Rubrik: Bildgestaltung
Spiegelungen
2000-09-11 Wird ein Motiv nicht direkt, sondern über ein spiegelnde Fläche fotografiert, verliert es an Direktheit, Vordergründigkeit und gewinnt an Aufmerksamkeitswert. Spiegelungen können natürlich in Spiegeln, aber ebenso in Fenstern, Schaufenstern und anderen reflektierenden Flächen sowie auf Wasseroberflächen auftreten. (Jürgen Rautenberg)
Umgebung kontrastiert mit modernem Spiegelbau [Foto: Jürgen Rauteberg]
Jede Geschäftsstraße ist voller Spiegelungen. Verglaste
Hochhäuser, Flüsse und Pfützen sind unerschöpfliche Fundgruben.
Spiegelungen können zwei Seiten einer Medaille zeigen.
Beispielsweise ein Stück moderner Architektur, in deren
Glasflächen sich ein Stück "Altstadt" spiegelt.
"Kontraste" ist der Fachausdruck dafür. Spiegelungen
bieten sich in vielfältiger Form an man muss sie nur erkennen
und für seine speziellen Fotozwecke zu nutzen wissen.
Spiegelungen sind auch ausgezeichnet geeignet, Dinge unterderhand,
nicht zu vordergründig zu zeigen. Sie sprechen sozusagen
"durch die Blume". Vor allem, wenn sie sich in ungeputzten
Scheiben spiegeln, die das Motiv quasi im Hintergrund halten. Gute
Aktfotografen nutzen Spiegelungen gerne, weil sie im Gegensatz
zu den "Nacktfotografen" nicht unbedingt nur
Fleischbeschau halten wollen.
Spiegelbau verliert an Bedeutung, Spiegelung wird umfangreicher [Foto: Jürgen Rauteberg]
Der Fotograf kann selbst Teil des gespiegelten Motivs sein. Will
er das nicht, muss er darauf achten, dass sein gespiegeltes Abbild
in einer nicht reflektierenden Stelle des Motiv
"verschwindet". Das ist manchmal nicht einfach. Ein
Notbehelf: Montieren Sie die Kamera auf ein Stativ, betätigen Sie
den Selbstauslöser und gehen Sie vor dem Auslösen aus dem Bild;
die Kamera auf dem Stativ wird nicht in dem Maße wahrgenommen wie
eine Person.
Man wird kaum in Versuchung kommen, bei Spiegelungen den Blitz in
oder auf der Kamera einzusetzen. Wer allerdings ein
"Selbstporträt im Spiegel" machen möchte, sollte darauf
achten, dass er nicht direkt im rechten Winkel in den Spiegel
fotografiert. Der Lichtstrahl des Blitzes würde in das Objektiv
reflektieren und das Motiv bis zur Unkenntlichkeit überstrahlen.
So kann man sich den Himmel "herunterholen" [Foto: Jürgen Rauteberg]
Jede Kamera, jedes Objektiv eignet sie, um Spiegelungen zu
fotografieren. Technisch bieten sie kaum Schwierigkeiten. Achten Sie
darauf, dass die Aufnahmefläche möglichst im Schatten, die zu
spiegelnden Elemente dagegen in vollem Sonnenlicht liegen, das lässt die kontrastreichsten Ergebnisse erwarten. Da das Sonnenlicht
sich je nach den Licht-/Schattenverhältnissen im Motiv
unterschiedlich auswirken kann, wird für die ersten Versuche eine
Belichtungskorrektur empfohlen. Machen Sie über die
Korrektureinrichtung Ihrer Kamera neben der normalen Belichtung ein
zweites Bild mit Überbelichtung und ein drittes mit Unterbelichtung
um jeweils eine halbe bis eine Stufe. Aus der Erfahrung, die Sie mit
solchen Tests machen, lernen Sie für Ihre fotografische Zukunft.
Mit Spiegelungen kann man die Welt verändern und verzeichnen und
kommt zu wunderschönen Farbspielen, deren Ausgangsformen kaum noch
oder gar nicht mehr erkennbar sind. Sie sind eine
Möglichkeit zu spielen für den, der sich den Sinn dafür bewahrt
hat und regen die Phantasie derer an, die Abstand von unserer
nüchternen Welt halten möchten.
Bild 1 Innen- und
Außenraum durchdringen sich; die Spiegelung der leicht
entmaterialisierten Umgebung kontrastiert mit dem modernen
Spiegelbau.
Schmeichelnde, fröhliche Situation durch strahlende Motivfarben [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 2 Das Bild zeigt eine Variation
der vorigen Situation; der Spiegelbau verliert an Bedeutung, die
Spiegelung selbst wird umfangreicher, das Bild insgesamt statischer.
Bild 3 So kann man sich den Himmel
"herunterholen".
Eine von der Ursprungsform völlig losgelöste Abstraktion [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 4 Die strahlenden Motivfarben
spiegeln sich, leicht verzerrt, auf der Wasseroberfläche; eine dem
Auge schmeichelnde, fröhliche Situation.
Bild 5 Das eigentliche Motiv ist gar
nicht mehr im Bild. Die Spiegelung schafft etwas völlig Neues;
eine von der Ursprungsform völlig losgelöste Abstraktion.