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Tipps und Tricks zur neuen Adobe Lightroom Entfernen-Funktion mit KI

2024-06-16 Über generative künstliche Intelligenz mag man denken, was man will – unheimlich praktisch ist sie dennoch, beispielsweise beim Entfernen unerwünschter Objekte in einem Bild, was manuell zu einer Mammutaufgabe werden kann. Wir haben das Tool ausführlich ausprobiert und geben einige Tipps zum Umgang damit.  (Jan-Markus Rupprecht)

Natürlich wäre es fotografisch und auch technisch immer besser, wenn ein Foto erst gar keine störenden Elemente enthält, wenn man diese bei der Bildkomposition sieht und beispielsweise durch einen Standortwechsel vermeidet. Nicht immer aber ist dies möglich und oft ist es wichtiger, überhaupt den richtigen Moment einzufangen, als dies auch noch vom idealen Standort aus zu tun.

Die häufig als Beispiele genommenen störenden Stromleitungen in einem Landschafts- oder Stadtlandschaftsfoto sind quasi der "Klassiker". Solche zu entfernen, ist doch schon seit Jahren ganz einfach, werden Sie einwenden, dafür braucht man doch keine künstliche Intelligenz. Bekannte "Reparaturpinsel" machen das prima. Das ist richtig, solange es sich um einen mehr oder weniger ruhigen Hintergrund handelt.

Das Entfernen störender Objekte mithilfe generativer künstlicher Intelligenz geht aber einen ganzen Schritt weiter. Hierbei darf der Hintergrund durchaus komplex sein und Bildbearbeitung erfindet dann sozusagen den Hintergrund, der im Bild ursprünglich nicht sichtbar war, ganz neu. Wir haben ausprobiert, wie gut das in Adobe Lightroom Version 16.3.1 (Stand Juni 2024) funktioniert und geben ein paar Tipps und Hinweise dazu.

Die jetzige erste Version dieser Funktion ist noch als Beta gekennzeichnet, das heißt Adobe weiß, dass da noch nicht alles hundertprozentig perfekt läuft. Insofern können sich die Fähigkeiten laufend ändern. Wenn Sie diesen Fototipp lesen, gab es im Hintergrund vielleicht schon Verbesserungen gegenüber dem Stand, mit dem wir die Funktion ausprobiert haben.

Die Verarbeitung läuft nicht lokal, sondern im Rechenzentrum von Adobe, setzt also eine Internetverbindung voraus. Das Bild wird nach Ihrer Vorarbeit zu Adobe hochgeladen und die Ergebnisse kommen dann zurück. Davon merken Sie im Grunde nichts, außer, dass die Sache etwas dauert.

Wir haben die Funktion übrigens in Lightroom Classic, also der klassischen Desktop-Version, ausprobiert. Da die eigentliche Verarbeitung aber im Rechenzentrum und nicht lokal läuft, ist die Funktion auch in den mobilen Apps von Adobe Lightroom enthalten und sollte grundsätzlich ähnliche Ergebnisse bringen.

Die Fortschrittsanzeige ist sicherlich noch eine der stark verbesserungswürdigen Komponenten dieser Funktion. Sie vermittelt wirklich nur ansatzweise eine Vorstellung davon, wie lange die Verarbeitung noch dauern wird. Wir hatten häufig die Situation, dass der Balken sich gar nicht mehr verändert. Meist trat das auf, wenn der Balken sich schon dem Ende neigte. Man hat dann den Eindruck, das Programm sei eingefroren, was natürlich genau nicht der Sinn einer solchen Fortschrittsanzeige ist. Tatsächlich war das bei uns nie der Fall, sondern irgendwann ging es weiter. Haben Sie also Geduld.

Bei unseren Tests spielte die Tageszeit bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit eine große Rolle. In den europäischen Abendstunden ist auch in den USA schon einiges los und die Server von Adobe offenbar gut ausgelastet. Wesentlich schneller funktionierte die Sache, wenn wir sie am Vormittag ausgeführt haben. Dann schlafen die Leute in Amerika noch. Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, probieren Sie die neue Entfernen-Funktion vormittags aus.

Als Ergebnisse bekommen Sie immer drei Versionen, die sich sehr unterscheiden können. Schauen Sie sich also nicht nur die zunächst erscheinende Version an, sondern prüfen Sie auch die anderen beiden. Sie allein entscheiden, welche der drei Versionen für Sie das beste Ergebnis bringt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass jeder Verarbeitungsversuch andere Ergebnisse bringt. Die künstliche Intelligenz rechnet jedes Mal komplett neu. Wenn Sie die KI bei identischer Auswahl dreimal rechnen lassen, werden Sie dreimal unterschiedliche Ergebnisse erhalten. Wenn Sie also bei erstem Mal nicht zufrieden sind, kann es Sinn ergeben, die Funktion einfach ein zweites Mal laufen zu lassen.

Weil Sie aber nie ein Ergebnis ein zweites Mal erhalten werden, empfiehlt es sich, unbedingt vor jeder neuen Bearbeitung eine neue virtuelle Kopie des Bildes anzulegen. Anders werden Sie nie wieder zu einem möglicherweise gelungenen Zwischenstand zurückkehren können.

Sollten Sie das Bild später noch einmal aufrufen und den Hinweis bekommen "Einige Einstellungen für das Entfernen müssen aktualisiert werden", dann sollten Sie keinesfalls auf "Alle aktualisieren" klicken, wenn Ihnen der Stand eigentlich gefällt! Dies löst eine komplette Neuberechnung aus und Sie werden ein komplett anderes Ergebnis erhalten!

Die Auswahl, also quasi die Maske, die Sie vorher anlegen, spielt für das Ergebnis eine ganz entscheidende Rolle. Zwar ist es von der Idee her so gedacht, dass Sie einfach mehr oder weniger grob das störende Objekt markieren und dabei auch großzügig über dessen Rand "hinweg malen" und nicht viel Zeit damit verschwenden. Bei unseren Versuchen hatten wir hingegen den Eindruck, dass es sehr entscheidend darauf ankommt, was man markiert und was nicht. Gerade wenn im Bild Sachen sind, die auf keinen Fall verändert werden sollen, scheint es ganz wichtig zu sein, dass man diese nicht auch großzügig mit markiert, sondern sorgfältig ausspart. Sie können die Markierung mit verschiedenen Werkzeugdurchmessern sowohl vergrößern (addieren) als auch verkleinern (subtrahieren).

Die künstliche Intelligenz "versteht" nicht wirklich, was sie da tut. Nach unseren Erfahrungen funktioniert das intelligente Entfernen umso besser, je mehr es egal ist, wie genau der neu hinzugerechnete Hintergrund aussieht. Als Richtlinie könnte man sagen, es sollte sich dabei eher um Hintergrund handeln, auf den niemand so ganz genau schaut. Bildwichtige Teile im Vordergrund, auf die der Betrachter sehr viel stärker achtet, werden Sie mit der Funktion nicht zuverlässig erzeugen können. Gerade wenn es auf Symmetrien ankommt oder auf bestimmte Formen, die wiederhergestellt werden sollen, wird das nicht funktionieren.

Fein strukturierter Hintergrund sieht auf den ersten Blick erstmal sehr gut aus. Zoomt man dann allerdings in das Bild hinein, sieht man, dass die ersetzten Teile nur eine sehr niedrige Auflösung haben. Eine Rasenfläche beispielsweise, die im realen Teil des Fotos aus durchaus erkennbaren Grashalmen und Gänseblümchen besteht, ist im künstlich ersetzten Teil mehr oder weniger grüner Matsch mit weißen Punkten. Auf dem Smartphone oder beim Export in verminderter Auflösung wird das reichen. Ein Poster werden wir davon aber sicherlich nicht drucken wollen.

Vieles von den Punkten wird sicherlich in den nächsten Monaten und Jahren noch viel besser werden. Wir sind gespannt darauf!

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