt eingesetzter Schatten vermag ein Motiv erstaunlich zu
beeinflussen. Es lohnt sich deshalb, an einem sonnigen Morgen oder Abend – mittags sind die Schatten zu kurz
– in die Landschaft zu ziehen und sich mit
dem Phänomen Schatten vertraut zu machen. Bei Regenwetter experimentieren Sie
zuhause mit irgendwelchen Gegenständen und einer Schreibtischlampe. Es wird Sie
überraschen, welche Formensprache und -vielfalt Sie entdecken werden!
Überlegen sie jetzt, wie Sie in einem konkreten Motiv den Schatten angehen
könnten, wie aus dem Motiv und seinem Schatten eine eigenständige Aussage, ein
"neues Bild" entstehen kann. Schießen Sie ein paar Übungsfotos mit
Ihrer Digitalkamera und beurteilen Sie diese anschließend auf dem Bildschirm.
Eine ganz besondere Bedeutung gebührt dem Schatten, wenn ein Mensch
fotografiert wird. Dieses Thema ist allein so umfangreich, dass wir ihm noch
einen eigenen Tipp widmen werden.
Bild 1 Gegenlicht, in dem die Schatten dem Motiv
kräftige Strukturzeichnung, harte Kontraste und damit Dramatik verleihen. Das
gleiche Motiv bei Frontallicht wäre zwar farblich bunter und in der Wirkung
lieblicher ausgefallen, müsste aber auf die starke Spannung der hier gewählten
Gegenlichtsituation verzichten.
Schatten als Hintergrund [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 Hier hat der Schatten nicht nur
einen kontraststeigernden Effekt, sondern wird gestaltender Teil des
Motivs. Das Licht fällt steil von rechts oben ein. Nur Sekunden nimmt die
Sonne diese Stellung ein, die ideale Beleuchtung ermöglicht. Bewegt sich
die Sonne auch nur geringfügig nach vorne, dann wird das zwar den
bildbestimmenden diagonalen Schatten kaum beeinflussen. Von der fein
gezeichneten Struktur der Wand allerdings bliebe nicht viel; sie würde
zur kaum strukturierten Fläche. Manchmal kommt es eben auf die Minute an.
Bild 3 In diesem Bild hat der Schatten eine ganz
andere Aufgabe. Er liegt nicht auf dem Motiv selbst, sondern auf dem
Hintergrund. Dessen Büsche werden durch ihn zu einer schwarzen Fläche
reduziert. Diese sorgt dafür, dass das vom Seitenlicht modulierte Motiv klar
und in leuchtenden Farben erscheint (Merke: Vor Schwarz gewinnt Farbe an
Leuchtkraft, vor Weiß wird sie verringert).