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Telefotografie – Strategien gegen Verwackeln
2009-10-12 Verwackelungen sind ärgerlich, machen sie doch ein ansonsten gelungenes Foto oft zunichte. Insbesondere in der Telefotografie tritt diese Erscheinung häufiger auf, als einem lieb ist. Dabei sah das Bild auf dem Kameradisplay doch scharf aus – erst der heimische Computermonitor macht die möglicherweise vorhandene Verwackelung schonungslos sichtbar. Wie man dem "Tele-Feind" entgegenwirken kann und was sonst noch für die Telefotografie interessant sein dürfte, soll dieser Fototipp erläutern. (Ralf Germer)
Früher, zu Analogzeiten, hieß es immer: "Nimm den Kehrwert der Brennweite als Belichtungszeit, und du bist auf der sicheren Seite" – eine Regel, die sich auf die Freihand-Fotografie mit Teleobjektiven bezieht. Ein Objektiv mit 300 mm Brennweite verlangte demnach eine Belichtungszeit von 1/300 Sekunde, nicht länger. Dies gilt heute im digitalen Zeitalter ebenfalls noch, allerdings für Digitalkameras mit sogenanntem Vollformatsensor (24 x 36 mm). Da aber die meisten Fotografen wohl eher mit Kameras mit kleineren Sensoren fotografieren, sollte man den damit verbundenen kleineren Bildwinkel beachten. Dieser kleinere Bildwinkel ist gewissermaßen der Übeltäter, der Bilder so schleichend verwackeln lässt. Je kleiner der Bildwinkel, umso größer die Winkelgeschwindigkeit der bewegten Motivdetails und desto größer die Gefahr der Verwackelung. Bei einem für Vollformat berechnetem Objektiv, was früher ausgezeichnete Fotos nach der oben genannten Regel lieferte, muss bei der Verwendung z. B. an einer DSLR-Kamera im APS-C-Format der sogenannte Crop- bzw. Brennweitenverlängerungsfaktor (oftmals 1,5) berücksichtigt werden: 300 mm x 1,5 entspricht dann einer maximal zulässigen Belichtungszeit von einer 1/450 Sekunde, besser 1/500 Sekunde. Selbst bei einem 100mm-Makroobjektiv, mit dem man im Nahbereich knackscharfe Dias mit einer "1/60" Sekunde aufgenommen hatte, produziert man mit dem digitalen APS-C-Body mehr Ausschuss, als einem lieb ist – wenn man meint, weiterhin mit einer 1/60 Sekunde fotografieren zu können. Grundsätzlich gilt: je kleiner der Sensor, desto kleiner der Bildwinkel des Objektivs, desto kürzer die Belichtungszeit und desto mehr Licht wird benötigt. Das ist auch ein Grund, warum Profifotografen so lichtstarke (und damit teurere) Objektive bevorzugen.
Um der Verwackelung vorzubeugen, gibt es natürlich auch andere Möglichkeiten. An erster Stelle sollte hier ein stabiles Stativ als Grundlage dienen. Stabil muss nicht heißen schwer. Allerdings sind die leichten und zugleich stabilen Stative aus Carbon oder Basalt deutlich teurer als die schwereren Alu- bzw. Holzstative. Wichtig ist beim Kauf, dass das Stativ zur Kamera-Objektiv-Kombination passt. Ein Stativ mit einer Tragfähigkeit von 2 kg ist natürlich nichts für eine Ausrüstung, die etwa 4-5 kg wiegt. Dazu kommt bei einer guten Ausrüstung noch der Stativkopf, der auch noch mal etwa 1 kg oder mehr auf die Waage bringen kann. Bei den Köpfen kann man grob zwischen "normalen Neigern", Kardanköpfen und Kugelköpfen unterscheiden. Was für ein Kopf benötigt wird, ist von der Art der Fotografie abhängig. Fotografiert man ausschließlich "Stillleben", kann man ganz gut mit einem normalen Neiger, der sich präzise einstellen lässt, leben. Handelt es sich um bewegte Objekte, dann sind Kugelköpfe oder Kardanköpfe vorzuziehen. Am flexibelsten ist man mit einem Kugelkopf ausgerüstet, denn der – sofern er präzise gefertigt ist, eine entsprechende Tragkraft besitzt und eine gute Friktionseinstellung hat – kann sowohl für "Mitzieher" genauso verwendet werden wie für Makro- und Landschaftsaufnahmen. Kardanköpfe werden meist von professionellen Tier- und Naturfotografen verwendet, weil sie ein schnelles und geschmeidiges Mitziehen ermöglichen und aufgrund ihrer Konstruktionsweise ein versehentliches Abkippen der meist sehr schweren Kamera-Teleobjektiv-Kombination verhindern. In der Regel sind die guten bzw. lichtstarken Teleobjektive schwerer als die Kamera. Beim Kauf eines Teleobjektives sollte man daher darauf achten, dass eine Stativschelle am Objektiv vorhanden ist. So kann die Kamera-Objektiv-Kombination sehr viel einfacher im Schwerpunkt auf dem Stativ montiert werden, was zum einen die Bajonett-Verbindung schont, zum anderen deutlich ungewollte Schwingungen reduziert.
Allerdings genügt ein Stativ alleine auch nicht ganz, denn es gibt einige Punkte, die hier beachtet werden sollten. Um ein Stativ möglichst voll auszureizen, verzichten Profis in der Regel auf die Mittelsäule oder zumindest auf deren Verwendung. Denn je höher sich der Schwerpunkt der Kamera-Objektiv-Kombination über dem "Dreibein" bzw. der Stativschulter befindet, desto instabiler und wackeliger wird der Aufbau. Selbst das Drücken des Auslöseknopfes an der Kamera führt zu beträchtlichen Schwingungen, daher ist die Verwendung eines Fernauslösers durchaus angebracht. Wer noch eins "draufsetzen" möchte, der verwendet obendrein die bei guten Spiegelreflexkameras vorhandene Spiegelvorauslösung. Der Spiegel klappt dann 2-3 Sekunden vor der Belichtung nach oben, damit die Schwingungen bis zur Aufnahme möglichst gedämpft sind. Interessant ist auch, dass SLR-Kameras mit Bildsensoren im APS-C-Format aufgrund des kleineren Spiegels geringere Schwingungen verursachen als die Vollformat-Boliden. Eine weitere Möglichkeit, ein Stativ zu stabilisieren, erreicht man mit einer zusätzlichen Last, die zwischen die Stativbeine gehängt wird. Hier sollte aber ebenfalls berücksichtigt werden, die eigentliche Traglast des Stativs nicht zu überschreiten – außerdem steigt bei Freilandaufnahmen die Windanfälligkeit.
Die in vielen Kameras oder Objektiven vorhandene Bildstabilisierung bringt einen Zuwachs von etwa zwei bis fünf Blendenstufen – das hört sich erst einmal enorm an. Da aber, wie schon erwähnt, die meisten Kameras relativ kleine Sensoren besitzen, benötigt man wiederum mehr Licht im Verhältnis zum Vollformat – und so sind die Grenzen dieses vermeintlichen Fortschritts schnell erreicht. Außerdem verweisen die Hersteller in der Regel darauf, bei Verwendung eines Stativs die Bildstabilisierung zu deaktivieren – das war´s dann mit dem Fortschritt in der Telefotografie. Die Bildstabilisierung ist, einfach gesagt, auf den "Puls" bzw. auf Mikrozittern des menschlichen Körpers abgestimmt und daher nicht für "statische" Aufnahmenbedingungen geeignet. Andererseits sollte man nicht gleich aufgeben, sondern kann versuchen, diese Krücke zu umgehen. Auf folgende Weise kann ein einfaches Stativ plus Bildstabilisator dennoch durchaus brauchbar sein: Wenn man sein Aufnahmezubehör montiert hat und die Bildstabilisierung aktiviert ist, legt man einfach "Hand an" an Objektiv und Kamera und simuliert so das menschliche Zittern. Es gibt keine Gewähr, aber bei manch einer Kombination führt dies zu deutlich besseren Ergebnissen als die reine Freihand-Aufnahme oder die Stativ-Aufnahme ohne Bildstabilisierung.
In letzter Zeit werden immer wieder auch sogenannte Bohnensäcke für Teleaufnahmen empfohlen. Die können Sinn machen, nur wenn einem die geeignete Auflagefläche fehlt, dann ist auch so eine relativ simple und preiswerte Alternative keine wirkliche Lösung. Ein Bohnensack auf einem Jeepdach während einer Safari kann allerdings schon sehr nützlich sein.
Die bisherigen Hinweise beziehen sich überwiegend auf (D)SLR-Kameras mit Teleobjektiv. Nicht vergessen sollte man aber die vielen Anwender sogenannter Superzoom-Kompaktkameras. Nach der ersten Begeisterung kommt da schnell Ernüchterung – was die Fotos mit dem "Supertele" betrifft. Trotz Bildstabilisierung gelingen Freihandaufnahmen nur selten bei voll ausgefahrenem Zoom. Dies liegt ganz einfach daran, dass die Kameras in der Regel sehr klein und leicht sind – ihnen fehlt die nötige Schwere und damit Trägheit. Wenn die Muskeln beim Fotografieren nicht genügend Anspannung aufweisen, kann man die Kamera nicht entsprechend ruhig halten – die Kamera zu beschweren, klingt zwar etwas absurd, ist aber effektiv.