Rubrik: Bildgestaltung
Seltsam, im Nebel zu wandern ...
2001-10-22 Das ist schon eine seltsame Empfindung, umgeben zu sein von weißem Gewaber, das uns in einen begrenzten Raum einschließt, das die Geräusche dämpft und den Rest der Welt in ein Nichts auflöst. Diese Empfindung kann man im Bild festhalten; mit ein wenig Sensibilität und Überlegung. (Jürgen Rautenberg)
Kontrast durch Pfähle [Foto: Jürgen Rauteberg]
Besonders intensiv erlebt man den Morgennebel, wenn alles frisch und kühl
duftet und man weiß, dass in kurzer Zeit wird der Tag da sein, die Sonne
strahlen und der Nebel sich auflösen wird. Sorgen Sie dafür, dass Sie zeitig
vor Sonnenaufgang an Ihrem Aufnahmeort sind, beispielsweise einem Fluss- oder
Seeufer, in dessen Feuchtigkeit sich der Nebel länger hält und Ihnen Zeit zur
Vorbereitung lässt. Wählen Sie Ihren Standort so, dass beim Dünnerwerden des
Nebels eine Gegenlichtsituation zu erwarten ist, in der Binsen, Pfähle, Enten
auf dem Wasser dunkel gegen die spiegelnde Wasserfläche stehen.
Nebel selbst bietet kaum Kontraste, die müssen Sie also schaffen. Es kann
Ihnen kaum besseres begegnen als eine Reihe von Pfählen, die sich von der
Kamera weg in den Hintergrund bewegen. Im Bild werden sie von Pfahl zu Pfahl
immer kleiner. Außerdem erscheint der erste Pfahl kräftig schwarz, der
nächste liegt schon etwas im Dunst und je weiter die Pfähle sich entfernen, um
so lichter und zarter werden Sie gezeichnet; das schafft Tiefe. Verzagen Sie
nicht, wenn Sie keine Pfähle finden; mit ein wenig Kreativität tun viele
andere Dinge den gleichen Dienst. Es geht nur darum, einen Kontrast zu erzeugen
(Bild 1). Sorgen Sie dafür, dass hartes Schwarz gegen weichen Dunst steht.
Kraft- und kontrastvolle Bilder kommen dabei heraus (Bild 2).
Hartes Schwarz gegen weichen Dunst [Foto: Jürgen Rauteberg]
Nebel kann von sehr unterschiedlicher Konsistenz sein. Sie hängt einerseits
von der Dicke der Nebelschicht, andererseits von der Kraft der
Sonneneinstrahlung ab. Einmal ist er schwer, drückend und lässt der
Farbbildung keine Chance. Dann wieder wirkt er leicht und schwebend und scheint
zu leuchten. Aber gerade dieser feine, leichte Nebel, durch den hindurch das
Sonnenlicht schon zu ahnen ist, wird im Bild oft zu dunkel wiedergegeben und
wirkt anstatt leicht und hell eher grau und düster (Bild 3). Das ist eine
Eigenart der Belichtungsmessung, die immer dann auftritt, wenn ein Motiv aus
besonders hellen Tönungen besteht (Schnee, weiße Wände, lichter Nebel).
Leicht und hell statt grau und düster [Foto: Jürgen Rauteberg]
Hier kann deshalb eine Belichtungskorrektur angebracht sein. Korrigieren Sie
um eine halbe, in seltenen Fällen bis zu einer ganzen Stufe ins Plus. Eine
Stufe Plus heißt: Die Kamera belichtet um eine Blenden- oder Zeitstufe heller
als der Belichtungsmesser gemessen hat. Jede auch nur halbwegs brauchbare Kamera
verfügt über ein solches, leider viel zu selten genutztes
Gestaltungsinstrument. Wenn in den Technischen Daten Ihrer Kamera zum Beispiel
steht: "Belichtungskorrektur +/-2,0 EV in 1/2-Schritten" dann heißt
das, Sie können Ihr Bild in insgesamt neun Stufen von minus 2 bis zu plus 2 um
je 0,5-Belichtungsstufen heller oder dunkler machen als der Belichtungsmesser vorgibt.
Bei Nebel besteht Verwacklungsgefahr. Am besten benutzen Sie ein Stativ.
Besitzen Sie noch keines, dann stützen Sie die Kamera an irgend einem immobilen
Element ab, atmen durch und lösen mit ruhiger, stetiger Bewegung des
Zeigefingers aus.