Rubrik: Bildgestaltung
Sonne scheint meist von oben
2000-08-14 Wir sind es gewohnt, daß die Sonne mehr oder weniger steil von oben auf uns scheint. Das heißt aber noch lange nicht, dass ihr Licht stets auf gleiche Weise wirkt. Licht kann aus allen dreihundertsechzig Graden der Kompassrose einfallen und aus jeder Einstrahlrichtung wirkt es anders, beeinflusst die Materialwiedergabe und die Aussage auf seine Weise. (Jürgen Rautenberg)
Beispiel für Frontallicht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Wer klug ist, setzt das Sonnenlicht gezielt ein; je nach der
Botschaft, die seine Bilder dem Betrachter vermitteln sollen. Der
Sachfotograf wird Licht anders einsetzen als der Reporter oder der
Porträtfotograf.
Wenn Sie eine Backsteinfassade bei Gegenlicht fotografieren und
das Foto zeigt nur eine verschwärzlichte Oberfläche, die kaum die
Ziegelstruktur erkennen lässt, dann geschieht Ihnen das recht, denn
Sie haben eine wichtige Regel missachtet: Wo kein Licht ist, kann
sich keine Farbe entwickeln und können keine Strukturen sichtbar
werden. Ideal für diese Situation wäre ein Streiflicht, dass etwa
zwischen 40° und 90° seitlich auf das Motiv fällt. Dabei entsteht
folgender Effekt: In die Ziegelfugen, in die Fensterlaibungen,
überall dort, wo Flächen nicht glatt, sondern strukturiert sind,
fällt Schatten; hier bleibt das Bild dunkel. Auf alle der Sonne
ausgesetzten Flächen jedoch fällt Licht. Durch diesen
Licht-Schatten-Kontrast werden Strukturen herausgearbeitet und
werden Farben sichtbar; die Fassade beginnt zu leben! Aber gerade
auch in der Sachfotografie ist Streiflicht wichtig; es macht
Dreidimensionalität nachvollziehbar.
Beispiel für Gegenlicht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Das heißt nicht, Gegenlicht sei fotografisch minderwertig. Gute
Fotografen, die Stimmungen mögen, lieben es. Landschaften liefern
bei Gegenlicht dichte, spannungsgeladene Bilder. Zwar bestehen sie
manchmal nur aus Hell und Dunkel Lichtreflexe und Schatten mit
nur geringen Grau- oder Farbtönen dazwischen aber gerade dieser
Kontrast schafft Dramatik, Dynamik und verleiht der Darstellung
Atmosphäre.
Und dann ist da noch das Frontallicht, bei dem die Sonne im
Rücken des Fotografen steht. Zu fotografischen Urzeiten war dieses
das einzig anwendbare Licht überhaupt, weil die Materialien noch so
gering empfindlich und grob arbeiteten, dass nur unter Ausnutzung
der vollen Lichtmenge fotografiert werden konnte. Frontallicht erfasst alle Motivteile relativ gleichmäßig, Schatten spielen
keine große Rolle. Sein Vorteil: Alle Farben und alle
Helligkeitsdifferenzen werden optimal wiedergegeben. Strukturen
dagegen werden vernachlässigt. Auch bei Fassaden; siehe Gegenlicht.
Gegenlicht bringt nur Schatten ins Bild, Frontallicht nur Licht. In
beiden Fällen werden Strukturen nur unvollkommen wiedergegeben.
Frontallicht gibt Fassaden wenigstens hell und farbrichtig wieder,
weil aber die meisten Bilder bei Frontallicht gemacht werden, kann
das auf Dauer langweilig werden. Oft genügt die Überlegung:
"Jetzt ist das Licht ungünstig, schätzungsweise in drei
Stunden habe ich dagegen Ideallicht". Am besten probieren Sie
die verschiedenen Lichtrichtungen einmal aus und entscheiden dann,
welches Licht Ihrem Naturell, Ihrer fotografischen Intention und dem
konkreten Motiv am meisten entspricht.
Wie interessant die Berücksichtigung der Lichtrichtungen
fotografisch sind, sollten Sie ausprobieren. Denn: Ein Fototipp kann
Ihnen ein Aha-Erlebnis bescheren. Was alles machbar ist, das können
Sie nur durch eigene fotografische Etüden herausfinden.
Beispiel für Streiflicht [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 1 Über solche Bilder,
entstanden mit Frontallicht, freuen sich neben dem Fotografen vor
allem Reiseveranstalter.
Bild 2 Fotografiert man eine zarte,
transparente Blüte bei Gegenlicht, beginnt sie zu leuchten.
Beispiel für Schatten als Teil des Motivs [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 3 Jede Nuance, jede kleinste
Unebenheit wird durch das seitlich einfallende Streiflicht
hervorgehoben. Nichts dagegen für Porträts junger Damen.
Bild 4 Schatten ist nichts Negatives.
Geschickt eingesetzt, kann er sogar Teil des Motivs werden.