Rubrik: Bildgestaltung
Stillleben
2001-02-26 Der Begriff kommt aus dem Niederländischen und steht für "stille, ruhige Darstellung von Dingen des täglichen Lebens". Maler lieben Stillleben, für Fotografen sollten sie Pflichtübung sein. Denn während in anderen Motivbereichen zumeist die Komponenten vorgegeben sind, muss man beim Stillleben in der Regel alles – Wahl der Zutaten, Arrangement, Licht – selber beisteuern. (Jürgen Rautenberg)
Stillleben - Selbst gepflückt [Foto: Jürgen Rauteberg]
"In der Regel" steht oben, weil natürlich jedes reale Geschehen am
Wegesrand, jedes Arrangement kleinerer Dinge, dem man begegnet, allein durch
Ausschnittwahl in ein Stillleben verwandelt werden kann. Als Beispiel dafür
steht das erste Bild. Jeden Blumenstrauß kann man unter dem Gesichtspunkt
"Was kann ich daraus machen?" betrachten. Die Auslagen bei Schlachter,
Fisch- oder Gemüsehändler, Gerümpel auf dem Boden, beim Trödler oder im
Antiquariat; wo immer Sie sich aufhalten, finden Sie Stillleben-Motive. Sie
müssen nur noch den richtigen Ausschnitt wählen, dürfen aber
selbstverständlich auch Regie führen, indem Sie Veränderungen am Arrangement
vornehmen, Aufnahmerichtung, Ausschnitt und Perspektive motivgerecht wählen.
Das Bild 1 "Selbst gepflückt" steht als Beispiel für ein solch
einfaches, ohne Umstände machbares Stillleben. Gegenlicht durch das Fenster
setzt Glanzpunkte auf jede einzelne Beere, die warme Sommerstimmung wird
spürbar.
Wirklich interessant aber wird es, wenn man ein Stillleben selber
"baut". Wählen Sie zwei, drei, vier Dinge aus nicht zu viel, das
macht unruhig die in irgendeiner Weise miteinander korrespondieren. Zwingen
Sie jedoch wesensfremde Dinge zusammen etwa nach dem Motto "Ein
Schocker kommt immer an" kann das leicht peinlich werden. Die Anordnung
der einzelnen Motivteile zueinander und ihre Platzierung im Rahmen des
Bildfeldes entscheiden über die Wirkung. Das Übertragen des dreidimensionalen
Motivs auf die zweidimensionale Fläche des Fotos muss man üben. Schauen Sie
während des Arrangierens immer wieder auf den LCD-Monitor oder durch den Sucher
und vergleichen Sie, wie sich das Motiv in die Fläche fügt.
Stillleben - Alte Bücher [Foto: Jürgen Rauteberg]
Ausleuchten heißt mehr als Licht anknipsen. An einem Tisch im Freien können
Sie diesen so drehen, dass die Sonne günstig einfällt. Was
"günstig" ist, hängt immer vom Motiv ab. Versuchen Sie es mit einem
die Strukturen herausarbeitenden Seitenlicht. Eine der Lichtquelle gegenüber
platzierte Styroporplatte fängt das Licht ein, reflektiert es in die
Schattenseite des Motivs und gleicht zu starken Helligkeitskontrast aus. Aber
nicht übertreiben; wir sind es gewöhnt, dass die Sonne nur von einer Seite
strahlt und empfinden eine solche Ausleuchtung durchaus als normal.
Stillleben - Trauben [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bei Innenaufnahmen reicht der eingebaute Blitz für frontale Ausleuchtung
völlig aus, denn Sie fotografieren Stillleben ja auf relativ kurzen Abstand.
Vielseitiger und wirkungsvoller ist aber ein von der Kamera getrennt
einsetzbarer Blitz. Ein solches Gerät kann, wie im vorigen Absatz beschrieben,
die Sonne ersetzen. Bild 2 "Alte Bücher" zeigt das. Der Blitz
steht rechts im Winkel von ca 70°. Dadurch werden die Buchrücken plastisch
wiedergegeben. Die Rückwand bleibt dunkel und lässt die Farben des Motivs
kräftiger erscheinen. Bild 3 "Trauben" machte die Fotografin im
Rahmen eines Seminars für Stillleben. Sie setzte den von der Kamera getrennten
Blitz so ein, dass er das Motiv kontrastreich von oben ausleuchtete, der
Hintergrund jedoch im Schatten blieb. Starker Kontrast und Bildaufbau erzeugen
Spannung.
Bei Bild 4 beachten Sie die weiche Schattenbildung. Zwischen Blitz und
Motiv wurde eine Mattglasscheibe gehalten, die das Licht streut. Ein auf einen
Rahmen gespanntes Pergamentpapier tut es auch. Je größer die das Motiv
anstrahlende Leuchtfläche, um so weicher der Licht-/Schattenkontrast. Oder
richten Sie den Blitz auf eine entsprechend platzierte Reflektionsfläche
(z. B. eine Styroporplatte, für viele Fotografen ohnehin ein
unverzichtbares Requisit), die ihrerseits weiches Licht auf das Motiv wirft.
Stillleben - Beispiel für weiche Schattenbildung [Foto: Jürgen Rauteberg]