Rubriken: Bildbearbeitung, Motive und Situationen
Sehenswürdigkeiten "entvölkern" mit Neat Projects Professional
2016-08-22 Kennen Sie das auch? Sie sind im Urlaub und wollen eine Sehenswürdigkeit fotografieren, und am Ende haben Sie mehr menschliche Besucher als Sehenswürdigkeit auf dem Bild. Verschiedene Techniken erlauben es, einen Platz zu „entvölkern“, sei es nun eine Langzeitbelichtung mit Graufilter, eine Reise zur Nebensaison oder eine Bildfolge, die Sie manuell in einer Bildbearbeitungssoftware so anpassen, dass keine fremden Personen oder Fahrzeuge mehr zu sehen sind. Wir zeigen Ihnen in diesem Fototipp, wie Sie dies mit der Software „Neat Projects Professional“ vom Franzis-Verlag fast automatisch durchführen können. (Harm-Diercks Gronewold)
Neat Projects Professional Arbeitsfläche vor dem Bildimport. [Foto: Medianord]
Nach dem Einlesen der Bilderserie zeigt die Vorschau ein Bild, in dem der Himmel und die Rasenfläche rechts noch fehlerhaft sind. [Foto: Medianord]
Durch Einsatz des Pinsels konnten Bereiche des Bilder von Geisterbildern befreit werden. [Foto: Medianord]
Auch wenn die erste Retusche schon bessere Ergebnisse gebracht hat, sind immer noch störende Bildelemente vorhanden. [Foto: Medianord]
Doch wie geht Neat Projects Professional vor, um Menschen und auch fahrende Fahrzeuge aus dem Bild zu entfernen? Zunächst brauchen Sie natürlich eine Kamera und etwas Geduld. Laut Hersteller der Software wird auch kein Stativ benötigt. Wir haben diese Aussage überprüft und in der Tat, bei neutral ausgerichteter Kamera gleicht die Software etwaige Verschiebungen sauber aus. Als wir allerdings für eine Aufnahmeserie die Kamera nach oben schwenken mussten, konnte die Software einige perspektivische Verzerrungen nicht mehr ausgleichen. Für diesen Fall sollten Sie dann besser ein Stativ verwenden. Wenn Sie neben dem Stativ auch noch einen Fernauslöser besitzen, dann können Sie diesen natürlich auch benutzen. Als nächstes stellen Sie sich mit Ihrer Ausrüstung so hin, dass Sie den Bildausschnitt wie gewünscht einstellen können. Dann wechseln Sie entweder in die Zeitautomatik oder in den manuellen Modus, um die Blende und Belichtungszeit anzupassen. Da Neat Projects Professional ungleichmäßige Belichtungen ausgleichen kann, können Sie auch die Automatik benutzen. Allerdings sollte sich die Blende nie verändern. Die Blendenautomatik ist weniger sinnvoll, da das automatische Ändern der Blende auch Änderungen im Schärfenbereich mit sich bringt. Bitte überprüfen Sie auch noch, ob der Bildstabilisator abgeschaltet ist. Dann kann es auch schon losgehen.
Jetzt fangen Sie an, Aufnahmen zu machen. Wenn Sie im manuellen Modus arbeiten, dann ist es nicht verkehrt, ab und zu die Belichtung zu korrigieren, da die Bilder möglichst eine gleichbleibende Helligkeit haben sollten. Die Aufnahmen müssen keine regelmäßigen Abstände haben, sollten aber auf keinen Fall zu schnell aufeinander folgend sein. Als Faustregel gilt, je belebter die Szenerie ist, desto mehr Aufnahmen müssen gemacht werden. Nehmen Sie sich also Zeit und eine leere Speicherkarte mit, wenn Sie beispielsweise am Trevi Brunnen in Rom Aufnahmen machen möchten. Mehr als 100 Aufnahmen brauchen Sie allerdings nicht anzufertigen, denn Neat Projects Professional kann maximal 100 Aufnahmen verarbeiten. Sind die Aufnahmen im Kasten, können Sie mit Neat Projects Professional loslegen. Für das hier gezeigte Beispielbild wurden insgesamt 85 Bilder aufgenommen, effektiv wurden sogar nur 18 Stück benötigt.
Die Theorie hinter Neat Projects Professional ist, dass die Software das Bild analysiert und erkennt, welche Bildbereiche sich verändern und welche sich nicht verändern. Neat Projects Professional geht dann davon aus, dass die sich verändernden Bildbereiche nicht zum fertigen Bild gehören sollen und deckt diese dann mit automatischen Masken ab, die für jedes Bild individuell errechnet werden. In der Praxis sieht es dann so aus, dass Sie nach dem Start von Neat Projects Professional die Option „Bildsequenz laden“ anwählen und die entsprechenden Bilder auswählen. Durch einen Klick auf den „öffnen“-Button fängt die Software an zu arbeiten.
Dieser Problembereich ist dadurch entstanden, dass die Gruppe Menschen lange Zeit auf einem Punkt saß und so als Bildteil erkannt wurde. Mit Hilfe des Pinsel kann dieser Bereich....... [Foto: Medianord]
...reduziert werden. Da das Ergebnis aber noch nicht gut ist, kann der Pinsel mit dem Stanzmodus kombiniert werden. [Foto: Medianord]
In Kombination mit dem Stanzmodus wird der vom Pinsel markierte Bereich in der ausgewählten Ebene stärker berücksichtigt. Zusätzlich wird der Bereich in den anderen Ebenen gleichzeitig weniger berücksichtigt. [Foto: Medianord]
Nach dem kombinierten Einsatz der Werkzeuge ist von dem Geisterbild nichts mehr zu sehen. [Foto: Medianord]
Abhängig von der Leistung des Rechners, der Bildauflösung sowie der Bildanzahl kann Neat Projects Professional Ihnen empfehlen, die Auflösung oder die Anzahl der Bilder zu reduzieren. Wenn Sie die Auflösung reduzieren, dann hat das Endergebnis circa 1,3 Megapixel, somit sollte also besser die Anzahl der Bilder reduziert werden. Bei großen Serien führt das manchmal dazu, dass das Ergebnis nicht so gut gelingt. In unserem Beispiel haben wir die Sequenz reduziert, die ausgewählten Bilder notiert und dann noch einmal die Quellbilder angesehen, um die besten zu finden, die die Bildteile zeigen, die im Ergebnisbild fehlerhaft waren. Wenn Sie einen sehr leistungsstarken Rechner haben, können Sie aber auch einfach etwas warten und alle Bilder verarbeiten. Nachdem die Bilder eingelesen und verarbeitet sind, präsentiert Neat Projects Professional die Bildvorschau.
Wenn die Bilderserie viele sich bewegende Objekte hatte, dann ist die Chance, dass Geisterbilder entstehen, relativ gering. In unserem Beispiel saß allerdings eine Gruppe relativ lange auf einem Teilstück des Rasens und erzeugt damit ein unschönes „Geisterbild“. Um ein solches Bild zu beseitigen, müssen Sie manuell eingreifen. Auch dafür bringt Neat Projects Professional die Werkzeuge mit. Als Erstes muss die Ansicht gewechselt werden, dazu klicken Sie auf die Schaltfläche „Bildsequenz bearbeiten“. Danach müssen Sie die Bilder heraussuchen, die die Quelle für das Geisterbild nicht beinhalten. In unserem Fall also Bilder, wo die Gruppe nicht zu sehen ist. Um die Quellbilder anzuzeigen, klicken Sie einfach das entsprechende Bild an. Dieses wird dann in der großen Ansicht präsentiert. Zum Bearbeiten der Maskierung klicken Sie auf das ganz rechte Feld in der Spalte des entsprechenden Bildes. Diese färbt sich dann rot. Anschließend klicken Sie auf das Pinsel-Icon in der Werkzeugliste und danach wählen Sie den Pinsel rechts neben den drei Kreisen aus. Dieser Pinsel kann in seiner Deckkraft und Größe sowie Form verändert werden. Mit dem Pinsel arbeiten Sie nun den Bereich aus, der stärker in das Ergebnis einbezogen werden soll.
Nach Abschluss der Retuschearbeiten können Sie mit Post-Processing-Effekten das Bild weiter individualisieren. [Foto: Medianord]
Das Endresultat mit voller Auflösung und externer perspektivischer Korrektur der stürzenden Linien. [Foto: Medianord]
Um zu demonstrieren, wie die Bewegung in einem Bild aussehen, haben wir diese hier mit einer Funktion von Neat Projects Professional dargestellt. [Foto: Medianord]
Je nachdem, wie lange das Objekt auf dieser Position war, müssen gegebenenfalls mehrere Bilder ohne das Objekt in diesem Bereich „verstärkt“ werden. Reicht das nicht aus, müssen Sie manuell das Objekt in den anderen Bildern „abschwächen“. Dazu markieren Sie erneut das ganz rechte Feld des entsprechenden Bildes. Denken Sie aber vorher daran, das rot markierte Feld zu deaktivieren, da es ansonsten unnötig kompliziert wird. Als Werkzeug wählen Sie in diesem Fall das „Radiergummi" aus und markieren wie zuvor den Bereich, der weniger stark in das Ergebnis einfließen soll.
In unserem Fall war die Gruppe sehr lange an dem gleichen Platz, sodass das Pinselwerkzeug alleine das Geisterbild nicht beseitigen konnte. Aus diesem Grund bietet Neat Projects Professional mit dem Stanzmodus die ultimative Waffe an. Er lässt sich sowohl mit dem Pinsel wie auch mit dem Löschen-Werkzeug problemlos kombinieren. Der Pinsel plus Stanzmodus sorgt dafür, dass der markierte Bereich nochmals höher priorisiert wird und alle anderen Bilder der Serie in diesem Bereich entsprechend abgeschwächt werden. Die Kombination Löschen-Werkzeug und Stanzmodus schwächt den Bereich dementsprechend ab und verstärkt diesen in allen anderen Bildern der Serie. In unserem Beispiel konnte die Gruppe vollständig vom Ergebnisbild entfernt werden.
Wenn Sie große Bildbereiche austauschen wollen, dann gibt es einen sehr einfachen Trick, dies sauber zu realisieren. Zunächst bearbeiten Sie das Bild wie beschrieben in Neat Projects Professional und speichern das Ergebnis als TIF-Datei ab. Dann speichern Sie Ihr Projekt und erstellen ein neues. Als Bildsequenz laden Sie das zuvor gespeicherte Bild sowie zwei weitere Bilder, die die Bereiche beinhalten, die Sie beibehalten wollen. Die Software berechnet daraus das Bild und Sie müssen nur noch die Bewegungsbereiche beziehungsweise die statischen Objekte markieren. Gerade für den „Austausch“ von Wolken und Himmel eignet sich diese Vorgehensweise sehr gut. Ist das Ergebnisbild fehlerfrei, können Sie bei den individualisierbaren Postprocessing-Effekten kreativ werden und das Bild in verschiedenster Art und Weise veredeln. Zudem lässt sich das Bild an andere Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop CC, Lightroom sowie die Franzis-Projects-Reihe übergeben. Natürlich können die Bilder auch vorher, beispielsweise mit DxO Optics Pro, optisch korrigiert werden.