Rubrik: Zubehör
Stative – Teil 1: Ein Muss in der fotografischen Grundausrüstung
2008-10-20 Fritz Pölking, der große deutsche Naturfotograf, wurde in einem Interview von einem Journalisten gefragt, was denn für ihn das wichtigste fotografische Zubehör sei. Ohne lange Überlegung erklärte der: "Das Stativ" und erklärte es so: "Es erhöht die Freude an der Gestaltung ungemein. Aus der Hand drücke ich nur ab. Mit Stativ lasse ich mir mehr Zeit, befasse mich mit dem Motiv und entdecke immer neue Möglichkeiten." Neben diesen gestalterischen Gründen für die Verwendung eines Stativs, gibt aus auch einige technische Notwendigkeiten für seine Benutzung. All dem geht unsere heute beginnende dreiteilige Fototipp-Serie über Stative nach. (Günter Hauschild)
Beim Fotografieren wird die Kamera von einem "System" (einem Menschen) gehalten, das aus vielen sehr beweglichen Teilen (Knochen) besteht. Allein die Hand, welche die Kamera hält, hat in jedem Finger drei Gelenke – die in den übrigen Handteilen und den Armen, den Beinen etc. gar nicht mitgerechnet. Verbunden sind diese Skelettteile durch Muskeln, die nicht immer dem menschlichen Willen gehorchen und nie festgestellt werden können. Wird dann der Auslöser der Kamera durchgedrückt, wirken auf diese Kräfte in verschiedenen Richtungen ein. Die eine Kraft kommt vom Daumen, der die Kamera nach hinten abstützt, und die andere vom Zeigefinger, der den Widerstand des Auslösers überwinden muss. Im schlimmsten Fall wird die Kamera vom Daumen plötzlich nach vorn und vom Zeigefinger ebenso plötzlich nach hinten unten verschoben. Sicher sind das nur Bruchteile von Millimetern, sie reichen aber aus, um das gestochen scharfe(!) Bild zu verhindern. Zu diesen möglichen Kamerabewegungen kommen noch die des Fotografen hinzu. Der ist – technisch gesehen – ein Zweibeinstativ, das aus vielen nicht fixierbaren Teilen besteht. Das steht zwar entlang der Linie, auf der die beiden Beine stehen, einigermaßen stabil, in Richtung der optischen Achse seines Apparates aber recht instabil, er schwankt vor und zurück und – bedingt durch die vielen Gelenke – auch noch in sich selbst. Auch wenn das wieder nur Bruchteile von Millimetern sind, zusammen mit den anderen möglichen Bewegungen, auch denen des Objekts, summieren sie sich zu solchen, die schließlich zur Unschärfe in den Bildern führen.
Dass trotzdem viele Bilder scharf sind, das liegt einfach daran, dass durch eine recht kurze Verschlusszeit auf dem Foto nur ein winziger Ausschnitt aus einem Vorgang abgebildet wird. Allgemein gilt: Wer mindestens mit dem Kehrwert der Brennweite (bei 100 mm also mit 1/100 s, bei 200 mm mit 1/200 s) belichtet, kann auf scharfe Fotos hoffen, sofern diese Zeiten an der Kamera einstellbar sind; alternativ wird sonst ein Wert kürzer gewählt. Aber bitte bei der Berechnung der Belichtungszeiten die Brennweitenverlängerung der digitalen Kameras beachten.
Muss aber – zum Beispiel wegen Lichtmangels oder der erforderlichen Schärfentiefe, länger belichtet werden, verursacht das "System Mensch" Bewegungen der Kamera. Die Folge sind Unschärfen in den Bildern. Einzige Rettung in solchen Situationen ist die Trennung von Kamera und Mensch. Das geht durch die Verwendung eines Stativs. Es gehört also folgerichtig zur Grundausstattung des ambitionierten Fotografen, seine Auswahl aus dem Angebot kann aber zur Qual werden.
Hier der Versuch einer Gruppierung: Die Stative der einfacheren Art sind für leichte Digitalkameras wie geschaffen. Selbst klein und leicht, finden manche sogar in der Hosentasche Platz. Der ambitionierte Hobbyfotograf hat vielleicht das eine oder andere in seiner Ausrüstung, wird aber bald die Grenzen spüren, die ihm damit gesetzt sind. Hier nun unsere Gruppen:
- Die Kamera wird auf einer festen und stabilen Unterlage (Mauer, Holzpfosten, Autodach, Gepäckträger des aufgebockten Fahrrades ...) positioniert, die Funktion "Selbstauslöser" aktiviert und ausgelöst. Bei vielen Kameras lassen sich verschiedene Vorlaufzeiten des Selbstauslösers einstellen.
- Ein kleiner Sack aus Leinen, Kunststoff oder Leder wird nicht zu prall mit Linsen, Reis oder Bohnen gefüllt. Der dient als Unterlage für die Kamera, den man den Notwendigkeiten entsprechend formen kann. Diese "Stativform" hat sich als "THE pod" modernisiert (Bild 5). Als Kameraplattform hat dieser Beutel eine Stativschraube und einen Reisverschluss, über den er mit entsprechenden Materialien (Granulat, Sand ...) gefüllt und wieder entleert werden kann.
- Eine der neueren Entwicklungen ist das Joby GorillaPod (Bild 3), ein Stativ, das sich in (fast) alle erdenkliche Stellungen biegen lässt und so auf den unmöglichsten Unterlagen Platz findet oder um Baumäste bzw. Stangen gewunden werden kann.
- Unter der Bezeichnung Tisch- oder Ministativ (Bild 4) sind verschiedene sehr kleine und leichte Stative im Angebot, die allerdings nur bis zu 2 kg tragen können. Auch wenn ihre ursprüngliche Anwendung in den Namen einging, sind sie doch vielseitiger, zum Beispiel auch in der Makrofotografie, selbst in der Landschaftsfotografie einsetzbar.
- Beim Klemmstativ (Bild 6) ist eine Schraubzwinge oder eine spezielle Klemmvorrichtung mit einem Kugelkopf verbunden. Es ist relativ klein, leicht, recht handlich und kann an entsprechenden Gegenständen (Tischplatten, Geländer, Autoscheiben, Zäunen ...) angeklemmt werden.
Die Bezeichnung Stativ verdienen erst richtig die Einbein- und Dreibeinstative. Ihr Einsatz, die Vorzüge, aber auch die Nachteile werden im übernächsten, dritten Teil unserer Fototipp-Reihe "Stative" dargestellt. Ob die Kamera am Stativ für den Fotografen gut zu handhaben ist, hängt nicht unwesentlich von der Art der Verbindung beider ab. Sie wird hergestellt durch Kugelköpfe, Zweiwege- oder Dreiwege- bzw. Getriebeneiger. Diese Geräte werden Gegenstand des folgenden, zweiten Teils dieser Fototipp-Serie über Stative sein.