Rubrik: Bildgestaltung
So oder so? Bildvergleiche II
2002-03-25 Der Vergleich zweier Bilder eines Motiv kann lehrreicher sein als eine ganze theoretische Lektion; wir bieten Ihnen deshalb einen weiteren Tipp mit drei Vergleichs-Fotopaaren an. Es geht um drei Themen: Bewegungsrichtung des Motivs, Wahl von Brennweiten und Motivausschnitt. (Jürgen Rautenberg)
Nilpferdkopf seitlich schwimmend [Foto: Jürgen Rauteberg]
Die zwei "Hippopotami" scheinen zwar recht gemütlich, können aber
bei einer Begegnung in freier Wildbahn durchaus gefährlich werden. Die Bilder
unterscheiden sich allein in der Richtung des Motivs zum Fotografen. Auf dem
ersten Bild bewegt sich das Tier von rechts nach links durch das Motiv; hübsch,
aber friedlich und kaum Emotionen weckend. Anders das zweite Bild. Hier schwimmt
es direkt auf den Betrachter zu und wenn der sich nicht aus dem Staube macht,
könnte es im Ernstfall brenzlig werden. Die Aussage tendiert also eher in
Richtung: Achtung; es könnte beißen! Kurz: Die Richtung, in der etwas auf den
Fotografen/Betrachter zukommt, deutet hier eher auf die Möglichkeit einer
Gefahr hin als bei einer schräg seitlichen Annäherung. Entsprechend wird die
Aufmerksamkeit des Betrachters beim Foto mit der direkten Annäherung stärker
geweckt; wird er stärker vom Bild angesprochen. Denken Sie an Ihre Eindrücke
bei folgender hypothetischer Situation: 1. Sie stehen neben einem
Schienenstrang; ein Zug kommt auf Sie zu. 2. Sie stehen dreihundert Meter vom
Bahndamm entfernt und der Zug fährt im Winkel von 90 Grad an Ihnen vorbei.
In welchem Fall steigt Ihr Adrenalinspiegel schneller?Beim zweiten Bildpaar geht es ausschließlich um die Wahl des
Bildausschnittes vor dem Hintergrund: Mit welchem Ausschnitt des Motivs kann ich
den Betrachter meiner Fotos stärker ansprechen, welcher gibt besser wieder, was
meinem Eindruck entspricht, welches Bild empfinde ich als stärker? Das ist
nicht so ohne weiteres schlüssig zu beantworten, denn zum einen hat jeder
Mensch seine einmalige Gefühlsstruktur und seine Empfindungen gehen nicht mit
der Menge konform, zum anderen vermitteln unterschiedliche Ausschnitte auch
unterschiedliche Aussagen. Das liebliche Nebeneinander einer Gruppe von weißen
und violetten Krokussen weckt bei unserem Beispiel andere Vorstellungen als die
Konzentration auf eine einzelne, durch die Farbgebung eher emotional
ansprechende Blüte. Sie scheint zu glühen und die partielle Unschärfe ist
durchaus gewollt! Deshalb ist es keine schlechte Entscheidung, von solchen
Motiven nicht ein Einzelbild zu machen, sondern eine Serie mit unterschiedlichen
Ausschnitten. Der Vergleich der Ergebnisse wird zur Erkenntnis führen, wie sehr
es darauf ankommt, exakt den Ausschnitt zu wählen, der eine gewünschte
Stimmung, eine gezielte Aussage vermittelt. Ursprünglich fotografierte Ursula
Kuprat eine Serie von fünf Bildern zum Thema, aus Platzgründen wählten wir
diese beiden.
Das dritte Bildpaar zeigt eine Situation am Rande der Lasithi-Hochebene
Kretas, eine Schafherde auf dem Weg zur neuen Weide. Das erste Bild entstand
gleich nach der Entdeckung des Motivs aus größerer Entfernung, herangeholt mit
Teleobjektiv. Beim Warten darauf, dass die Herde näher kommt, fiel der Blick
auf die Gruppe historischer, teils verfallener, teils restaurierter Mühlen auf
der Randerhebung des Plateaus. Nichts lag näher, als die beiden Motive
miteinander zu verbinden. Der Standpunkt wurde beibehalten; der unscharfe
Ginster im Vordergrund ist derselbe. Geändert werden musste die Brennweite –
Weitwinkel anstatt Tele – sodass die Mühlen ins Motiv kommen. Ausgelöst
wurde, als die Herde am Standort des Fotografen angekommen war, was sowohl den
Informationsgehalt verstärkt als auch den Raum erweitert.
Nilpferdkopf auf Betrachter zu schwimmend [Foto: Jürgen Rauteberg]
Krokusgruppe [Foto: Jürgen Rauteberg]
Krokus formatfüllend [Foto: Jürgen Rauteberg]
Schafherde Kreta, Bildmittelpunkt [Foto: Jürgen Rautenberg] [Foto: Jürgen Rauteberg]
Schafherde vor Kamera, Mühlen integriert [Foto: Jürgen Rauteberg]